Kapitel 14

38 3 0
                                    

Faenelia schreckte von ihrem provisorischem Bett hoch, als sie leise Schritte durch den Saal schleichen hörte. Müde rieb sie sich den Schlaf aus den Augen und blickte angestrengt umher. Doch als sie den Übeltäter entdeckte, war es entgegen ihrer Erwartung weder Sanealla, noch die Wache, die ihr gestern das Essen gebracht hatte. Junarus, wenn sie sich recht an seinen Namen erinnerte.

Langsam richtete sich die Waldelfe auf und beobachtete das kleine Mädchen, das in ihr Blickfeld getreten war. „Bist du wirklich die Hüterin?" Schüchtern, aber dennoch neugierig trat das Mädchen näher. Ihre weißen Haare, welche zu zwei seitlichen dünnen Zöpfen gebunden waren und ihr auf die Schulter fielen, ließen Faenelia unwillkührlich an Iteria denken. Still fragte sie sich, wie es dem Mädchen wohl ging.

Den Gedanken zur Seite schiebend erwidert Faenelia sanft den fragenden Blick der kleinen Hochelfe. „Hm, ich weiß nicht genau, aber scheinbar glauben das hier einige." Noch war sich Faenelia unsicher, was ihr nun bevor stand. Vage erinnerte sie sich an die wildesten Geschichten, die ihre Großmutter über vergangene Hüterinnen erzählt hatte. Ein flaues Gefühl breitete sich im Magen der Waldelfe aus, das sie möglichst zu ignorieren versuchte. Mit einem unsicheren Lächeln wandte sie sich wieder dem Mädchen zu, auf dessen Gesicht nun ein breites Grinsen zu sehen war.

„Ich glaube das auch! Jeder war von deinem Verschwinden höchst besorgt, aber nun bist du zurück und du wirst alles wieder in Ordnung bringen, stimmts?"

„Ja, da bin ich mir sicher.", erwiderte Faenelia, auch wenn sie sich über diese Tatsache nicht ganz so sicher war, würde sie dem kleinen Mädchen sicher keine weiteren Sorgen bereiten wollen.

Schüchtern hielt sich das Mädchen die Hand vor dem Mund und kicherte leise.
„D-Darf ich dann ein Portrait von dir malen?"

„Ein Portrait?" Verwirrt blickte sie in die hellblauen Augen des Mädchens.

"Genau. Ebenso wie Sanealla verfüge ich über eine besondere Gabe.", präsentierte sie voller Stolz. "Diese kommt besonders durch meine Malereien zum Vorschein. Meine Bilder spiegeln meist Ereignisse aus der Zukunft ab. Allerdings bin ich noch in der Ausbildung, also kann schon der ein oder andere Fehler auftreten." Mit dem letzten Satz wurde die Stimme des Mädchens immer leiser, während sich ihr Blick senkte und sie sich verlegen an der Wange kratzte.

Erstaunt über die besondere Gabe des Mädchens lauschte Faenelia jedes ihrer Worte. Sprachlos starrte sie die junge Hochelfe an, unsicher, ob sie wirklich etwas aus ihrer Zukunft erfahren wollte. Doch noch bevor sie etwas einwenden konnte, wurde die Tür geöffnet und Junarus trat ein. Sein Blick fiel sofort auf die kleine Hochelfe, die hier eigentlich nichts verloren hatte. „Lyfania! Was machst du denn hier?" Da seine rechte Hand mit dem Frühstück für die Hüterin beladen war, zog er mit der freien Hand das Mädchen ein paar Schritte zurück. "Verzeiht, werte Hüterin. Ich hoffe meine Schwester hat euch nicht zu sehr bedrängt." Die protestierenden Worte Lyfanias ignorierend, überreichte er der Hüterin das Mahl.

Empört durch die Worte ihres Bruders funkelte sie ihn wütend an und zerrte an dessen Uniform, bis er ihr die nötige Aufmerksamkeit schenkte und sich zu ihr umdrehte. Doch als sich Faenelia bei dem Anblick der Beiden ein leises Lachen nicht mehr verkneifen konnte, drehte sich Junarus wieder ihr zu.

"Sie hat mich nicht bedrängt. Im Gegenteil.", versicherte Faenelia noch schnell, als sie den fragenden Blick Junarus sah. Als sich dieser daraufhin wieder seiner Schwester zuwandte, stimmte diese mit wildem Kopfschütteln und einem breitem Grinsen zu. Mit einem lautstarken Seufzer gab sich Junarus wohl damit zufrieden, schob aber Lyfania ein paar Schritte auf die Tür zu.

"Solltest du jetzt nicht eigentlich im Unterricht sein? Sanealla lässt bestimmt schon nach dir suchen.", erklärte er, während er das Mädchen vor sich herschob. Jedoch verschränkte diese nur die Arme in einander und stemmte sich gegen ihren Bruder, um nicht weiter geschoben zu werden. Wütend plusterte sie ihre Wangen auf, was der Hüterin ein weiteres Lachen entlockte.

Das Vermächtnis Der HüterinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt