Schläge. Schmerzen. Ich stehe in einem schwarzen Raum ohne Fenster und Türen. Immer wenn ich einen Schritt gehe, versetzt mir eine unsichtbare Gestalt einen Schlag oder einen Schubs. Ich verliere die Besinnung, kann nichts sehen, auf meinen Ohren ist ein Piepen. Ich falle zu Boden, werde getreten. Es ist zu viel, ich kann nicht mehr...
Schweißgebadet fahre ich aus dem Schlaf. Der Schlafraum ist dunkel und alles ist ruhig. Schweratmend fahre ich mir durch die Haare. Es war nur ein Traum, ein böser Traum, nichts weiter. Trotzdem erdrückt mich der Schlafraum und all die Menschen darin und ich schlage die Decke zur Seite, um frische Luft zu schnappen.
Der Platz unter dem Netz ist für mich sowas wie ein Ort zum Nachdenken geworden. Wenn ich meine Ruhe brauche, gehe ich dorthin. So wie jetzt auch. Ich lehne an der Wand und sehe hinauf, durch das Loch in der Decke strahlen die Sterne und Mondlicht fällt in den Gang hinein.
Jemand nähert sich langsam. "Was machst du hier?", frage ich. "Ich hab bemerkt, dass du aus dem Schlafraum gegangen bist. Ich wollte nach dir sehen." Es räuspert sich verlegen. "Darf ich mich setzen?" Ich nicke. "Was war los?", fragt Peter mich. Ich bin schon ein wenig gerührt, dass er sich Sorgen macht. "Ich hatte einen Alptraum, nichts weiter."
"Willst du drüber reden?"
"Nein", bestimme ich entschlossen.
Wir schweigen eine Weile, keiner weiß so recht, was er sagen soll. "Was ist das hier?", frage ich schließlich. Er tut gar nicht erst so, als wüsste er nicht was ich meine, er weiß es genau. "Ich weiß es nicht."
Das ist überhaupt nicht die Antwort, die ich mir erhofft hätte. Es tut schon etwas weh. Ich seufze, da ich weiter nichts mehr zu sagen weiß. Falls er meine Enttäuschung mitbekommt, lässt er sich nichts anmerken. "Ich will nicht getrennt zum Essen gehen", gestehe ich schließlich. "Ich will mich nicht verstecken. Ich will wissen woran ich bin." Und das ist ehrlich gemeint. "Ich kann nicht manchmal hier sitzen und tun als wär alles okay und am nächsten Tag giftest du mich aus der Ferne an, verstehst du das?" Das Schweigen bringt mich um. "Was willst du denn von mir?"
Er seufzt. "Ja, ich mag dich, okay? Aber ich-argh." Er fährt sich durch die glänzenden, schwarzen Haare. Dann schüttelt er den Kopf. "Immer wenn mir etwas wichtig ist oder mal was gutes passiert, nimmt es mir jemand weg. Und alles zu vertreiben ist nicht so schlimm, wie am Ende verletzt zu werden."
Und ich weiß was er meint. Ich frage mich, was ihm passiert ist, dass er so denken muss. "Ich würde dich nicht verletzen, Peter." Nun sieht er mir direkt in die Augen. "Das hätte ich auch nicht ewartet."
Ich zögere, erlaube mir jedoch die Frage: "Hat deine Ex-Freundin dich verletzt?" Er schmunzelt. "Es gibt keine Ex-Freundin. Das ist aber auch gar nicht der Punkt."
Keine Ex-Freundin klingt wenigstens nicht schlecht. "Peter? Denkst du, Menschen, denen etwas schlimmes widerfahren ist, können jemals wieder normal werden? So wie andere Menschen?" Er überlegt einen Moment. "Narben bleiben auch", sagt er und ich verschränke instinktiv meine Arme vor der Brust. "Was einmal kaputt gegangen ist, ist nie mehr genau so wie vorher, auch nicht, nachdem es repariert ist. Also nein, ich glaube nicht." Seine Antwort macht mich gleichzeitig stutzig und erstaunt. Aber ich kann nachvollziehen, was er meint. "Ich gehe mal wieder zurück", sage ich und stehe auf. "Ich hab genug frische Luft geschnappt." Das alles hier kommt mir so suspekt vor. Ich muss mich von ihm distanzieren, es hat sowieso keinen Sinn. Er will ganz offensichtlich in eine andere Richtung als ich es will, also ist es doch hirnrissig, mir immer wieder den Kopf zu zerbrechen.
