Vorbereitungen

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Manu und ich waren gerade nach gefühlten zwanzig Minuten wieder zuhause angekommen und ich wollte mich erschöpft auf die Couch schmeißen, als jemand an der Tür Sturm klingelte. Da mein Mann für kleine Männer war, musste ich wohl dem Störenfried die Türe öffnen, was sich als große Überraschung entpuppte. Am Gartentor wartete Gwendolyn total aufgeregt, hüpfte auf und ab, wedelte wild mit ihren Händen und sobald ich den Summer fürs Tor betätigte, stürmte sie so schnell es in Schwangerschaftstempo eben ging auf mich zu. "Leeeeeoooo!!!" Lachend fielen wir uns in die Arme, was auch nur so halb funktionierte mit unseren beiden Babybäuchen. "Oh Mann, was ist denn mit dir los?", fragte ich meine beste Freundin, die immer noch aus der Puste war. Sie seufzte. "Ach, ich bin einfach glücklich." Ich nickte: "Ja, das ist nicht zu übersehen. Warum kommst du nicht mit rein?" Sie setzte sich auf einen der Barhocker, während ich für uns beide schnell einen Schoko-Milchshake mixte. "So und jetzt erzähl. Wie wars in Kiel bei Rune? Wie sind die anderen Jungs so?" Bevor sie überhaupt auf meine Fragen antwortete, streckte sie mir provokant ihre linke Hand entgegen. Und ich Glucke musste zwei mal hinschauen, um den großen Diamanten an ihrem Ringfinger als Verlobungsring zu identifizieren, doch dann blieb mir die Spucke weg. "Nicht dein Ernst... Wirklich? Oh mein Gott, das ist so schön!" Blöde Hormone, wieso musste ich denn jetzt fast heulen? Wir kreischten vor lauter Freude eine Runde los, was Manu besorgt aus dem oberen Stockwerk herunter stürmen ließ. "Leo, alles in Ordnung?" Wir lachten immer noch, als Manu Gwen dann auch bemerkte. "Hey Gwen." "Hallo Manu." "Schatz, rate mal, was Rune getan hat?" Er schnaufte. "Mann, du weißt, ich bin schlecht in sowas. Keine Ahnung, im Lotto gewonnen?" Wieder überkam uns ein Lachkrampf, was mein Verlobter mit einer gerunzelten Stirn beobachtete. Schließlich streckte Gwenny auch ihm ihre Hand entgegen und er war ein schnellerer Checker als ich. "Hey, ihr seid verlobt? Glückwunsch!!" Nachdem auch er sie umarmt hatte, wandte sie sich wieder mir zu. "Das ist auch eigentlich der Grund, warum ich hier bin. Ich wollte dich persönlich fragen, ob du - zusammen mit Violet - meine Trauzeugin sein möchtest?" Ok, jetzt war es wirklich vorbei. Schniefend nickte ich. "Nichts lieber als das." "Und dann wär da noch was..." Was sollte denn jetzt noch kommen? "Wir wollen so schnell wie möglich heiraten. Ohne groß Pipapo, nur mit unseren engsten Freunden, kein megamäßiger Empfang... Deshalb haben wir uns für die Bundesliga-Pause in zwei Wochen als Termin entschieden." Ich war etwas überrumpelt, nickte aber dann entschlossen. "Klar, was immer ihr wollt. Das ist schließlich euer Tag! Warte hier." Ich musste einmal durchs komplette Haus streunen, um alle Dinge zusammen zu suchen, die ich zum Hochzeitsplanen brauchen würde.
Wir saßen schon seit ein paar Stunden über Onlinemagazine über Hochzeitskleider und -Dekoration, als uns beiden ziemlich der Bauch knurrte. Gwen bediente sich am Süßigkeitenschrank und ich schickte Manu in den Keller für ein paar Sardinen. Das wir am Ende die Fischchen und Schokolade miteinander aßen, war wohl irgendwie klar. Nach einer Weile merkte ich im Augenwinkel, dass Manu uns beobachtete. Ich tauchte bildlich sowie gedanklich gesprochen aus unserer weißen Welt auf und blickte mich um. Hä, war es draußen etwa schon dunkel? Manu schien wie immer meine Gedanken zu erraten: "Ja, es ist 21 Uhr. Ihr beide macht jetzt Schluss für heute." Tatsächlich sahen wir etwas belämmert drein und prompt musste ich gähnen. "Ja genau, ab ins Bett. Ihr seid beide schwanger, ihr solltet nicht mehr so viel arbeiten..." Jetzt sah ich ihn schräg an: "Letzten Monat bin ich durch die halbe Welt gereist. Da ist eine Hochzeit planen, das kleinere Übel... Und wenn du dich immer noch um mich sorgst, kannst du mir gern wieder Stefan geben. Der war angenehm..." Beleidigt machte sich Manu auf den Weg nach oben, um eines der Gästezimmer für Gwen herzurichten, während ich mit meiner Freundin weiter um die Wette kicherte.

Am nächsten Morgen kam Violet dazu, um weiter zu planen. "Wie gesagt, wir dachten, wir nehmen die Bundesligaspielpause in zwei Wochen, um zu heiraten." Bei diesem Wort mussten wir alle schon wieder wie blöd grinsen. Violet nahm Gwens Handy in ihre und schniefte: "Meine beste Freundin heiratet! Oh Mann!" Schnell kamen wir aber wieder aufs aktuelle Thema zurück. "Ich nehme an, Rune möchte Steffen als seinen Trauzeugen?" Gwen nickte anerkennend: "Wie gut du uns mittlerweile doch schon kennst..." "Ich geb zu, dass wusste ich nicht. Lena hats mir verraten." Dass meine Schwester auch mit von der Partie sein würde, machte das Ganze umso spaßiger. "Ach und Simon lässt ausrichten, dass er eine Empfehlung für einen guten Herrenausstatter braucht. Er hat keinen Anzug mehr, der passt." Ich hob erstaunt die Augenbrauen. Simon und Violet waren also doch zusammen? Das ging aber schnell! "Du und Simon. Hat das also doch geklappt?" Ich kicherte, während Violet mich wie blöd anstarrte. "Was meinst du denn jetzt damit?" "Naja, ich hab mich schon an unserer Weihnachtsfeier gefragt, wann es bei euch beiden funkt!" Ich hatte anscheinend den Nagel auf den Kopf getroffen, denn Violets Wangen könnten nicht mehr röter sein. "Ach, so lange hat es dann gar nicht mehr gedauert..." Ich nickte und merkte, dass wir schon wieder vom Thema abgekommen waren. "Also, weiter im Text: Gästeliste! Das Brautpaar, Simon und Violet, Steffen und Lena, Manu und ich. Noch jemand?" Gwen schüttelte bestimmt den Kopf. "Nein, das waren alle." Hä, wie bitte? "Gwen, was ist mit deiner Familie?" Wieder verneinte sie vehement. "Nein, da gibt es niemanden mehr!" Sie vermied es gekonnt, mir in die Augen zu sehen und ich konnte an Violets Gesichtsausdruck ablesen, dass dies anscheinend ein sehr heikles Thema war. Aber wieso wollte sie sich dabei nicht helfen lassen? "Na gut, dann stellt sich uns die Frage nach der Location", versuchte ich abzulenken und schon war Gwen auch wieder mit der richtigen Stimmung anwesend. "Ou, da hatte ich an Wien gedacht!" Violet saß verwirrt neben ihr und ich kapierte auch nur noch Bahnhof. Wien war eine wunderschöne Stadt, ja, aber wie kam sie denn jetzt darauf? Gwen sah zwischen uns hin und her, bemerkte, dass wir beide bisschen weit hinterher waren und begann dann stockend zu erzählen: "Meine Mutter ist bei meiner Geburt gestorben. Und als ich sechs Jahre alt war, hat mein Vater beschlossen, keinen Bock mehr auf seine Kinder zu haben und ist spurlos verschwunden. Er hat mich und meinen großen Bruder einfach alleine gelassen, aber wir hatten zum Glück noch unsere Großmutter. Doch die ist dann sieben Jahre später gestorben und im Jahr drauf ist auch mein Bruder verschwunden. Ohne ein Wort ist er einfach gegangen..." Ich schluckte und versuchte meine Tränen zurückzuhalten. Oha, Gwen hatte auch keine leichte Kindheit! Sie hatte es sehr gefasst erzählt, nun schlich sich ein wehmütiger Ausdruck auf ihre Miene. "Meine Oma hat in Wien gewohnt. Die meisten Erinnerungen aus meiner Kindheit verbinde ich mit dieser Stadt. Dort bin ich aufgewachsen, dort habe ich gelebt... An diesem Ort existiert noch meine Familie!" Dass sie auf der einen Seite nichts mehr von ihrer Familie wissen will, auf der anderen Seite aber in der Stadt heiraten möchte, wo sie mit ihrem vermissten Bruder aufgewachsen war, schoben wir jetzt einfach mal auf das durch die Schwangerschaftshormone verwirrte Gehirn. Violet legte ihre Hand auf Gwens und ich strich ihr über den Arm. Gwen sollte wissen, dass ihre Freundinnen immer für sie da waren! "Alles klar, dann Wien!" Um uns von den rührseligen Themen abzulenken, hakte ich diesen Punkt auf der Liste ab und wedelte dann mit dem nächsten Katalog in der Luft herum: "Next up: Das Kleid!"

Unser eigener Stern des SüdensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt