XI ~ Hasst du mich?

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"Wohin wollte ich überhaupt?", flüsterte ich mir zu und versteckte deprimiert mein Gesicht in meinen Händen.

"Weiß nicht, wohin wolltest du in dieser Kälte? Und dann noch ohne Jacke."

Jemand legte mir von hinten eine Jacke um meine Schultern und setzte sich neben mir nieder.

Es war Uta. Natürlich tauchte er wie immer aus dem Nichts auf.

"Warum bist du hier?" "Man hat mich aus dem Antik rausgeworfen." "Ich weiß, ich habe es schon gehört." "Warum fragst du mich dann?" "Ich wollte es nur mal von dir hören."

Ich sah ihn entsetzt an. Er wusste genau, dass es mir wehtat, darüber zu reden.

Ich hasste seine sadistische Ader.

Wir schwiegen uns eine weile lang an. Meine Haut sah unter den Schneeflocken noch blasser aus als sonst, ich war schon so bleich wie Uta. Meine Lippen waren ganz rot und von der Kälte leicht eingerissen.

"Ist dir nicht kalt?", fragte ich ihn. Er saß bei -9 Grad Celsius nur in einem Shirt und Jeans neben mir, seine Jacke hatte ich ja an. "Solange dir nicht kalt ist, stört mich die Kälte nicht." Mir schoss die Röte ins Gesicht und ich sah endlich wieder etwas lebendiger aus. Er fasste meine Hand an und seine war erstaunlicherweise wärmer als meine.

"Du wirst nass..." Er fasste meine nassen Haare an, auf denen die Schneeflocken bereits geschmolzen waren.

"Möchtest du mit zu mir nach Hause kommen?", fragte er mich.

"Nein... ich komm schon alleine klar.", log ich. Ich wollte ihm keine Unannehmlichkeiten bereiten und es war ehrlich gesagt etwas unangenehm, mit ihm abzuhängen.

"Na gut... dann geh ich und du erfrierst hier, ehe du dich entscheiden kannst, wohin du gehen sollst." Uta drehte sich um und machte Anstalten zu gehen.

"Warte!", rief ich und hielt seine Hand fest. "Bitte... geh nicht."

Uta drehte sich gar nicht um und sah nur gerade aus. "Komm einfach mit oder ich lasse dich wirklich hier sitzen."

Als wir bei ihm zuhause waren, gab er mir ein Handtuch und wieder Sachen von sich zum Anziehen.

"Ich werde dir wohl öfter Sachen zum Anziehen von mir leihen als ich dachte.", sagte er scherzend und saß im Wohnzimmer auf dem Sofa. Selbst wenn er Witze machte, verzog sich sein Mund kein einziges Mal zu einem Grinsen, was mich immer verwirrte, denn ich wusste nicht ob ich lachen sollte.

"Setz dich."

Ich setzte mich zu ihm und er bot mir Tee an, den ich dankend annahm. Um die peinliche Stille zu brechen, sagte ich einfach irgendwas. "Ich kann immer noch nicht glauben, dass der Antik mich verbannt hat..."

"Ich habe es schon mitgekriegt und bereits eine Ahnung gehabt, dass du am Bahnhof warst."

"Yoshimura hat gesagt, dass 'sie' auf der Suche nach mir wären. Wer ist 'sie'?"

"Das weiß ich leider nicht..." Uta sah das erste mal richtig nachdenklich aus.

Hatte er vielleicht doch eine Ahnung?

"Warum können Ghoule nicht einfach normales Essen zu sich nehmen und das mit dem Menschen Fressen nicht lassen?"

"Du weißt nicht wirklich was über Ghoule, nicht wahr?", gab er mir nur als Antwort.

Ich sagte nichts, da ich wusste, dass er gleich fortfahren würde.

"Die Geschmacksknospen eines Ghouls sind so abgestimmt, dass sie nur Menschenfleisch essen und Kaffee und Wasser trinken können. Wenn wir Lebensmittel zu uns nehmen, die Menschen essen oder trinken, werden wir furchtbar krank und können in manchen Fällen sogar sterben."

"Erzähl mir mehr über Ghoule... ich möchte mehr wissen."

"Vor sehr langer Zeit wanderten die Ghoule aus dem arabisch-persischen Raum in den fernen Osten und wurden hier sesshaft. Sie verbreiteten ihre Rasse, Sitten und auch ihre Kaffeekultur hier. Ein Ghoul ist in der lange, sich in die verschiedensten Gestalten zu verwandeln und die Kraft und Schnelligkeit eines Ghouls sind dem, eines Menschen, weitaus überlegen. Die heutige Ghoul Rasse ist noch stärker, als die antike Ghoul Rasse. Wir sind Mutanten. Wir haben diese Kakugan Augen hier (Uta zeigt auf sein Auge) und Krallen auf unserem Rücken, genannt Kagune. Kagune bedeutet 'leuchtendes Kind' und bei Umschreibung auch 'Schmetterlingskind'. Das kommt daher, dass unsere Krallen meistens rot aufleuchten und ironischer Weise sehr empfindlich sind. Es gibt noch ein weiterer Mutant unter Ghoul Rassen. Man nennt sie 'Einäugige', da sie ein menschliches Auge und ein Ghoul Auge haben. Sie sind halb Mensch, halb Ghoul. Und trotzdem sind sie weder, noch. Sie sind in keiner der beiden Welten willkommen. Einäugige Ghoule sind aber sehr selten. Sie entstehen entweder wenn ein Ghoul und ein Mensch ein Kind zeugen, oder wenn einem Menschen die Organe eines Ghouls implantiert werden. Diese Spezies ist besonders stark. Sie haben auch versteckte Fähigkeiten, die ein normaler Ghoul nicht besitzt. Es birgt aber auch Nachteile, ein Einäugiger zu sein. Einer wäre zum Beispiel nicht zu stoppender Hunger."

Jetzt wurde mit alles klar. Alle im Antik waren die ganze Zeit über Ghoule. Und jetzt wusste ich auch, warum Ken eine Augenklappe trug. Er war ein Einäugiger, da war ich mir sicher...

Ich schwieg ein paar Sekunden lang.

"Ich hasse sie trotzdem..."

"Hasst du mich auch?" Uta sah mir mit seinem durchbohrenden Blick in die Augen.

Ich konnte nichts sagen. Mein Blick wich seinem einfach aus. Ich hasste Uta zwar nicht wirklich, aber er war ein Ghoul. Und Ghoule sind nunmal schreckliche Wesen. Sie haben mein ganzes Leben zerstört.

Wir hatten den ganzen Abend lang kein Wort mehr gesprochen, nach unserer Unterhaltung. Uta zeigte mir ein Zimmer in dem ich schlafen konnte und ich legte mich ins Bett. Er erlosch das Licht und ging zur Türe.

"Nicht alle Ghoule sind gleich, Kleine.", sagte er noch und schloss hinter sich die Türe.

Ich blieb mit offenen Augen liegen und starrte noch die Türe an, durch die er grade eben noch ging, bevor ich einschlief.

Save Me - Tokyo Ghoul (Uta)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt