Prolog

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Jahr 3 nach Tod der Hüterin Lethani

Eine unerträgliche Hitze, die sie auf ihrem Gesicht verspürte und damit drohte es zu verbrennen, ließ sie hochschrecken. Mehrere Male rief sie verzweifelt nach ihrer Mutter, welche nirgends zu sehen war. Das kleine Mädchen hastete zum Fenster, durch welches grelles Licht fiel, es erweckte den Anschein eines hellen Nachmittags. Doch was sie dort erblickte, ließ sie erschaudern. Alles brannte lichterloh und wurde vom Feuer verschlungen. Schnell versuchte sie das Haus durch die Tür zuverlassen, allerdings schien der Türknopf, den sie nur auf Zehenspitzen erreichen konnte, zu klemmen. Sie zog und zerrte daran und flehte ihre Mutter an, ihr zu Hilfe zu kommen.

Als sich plötzlich die massive Holztür öffnete und ihre Mutter vor ihr stand, atmete sie erleichtert auf. Ihre Mutter hob sie auf den Arm und lief aus dem Haus, welches nun auch begann Feuer zu fangen. „Wir müssen schnell in den Wald fliehen, aber bitte halte die Ohren und Augen geschlossen, mein Kleines!"

Sie tat, wie ihre Mutter es ihr aufgetragen hatte, allerdings konnte sie dennoch die Hitze des Feuers auf ihrem Körper spüren und sie vermochte es nicht die gequälten Schreie ihrer Freunde und Nachbarn zu verbannen. Das Bild des allesverschlingendes Feuers hatte sich in ihr Gedächtnis gebrannt und quälte sie nun gnadenlos. „Wo ist Papa?", drängte das kleine Mädchen mit zittriger, verzweifelter Stimme.

„Er kommt später, er muss noch den Anderen helfen." Sie würde ihrer Mutter gerne glauben, aber die Unsicherheit in ihrer Stimme machte ihr Angst.

Als die Hitze des Feuers allmählich nachgelassen hatte, hörte sie ihre Mutter sagen „Wir sind jetzt im Wald. Du kannst die Augen wieder öffnen, mein Liebes."

Sie öffnete die Augen, konnte aber dennoch nichts erkennen, da die Tränen in ihren Augen alles verschwimmen ließen. Schweigend lief die Mutter mit ihrem Kind auf dem Arm weiter ohne zurückzublicken. Lange Zeit war es still und sie wagte es nicht in die Augen ihrer Mutter zu blicken, da sie fürchtete dort die Wahrheit über den Verbleib ihres Vaters zu erkennen. Plötzlich durchbrach ihre Mutter das Schweigen und ihre Stimme war nun etwas gefasster, als zuvor. „Faenelia, egal was geschieht, du musst fliehen und dich in Sicherheit bringen."

Obwohl sie noch klein war, wusste sie bereits, was das zu bedeuten hatte. „Ich lasse dich aber nicht allein, Mama!" Faenelia krallte sich an ihrer Mutter fest, damit diese sie nicht alleine ließ. „Ich will dich nicht verlieren. Ich habe Angst ohne dich."

Ihre Mutter schien etwas darauf erwidern zu wollen, doch plötzlich ragte neben Faenelia die Spitze eines Pfeils aus der Brust ihrer Mutter, welche zusammen mit ihrem Kind im Arm zu Boden stürzte. Faenelia wurde die Luft aus den Lungen gepresst und versuchte sich unter dem Körper ihrer Mutter hervorzuschieben, allerdings vergebens. Der Körper ihrer Mutter war einfach zu schwer für sie.

Mit aufgerissenen Augen starrte sie das Blut an, das sich um sie herum ausbreitete. „Mama! Du kannst jetzt keine Pause machen! Du musst aufwachen und weiterlaufen! Mama! Steh auf!" Faenelia schrie so laut sie nur konnte, doch ihre Mutter schien sie nicht zu hören. Tränen liefen ihr übers Gesicht und die Panik, die sich in ihr ausbreitete, schnürte ihr die Kehle zu. Noch immer waren die Schreie der Opfer aus dem Dorf zu hören, doch für Faenelia schien die Welt stehen geblieben zu sein und das Einzige was zählte, war das Blut ihrer Mutter, das nun ihre Kleidung durchtränkt hatte und an ihrem Körper klebte.

Die Zeit holte sie erst wieder ein, als sich ein eisiger Griff um ihren Nacken legte und sie unter dem Körper ihrer Mutter hervorzog.

„Da haben wir ja unsere kleine Göre. Sorgt dafür, dass es keine Überlebende gibt" Hörte Faenelia den Mann, der sie hochgehoben hatte zu Jemanden sagen. Als Faenelia kurz in sein Gesicht blicken konnte, sah sie ein schmales fast knochiges Gesicht mit einer Farbe, schwarz wie die Nacht und schneeweißem Haar. Doch schauderte es ihr, beim Anblick seiner blutroten Augen, die seinen Wahnsinn geradezu herausschrien. Er warf sie über seine Schulter und entfernte sich schnellen Schrittes vom reglosen Körper ihrer Mutter.

(Bild: Ehemalige Hüterin Lethani)

Das Vermächtnis Der HüterinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt