TEN

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Nach den letzten Worten musste ich erstmal schlucken.

"Es tut mir Leid Lizz." fügt er nach ein paar Augenblicken hinzu.

Wieder keine Reaktion von mir. Vorsichtig streicht er über meinen Oberschenkel auf und ab.

Plötzlich merke ich wie mir eine kleine Träne die Wange hinunter läuft, die ich sofort mit meinem Handrücken wegwische, nur in der Hoffnung, dass er nichts von meiner Schwäche mitbekommt.

"Ich wollte nur das du das weißt ok?"

OK? Mein Vater hat mir gerade gesteckt, dass er sich von meiner Mutter trennen will und mich mit dieser Frau allein lassen will. Einfach so. Was ist daran denn bitte OK?

Nachdem weitere Augenblicke verstrichen sind, richtet er sich langsam auf und verlässt mit gesenktem Kopf und ohne weitere Worte den Raum.

Jetzt sitze ich wieder da. Die pure Stille um mich herum. Nichts das mich hält.

Mein Leben geht in den letzten Wochen gewaltig den Bach runter. Und ich muss tatenlos dabei zusehen. Was hab ich bitte verbrochen, damit mir so was wiederfahren muss? Ich war glücklich. Einfach nur glücklich. Warum konnte mein Leben nicht einfach für immer so weiter gehen? Wieso konnte nicht einfach alles so bleiben wie es war? Nein, das Schicksal wollte mal Abwechslung haben. Wäre ja auch zu langweilig gewesen, ein glückliches, lebensfrohes Mädchen zu sein, das nichts anderes will, als ihr Leben genießen.

-Wochen später-

Je mehr Tage verstrichen, desto mehr Narben wurden es an meinem mittlerweile fast überall zerstörten, abgemagerten Körper. Ich konnte nicht gerade von mir behaupten, dass es mir gut ging. Harry habe ich nur wenige Male zu Gesicht bekommen und mit meinen Eltern war auch kein Anzeichen von irgendeiner Besserung in Sachen "Umgang mit ihrer Tochter" zu sehen. Noch konnte ich meine Wunden an den verschiedensten Körperteilen verstecken. Aber es ist Juni. Sommer. Sonne. Schwimmbad-Wetter. Ich sehnte mich nach einem Ausflug in ein Freibad mit Harry oder meinen Mädels. Aber wie sollte ich das verwirklichen? Ich kann es schon ihnen nicht einfach zeigen, dass ich eine kranke Psycho-Tante bin, wie sollten Fremde im Schwimmbad dann noch gucken? Diese ganzen Blicke wären das pure Gift für mein mittlerweile fast komplett verschwundenes Selbstbewusstsein. Ich erkenne mich ja im Spiegel selbst nicht wieder. Ja, ich hatte nicht die perfekte Figur, hier und da war schon das ein oder andere Kilo zu viel. Aber von Übergewicht konnte man auch nicht gerade sprechen. Es störte auch niemanden. Weder Harry und meinem Freundeskreis, noch mich selbst. Ich hatte nie vor mich auch ein nur mit Haut bedecktes Skelett herunter zu hungern. Ich war zufrieden mit meiner Figur. Und DAS was ich jetzt noch im Spiegel zu sehen kriege, macht mir ehrlich gesagt nur noch Angst. Wie weit musste es kommen, dass so etwas aus mir wird. Ich bin nicht mehr die Lizz Williams, die ich vor ein paar Monaten noch war. Es gibt keine Vergleiche mehr zu diesem Mädchen. Nicht nur, dass ihr Charakter viel selbstbewusster, glücklicher war und ihr Körper ein komplett anderes Aussehen hatte. Nein. Selbst das Leuchten in ihren Augen, wenn sie die Person, die sie liebt zu Gesicht bekommt, ist verschwunden. Das merkte ich bei den letzten Treffen mit ihm, er sah enttäuscht aus. Enttäuscht von mir. Enttäuscht, wie schnell sich das Mädchen, das er liebt veränderte. Er merkte, dass etwas nicht stimmte. Das mit mir etwas nicht stimmte. Ich vermisse mein altes Ich. Ich wollte wieder so sein, wie ich immer war. Die lebenslustige Lizz mit leuchtenden, strahlenden Augen, wenn sie glücklich war. Doch Leben verändern sich im Laufe der Zeit. Und man kann nichts dagegen tun. Es war etwas, das mächtiger war, als man selbst. Man konnte es sich nicht aussuchen, was es mit einem Leben anstellte.

25.06

Harry, ich wollte dir nur sagen, dass ich dich liebe. Egal ob in den buntesten, schönsten Zeiten oder in den grausten, schlechtesten Zeiten. Du wirst mein Herz immer für dich haben, egal wo ich bin und wie es mir geht. Ich wollte nur, dass du das weißt.

-Lizz

--

Es ist Nachmittag. In wenigen Minuten sollte Harry mit seinem Auto vor unserer Tür stehen um mich abzuholen. Ich weiß nicht was er vor hat, aber er meinte am Telefon gestern Abend - nachdem mein Daddy mir mein Handy nach über einem Monat zurückgegeben hat - es wird ein schöner Nachmittag werden.

Ich hab mich aus meinem Kleiderschrank für einen normalen hellbraunen Pullover und einer blauen Röhrenjeans mit ein paar Löchern entschieden, so fällt die unfreiwillige Gewichtsabnahme vielleicht nicht so auf. Auch wenn ich finde, dass mir das Zeug früher besser stand. Eine lange Kette werfe ich mir noch um den Hals. Geschminkt habe ich mich wie immer, ein bisschen Mascara, ein bisschen Puder, ein bisschen Blush für damit ich vielleicht etwas gesünder wirke. [A/N: Outfit als Bild an der Seite] Zu meinem Glück, war die Sonne heute nicht all zu warm, so dass ich die Ausrede benutzen konnte, es sei mir zu kalt um meinen Pulli auszuziehen. Danke Wetter. 

"Hey Baby." Ganz in meinen Gedanken versunken, realisierte ich gar nicht, dass Harry schon vor mir steht.

"Hi", grinse ich, bevor er mir einen Kuss auf die Lippen drückt.

Er nimmt mit einem Lächeln auf den Lippen meine Hand und führt mich zu seinem Auto, das nur wenige Meter weiter an der Straßenseite steht.

"Also wo gehts hin?", frage ich aufgeschlossen, um von meiner in den letzten Wochen so schlechten Stimmung abzulenken.

"Wart's ab" Mit einem frechen Grinsen sieht er mir kurz in die Augen, wendet sich dann aber vorbildlich wieder dem Geschehen auf der Straße zu.

"Nicht immer diese Überraschungen Harry. Du weißt doch wozu, das das letzte Mal geführt hat" Wenn der nur wüsste...

"Also gut, damit du zufrieden bist, wir fahren erstmal zu mir. Und keine Sorge, deine Eltern kriegen dich heute schon wieder zurück."

Der Rest der Fahrt verläuft größten Teils still.

Bei Harrys Zuhause angekommen, mache ich es mir wie gewohnt immer auf seinem Sofa gemütlich und schalte den Fernseher an, während er die Kaffeemaschine anschmeißt, damit wir was leckeres zu Trinken haben. So wie es früher auch war.

"Also Lizz.", leitet er eine anscheinend längere Geschichte ein, während er sich zu mir setzt und mir eine der beiden Tassen in seinen Händen, in meine drückt. "Du weißt ich liebe dich über alles auf der Welt. Aber in den letzten Wochen mache ich mir wirklich Sorgen um dich. Tag und Nacht bin ich nur noch am überlegen wie ich dir helfen kann, du bist ja mein Ein-und-Alles. Ich wollte die letzten Male nichts sagen, ich hatte Angst, dass du nicht darüber reden willst oder so. Aber langsam kann ich nicht mehr weiter dabei zusehen wie du immer weiter zu Grunde gehst. Ich hab Angst um dich."

"Ach Harry. So ein Quatsch." versuche ich nur von allem abzulenken. Also war das mit dem schönen Nachmittag eine eiskalte Lüge...

"Das ist kein Quatsch!", wird er lauter und auch etwas wütend. "Wie fändest du es denn, wenn die wichtigste Person in deinem Leben plötzlich anfängt, nur noch ohne irgendein Lächeln, geschweige denn einem Lachen mit dir einen Tag zu verbringen, nur noch dabei ist unnötig an Gewicht zu verlieren und wenn es das Schicksal so will, du ganz plötzlich, nebenbei auch noch merkst, dass sie sich andauernd selbst verletzt?"

The Diary Of Us || harry stylesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt