5

1.2K 56 3
                                    

Wir gingen noch am selben Tag zu den Stillen Brüdern. Mein Kopf war voll und platzte fast, so sehr dachte ich über die Geschehnisse der letzten Stunden nach, und es hörte nicht auf, nicht mal, als wir die Stadt der Gebeine betraten. Ich hörte Alec mit einem der Brüder reden, und spürte daraufhin, wie ich festgehalten wurde. Ich kam wieder zu mir und registrierte, was um mich herum geschah.

"Wir müssen sie festnehmen und sie dem Rat ausliefern. Sie ist eine Schwerverbrecherin und muss ihre Taten büßen!" sprach der Bruder auf Alec ein.

"Bruder Jesaiah, ich verstehe ja das Anliegen und du weißt, dass ich schon immer nach dem Gesetz gehandelt habe. Aber dieses Mädchen weiß, wo mein Parabatei und Valentine ist. Sie ist hier um vor dem Schwert der Seelen die Wahrheit zu sagen. Sobald wir Jace gefunden und Valentine besiegt haben, bringe ich sie hier her zurück und sie wird ihre gerechte Strafe bekommen. Das verspreche ich."

Der Stille Bruder überlegte, bevor er mir Handketten anlegte und mich in einen Kreis führte.

"Tessa Morgenstern, du stehst nun vor dem Schwert der Seelen. Sobald du es berührst, wirst du die Wahrheit sagen, und zwar nur die Wahrheit."

Ich nickte und schaute einem zweiten Bruder zu, wie er das Schwert nahm und es mir in die Hand legte. Und nur für einen Bruchteil einer Sekunde stellte ich mir den Schmerz vor, den ich wohl fühlen würde, wenn mich dieses Schwert durchdringen würde.

"Du weißt also, wo Valentine sich befindet?" stellte Alec die erste Frage.

"Ja."

"Und Jace ist bei ihm?"

"Ja."

"Sag mir, wo er ist."

Ich spürte einen aufkommenden Schmerz, als ich kurz überlegte, um so gut wie möglich zu beschreiben, wo das Schiff Valentines lag.

"Vor der Küste New Yorks..." Ich musste Luft holen als ich einen Schmerz in meinen Händen verspürte. "Dot hat das Schiff mit einem Schutzzauber versehen."

"Haben wir es deswegen nicht auf dem Radar sehen können?"

"Ja."

"Kannst du hier und jetzt schwören, dass du nicht mehr für Valentine kämpfen wirst?"

Ich zögerte erneut, er war schließlich der Mann, der mich aufgezogen hatte. Mein Vater. Zumindest dachte ich jahrelang, dass er das wäre. Meine Hände fingen immer mehr an zu schmerzen und als ich den Mund öffnete, überließ ich es vollkommen dem Seelenschwert, die Wahrheit zu sagen.

"Ja."

"Schwörst du dem Rat uneingeschränkte Treue?"

"Ich weiß es nicht."

"Ja oder nein."

"Ich bin gerade mal vor drei Stunden nicht mehr Valentines Anhänger und weiß nicht, ob ich die Ideale des Rates so adaptieren kann, wie ihr es gern möchtet."

"Also vertrittst du weiterhin Valentines Ideale?"

"Nein. Das habe ich so auch nicht gesagt."

Alec schaute mich durchdringend an.

"Wirst du deine Strafe antreten, wenn wir Valentine besiegt und Jace gerettet haben?"

"Das Gesetz ist hart, aber es ist das Gesetz."

"Antworte mit ja oder nein."

"Ja."

Mir wurde das Seelenschwert von den Händen genommen und die Handketten abgelegt. Müde sackte ich auf den Knien zusammen und rieb mir die schmerzenden Hände.

"Tessa, komm mit." meinte Alec harsch zu mir und zog mich am Arm aus der Stadt der Gebeine. Müde stolperte ich hinter ihm her, unkontrolliert kamen meine Beine immer wieder auf dem Boden auf, bis wir anhielten.

"Du musst mir genau sagen, wo dieses Schiff ist."

"Vor der Küste New Yorks, nicht weit von der Freiheitsstatue entfernt." Ich musterte ihn und sah die Sorge um seinen Parabatei in seinen Augen. "Wir finden ihn."

"Du ruhst dich im Institut erst mal aus. Wenn jemand fragt, waren wir auf einer Übungsmission."

Er ließ mich vor dem Institut einfach stehen und lief gerade zur Tür, als ich von hinten gepackt wurde.

"Alec!" schrie ich noch, bevor ich durch das Portal gezogen wurde und in einer bekannten Umgebung raus kam: Das Schiff Valentines.

"Tessa, Tessa, Tessa." hörte ich seine Stimme von rechts. "Habe ich dir je einen Grund zu zweifeln gegeben, dass du mich so hintergehst?"

Ich drehte mich in seine Richtung, wo er mit dem blonden Shadowhunter stand, Jace. Er hatte Blut im Gesicht und sah fertig aus. Ich vermutete, dass Valentine ihn gefoltert hatte und ihn dann mit der Heilrune geheilt.

"Nein, hast du nicht. Aber als mir gesagt wurde, dass ich gar nicht deine Tochter sei, wurde mir so einiges klar. Wie Jace hast du auch mich nur benutzt!"

Ich hörte ihn lachen und starrte auf Jace' entsetztes Gesicht, als ich aussprach, was ich im Institut herausgefunden hatte.

"Aber sieh dich an: du bist der perfekte Soldat. Keine Gefühle, keine Liebe, nur der blutrünstige Soldat in dir. Doch jetzt sieh dich an, was passiert, wenn du Gefühle zu lässt! Du hast dich in ein kleines Wrack verwandelt, in nicht einmal 24 Stunden."

"Ist doch auch logisch, wenn man Gefühle zulässt, nach all den Jahren. Gefühle die man früher ignoriert und weggesteckt hat, Gefühle wie Trauer, Schmerz, Wut, all das hast du mir verboten zu fühlen. Du hast mein Leben zerstört, du dreckiger kleiner..."

Ich spürte, wie er zuschlug. Die erste Faust traf mein Gesicht, die zweite meine Magengrube. Ich sackte auf die Knie, zumindest würde ich das, denn einer der Soldaten hielt mich immer noch fest. Meine Sicht verschwommen, versuchte ich mich zu orientieren, doch ich spürte nur, wie meine Heilrune aktiviert und ich in eine der Zellen gebracht wurde. Ich kauerte mich hinten in die Ecke an die Wand und ließ meinen Tränen freien Lauf, als ich meine Knie an mich zog und meine Arme um sie schlang.

"Lass es raus, danach gehts dir besser." hörte ich Jace' Stimme von der anderen Seite der Zelle und schaute nach oben. Ich sah seine vagen Umrisse im Dunkeln und durch die Tränen verschleiert.

"Alec weiß, wo du bist. Ich hab ihm alles gesagt. Er wird dich retten."

"Und dich."

"Ob ich hier sterbe oder in der Stadt der Gebeine ist doch völlig egal..." murmelte ich und blickte nach unten. "Ich wollte mich noch entschuldigen, dass ich dich so fertig gemacht habe."

"Entschuldigung angenommen."

Wir schwiegen. Keiner wusste, was er sagen sollte und so nickte ich immer öfter ein.

Als mir die ersten Sonnenstrahlen ins Gesicht schienen und eine Lautstärke um mich herum herrschte, wusste ich, dass irgendetwas nicht stimmte. Ich zog mich an den Gitterstäben der Zelle nach oben, mein Kopf drehte sich, als ich durch das Gitter einen Schlag auf das Gesicht bekam und nach hinten taumelte. Kurz darauf verlor ich das Gleichgewicht und flog rückwärts um und schlug mit dem Hinterkopf auf die Wand auf. Meine Sicht wurde schwarz und alles was ich hörte war ein unerträglich lautes Piepsen in meinen Ohren.

Broken Wings [Jace Wayland ff] (ON HOLD/ABGEBROCHEN)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt