26. Von Götterkraut zu Todeskraut

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Es stellte sich nicht einmal als überraschend heraus, dass die Berserker inzwischen genau so ein Leben wie die Verbannten führten. Also war es kein Wunder, dass lauter Drachen in der Luft herumsäuselten oder neben ihren Besitzern hergingen, während die Drachenreiter von Berk auf der Insel landeten. Heute lag die Zahl der Besucher auf einer Fünf. Diesmal waren Astrid und Valka zu Hause geblieben. Warum? Ganz leicht zu erklären:

Es war früher Morgen als die Sonne durch alle Fenster der Wikinger hereinbrach. Murrend blinzelte Astrid und versuchte sich an das Tageslicht zu gewöhnen, indem sie sich eine Hand an die Stirn legte. Wie gesagt: Sie hatte es versucht. Mit einem schmerzerfüllten Stöhnen stellte die Blondine fest, dass das Bewegen ihrer Körperteile höllisch wehtat. Langsam und sachte versetzte sie ihren Arm wieder in seine vorherige Position auf dem Holz des Bettes, doch selbst dies verpasste der 20-Jährigen ein unangenehmes Ziehen im Arm. ,,W-Was? Was ist los?!", platzte es auf einmal neben der Berkianerin heraus, als Hicks durch die Laute aufgeweckt wurde und seine Augen hektisch auf seine Freundin richtete. Der Blick, den Astrid ihm schenkte, sagte alles aus: Sie hatte den zweiten Schritt erreicht.

Da die Blonde nun durchgehend in Schmerz weilen würde, wurde schnell festgestellt,dass jemand bei ihr bleiben musste. Valka hatte sich freiwillig zur Verfügung gestellt. Für Hicks war es ein schrecklicher Gedanke - Seine Freundin in seiner Hütte, krank, hilflos und schwach. Doch wenn immer dieser Gedanke sich in sein Gehirn schlich, dann wurde die Sorge des Wikingers gleich wieder milder, da ihm wieder klar wurde, dass seine Mutter auf Astrid aufpasste.
Im Moment konnte er den Gedanken glücklicherweise kurz aus seinem Kopf bekommen, denn die Zwillinge, Fischbein, Rotzbakke und er wurden von ihren geliebten Berserkerfreunden empfangen.
,,Leute!", rief Heidrun voller Freude, als sie neben ihrem Bruder auf die Berkianer zurannte. Ein großes Lächeln erschien auf jedem Gesicht. Die ersten, die umarmt wurden, waren Hicks von Dagur und Fischbein von Heidrun.
Die Zwei waren sehr gute Freunde geworden, nachdem die Drachenreiter die Insel öfter besucht hatten. Fischbein hatte eine harte Zeit durchgestanden, in der er hatte miterleben müssen, wie Heidrun einen Typen gefunden, sich in ihn verliebt und mit ihm in eine Beziehung gekommen war. Verzweifelt hatte er versucht, eine andere Flamme zu finden. Wer hätte es gedacht? Diese Flamme war Raffnuss. Anfangs hatte Fischbein dies nur als Ablenkung gemacht, bis er sich schließlich wirklich in die junge Frau verliebt hatte. So hatte sich auch Rotzbakke in sie verliebt. Er wollte einen Wettstreit mit Fischbein, allerdings wurde dieser dann ernster als erwartet. Nun hatten Fischbein und Heidrun eine großartige Freundschaft zueinander entwickelt. Die Liebe war völlig aus dem Spiel gewichen.
Nachdem sich alle begrüßt hatten, bemerkte Heidrun sofort, dass jemand fehlte. ,,Wo ist Astrid? Moment...Warum seid ihr eigentlich hier? Stimmt etwas mit Astrid nicht?" Der erste Satz wurde noch normal mit etwas Verwirrung ausgesprochen. Der zweite klang schon etwas ernster. Und im letzten Satz hörte man die Sorge schon heraus. Hicks biss sich kurz auf die Unterlippe, ehe er verkündete: ,,Du hast es erfasst." Und wieder wurde die Geschichte vom Mord von Astrids Eltern, ihre Begegnung mit dem Mörder, ihre Vergiftung und die Krankheit, die die Blondine nun hat, erzählt. Heidrun und Dagur reagierten wie alle anderen, die diese Geschichte bis jetzt gehört hatten. Natürlich waren sie weitaus mehr besorgt als Gothi. Immerhin ging es hier für sie um eine gute Freundin. ,,Darum sind wir gekommen. Wir brauchen so viele Informationen wie möglich und haben uns gefragt, ob ihr etwas für uns habt.", beendete das Stammesoberhaupt von Berk. ,,Natürlich. Lasst uns gleich zu unserer Heilerin gehen und schauen, ob sie etwas für euch finden kann.", äußerte Dagur. ,,Danke.", war das letzte Wort, das dem Mund des Braunhaarigen entfloh, bevor er genau wie seine Freunde Heidrun und Dagur zu der Hütte der Heilerin folgte.
Angekommen erkundigte Heidrun sich gleich, ob die Heilerin namens Persapie, eine eher kleinere, mit weißen Haaren übersäte Frau, Informationen zu der Seuche der Götter gelagert hatte. Die 68-Jährige starrte schweigend auf ihre Gegenüber und kramte in ihren Gedanken nach einer Erinnerung von dieser Krankheit. Schließlich erhellte sich ihr Gesicht. ,,Ich denke, Ich habe da etwas." Wie auf Knopfdruck machte sich ein hoffnungsvolles Gefühl in den Berkianern breit. ,,Ich denke, ich habe da wirklich etwas für euch. Da habe ich etwas. Ganz bestimmt habe ich etwas für euch." Ziemlich eigenartig wirkend murmelte die Heilerin diese Sätze und suchte in einer Truhe voller Pergamente nach der gesuchten Krankheit. Während die Drachenreiter das Gesicht zu einer Miene, die aussagte, dass ihnen diese Dame wirklich sehr komisch erschien, verzogen, flüsterte Heidrun die Erklärung: ,,Sie sagt ihre Sätze immer doppelt und dreifach." Schließlich hatte Persapie ihre Suche vollendet und präsentierte ein ziemlich alt wirkendes, mit ein paar Falten verpasstes Blatt Pergament. Sie überreichte es Hicks, welcher es kaum abwarten konnte, die Wörter zu lesen, und es somit gleich erledigen wollte. Aufgeregt und mit einem mulmigen Gefühl begann das 20-jährige Oberhaupt zu lesen: ,,Die Seuche der Götter: An die nun ausgestorbene Krankeit kann sich niemand mehr erinnern, obwohl es einen ganzen Stamm vernichtet hat. Von Seefahrern, die diese Insel nach dem Vorfall untersucht haben, stammt die Legende, dass es einmal einen mächtigen Sturm rund um diese Insel gegeben hat. Es war vermutlich der schlimmste Sturm seit Jahrzehnten. Häuser waren vernichtet worden und es gab so manche Opfer. Die Leute hatten den Göttern die Schuld gegeben und aus Wut all ihre Wertsachen, die eigentlich zur Ehre der Götter gedient hatten, oder die Denkmäler ins Meer geworfen, sich ohne Ende beschwert und die Götter beschimpft. Diese ließen es nicht auf sich sitzen. Die Schöpfer unserer Welt setzten lauter Kräuter auf die Insel. Die Pflanzen verbreiteten sich, die Menschen fanden sie schließlich und nannten sie das Götterkraut. Ganz plötzlich bemerkten die Bewohner der Insel, dass die Götter doch nicht böse sind - Immerhin hatten sie diese Kräuter als Geschenk bekommen. Sie versuchten den Sturm zu vergessen und ließen auch nicht den Tag, an dem sie ihre Denkmäler weggeworfen hatten, aus. Es gab eine Feier, die Wikinger brauten Tränke mit dem neuen Kraut. Alle