Ich kann nicht repariert werden.Am nächsten Tag habe ich eine weitere Simulation hinter mir. In dieser stand ich auf einer hohen Klippe, die nach und nach in sich zusammen gefallen ist und nichts konnte mich vom fallen halten. Dieses mal waren es 15 Minuten und ein paar Sekunden. Beim Mittagessen unterhalten wir uns darüber, wobei es bei den meisten Stress auslöst, darüber zu reden. Christina erzählt gerade etwas, als sie abrupt abbricht und sagt: "Was willst du denn?" Verwundert drehe ich mich um, da Christina einen Punkt über mir wütend anfunkelt. "Peter", hauche ich. "Hau ab, geh zu deinen eigenen Freunden", meckert Christina weiter. Auch sie ist sich sicher, dass Peter für Edwards Rausschmiss und Verletzung verantwortlich ist, seit dem hasst sie ihn noch mehr.
"Liz? Willst du mit mir ausgehen?" Mein Gesicht wird heiß und mein Körper kribbelt. Meint er das etwa ernst? Christina lacht auf: "Wieso sollte sie mit-"
"Pst!", mache ich und sie bleibt still. Ich kann mein dümmliches Lächeln nicht unterdrücken. Er fragt vor allen anderen, das macht mich unfassbar glücklich. Ich lache leise. "Ja, ich würde gern mit dir ausgehen." Nervös streiche ich mir die Haare aus den Gesicht. Er lächelt mich noch kurz verlegen an, nickt und geht dann zurück zu Drew und Molly. Letztere beginnt sofort wütend auf ihn einzureden, sber ich kann sie nicht hören. Ich blende auch die verwirrten Blicke meiner Freunde aus. Mit glühenden Wangen und einem dämlichen Lächeln esse ich den Rest meines Essens auf.Am Nachmittag sitze ich auf dem Bett meines Bruders. Ich wollte mal sehen, wie er hier lebt. Es ist fast wie früher, als wir kleiner waren. Als wir gespielt und gelacht haben, bis wir müde wurden. "Das gehört also alles dir?", frage ich, immer noch das große Apartment bewundert. Als er nickt, wundere ich mich: " Auf welchem Platz warst du bei deiner Initiation, um sowas hier zu bekommen?"
"Ich war erster", sagt er ohne jegliche Regung. "Wirklich?!", platze ich hervor und er muss deswegen lachen. "Erster! Das ist der Wahnsinn. So hoch werde ich ganz sicher nicht kommen." Er setzt sich neben mich und die Matratze sinkt dabei ein Stück. "Warte erst mal ab. Bisher schlägst du dich in Phase 2 als eine der Besten." Ich grinse. "Wirklich?" Tobias nickt und klopft mir auf die Schulter. Seufzend stelle ich fest: "Es ist so lange her, dass wir so miteinander geredet haben." Meine Stimme hat einen traurigen Unterton. Tobias beißt sich auf die Lippe. "Ab jetzt bin ich für dich da, okay?" Ich bringe ein schwaches Lächeln zu stande. "Das weiß ich doch." Er nimmt mich in seine Arme und zögert. "Liz? Ich muss dich etwas fragen."
"Was denn?"
Es scheint, als müsste er tief durchatmen, bevor er die Worte über seine Lippen bringen kann. "Was war dein Testergebnis?" Ein Schock fährt durch meinen Körper. Mein Testergebnis. "Wir dürfen das doch niemandem erzählen", stottere ich. Aber er sieht nicht aus, als würde er das als Antwort akzeptieren. "Es war Ferox. Deswegen bin ich hier, nicht wahr?", lüge ich und lache dabei, obwohl es verzweifelt klingt. "Ich weiß, dass du lügst. Was war dein Testergebnis?"
Er ist mein Bruder. Ich kann es ihm sagen. "Es... es war Unbestimmt." Er nickt als hätte er das erwartet. "Das bleibt unser Geheimnis", sagt er und mir fällt ein Stein vom Herzen.
"Was ist daran überhaupt so schlimm? Das bedeutet doch nur, dass ich mehr Auswahlmöglichkeiten hatte." Aber er schüttelt den Kopf und sieht mich besorgt an. "Unbestimmt bedeutet viel mehr. Du denkst anders als die anderen. Du reagierst anders auf Seren und Simulationen, das macht dich nicht so leicht manipulierbar und das macht dich gefährlich. Deshalb bist du in den Trainingssimulationen so schnell gewesen, verstehst du?"
Ich kann die Angst, die in mir aufsteigt, nicht unterdrücken. Ich hätte nie gedacht, dass ein einfaches Testergebnis so eine Auswirkung hat. Ich bin anders, als die anderen. Und wenn es jemand heraus findet, habe ich mit Sicherheit ein Problem.
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Insufficient (Die Bestimmung - Divergent / Peter FF)
FanfictionJeder kennt den Namen Tobias Eaton alias Four, der bei den Ferox Zuflucht vor seiner grausamen Vergangenheit gefunden hat. Doch keiner weiß, dass er mit seiner Vergangenheit auch seine kleine Schwester, Elizabeth, zurück gelassen hat, die nun kurz...