auf einmal stießen auf die Kräuter an und tranken etwas. Dies war ein großer Fehler. Die Götter hatten ihnen eine giftige Pflanze untergeschoben und schauten gnadenlos dabei zu, wie die Menschen Tag für Tag schwächer wurden und schmerzerfüllt in den Tod zogen. Seit diesem Vorfall trägt das Kraut den Namen Todeskraut und die Krankheit die Seuche der Götter, da sie sich wie eine Art schmerzende Seuche auswirkt." Hicks hielt kurz inne. Die anderen Wikinger im Raum besaßen auch ein geschocktes und panisches Gefühl in sich. Diese Geschichte stellte sich als beängstigend heraus. Dass eine ganze Insel an so einem grausamen Tod gestorben war, bereitete den Freunden einen klaren Schauer. Anfangs noch etwas fassungslos und daher stotternd las das Oberhaupt von Berk weiter: ,,Das Gegengift ist eine unbekannte Beere, dessen Name man nicht kennt. Sonstige Informationen wurden nicht ergattert." Mit einem langen, verzweifelten Seufzen ließ Hicks seine Hände sinken. ,,Na toll...Wir haben nichts nützliches herausgefunden.", beschwerte sich Rotzbakke. Fischbein vollendete den Satz des Zweifels: ,,Und wir wissen nicht, was für Inseln wir noch besuchen könnten." Das Stammesoberhaupt ließ einen Blick von den zweien auf die Dorfälteste, die dafür eigentlich noch ziemlich jung war, schweifen. ,,Können wir die mitnehmen?" Er hob das Papier in seiner Hand kurz an, um darauf zu deuten. Die Dame nickte und ,,Natürlich. Die Krankheit ist ausgestorben. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir es noch einmal brauchen, ist unwahrscheinlich. Ziemlich unwahrscheinlich. Äußerst unwahrscheinlich. Eure Freundin braucht es jetzt dringender." ,,Danke.", wisperte der Braunhaarige und zeigte der Frau ein kurzes, mildes Lächeln. Für ein normales hatte niemand im Moment den Nerv. Der junge Erwachsene versetzte genauso wie seine Freunde seine Füße nach draußen in das weiche Gras und steuerte die Drachen an. Heidrun und Dagur folgten ihnen schweigend und wussten, dass sie nun schon gleich losfliegen mussten. ,,Wo sollen wir jetzt überhaupt hin?", fragte schließlich Rotzbakke. ,,Ich weiß nicht. Haben wir andere befreundete Inseln?", machte Fischbein die Gegenfrage. Heidrun sah kurz zu Boden und überlegte, hob dann aber schließlich ihren Kopf mit einer erhellten Miene und bereitete den Drachenreiter mehr Hoffnung mit ihrem Einfall: ,,Doch, natürlich! Es gibt noch die Beschützer des Flügels." ,,Super, Heidrun! Daran hätte ich gar nicht gedacht.", lobte Fischbein seine beste Freundin. So kamen die Drachenreiter zu dem Entschluss, gleich zu den Beschützern des Flügels zu reisen.
Bald stiegen alle Berkianer auf ihre Drachen und blickten zu ihren zwei Freunden, das Stammesoberhaupt tat noch schnell die zusammengerollte Karte in Ohnezahns Tasche. ,,Es tut-", wollte Hicks beginnen, doch Heidrun unterbrach ihn: ,,Euch muss doch nicht leid tun, dass ihr nicht länger bleiben könnt. Hauptsache Astrid wird es wieder gut gehen. Verspricht mir, dass ihr alles tun werdet, um sie wieder auf die Beine zu bekommen." Man konnte die Sorge in ihrer Stimmt hören. Während des Aussprechens ihrer Sätze verabschiedete sie sich von allen mit einem Lächeln, bei Fischbein nahm sie kurz seine Hand und ließ sie gleich wieder los. Hicks sah ihr nach und versprach: ,,Keine Sorge, wir geben mehr als nur alles." Heidrun lächelt ihm kurz zu, bevor Dagur seine Stimme erhob: ,,Viel Glück, Astrid wieder gesund zu machen." Schließlich sagte jeder seinem Abschiedsgruß und die Drachenreiter hoben ab.
Niemand konnte ahnen, dass eine riesige Windhose auf die Berkianer wartete.

Hiccstrid ~ Schwere Zeiten ✅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt