❥ Kapitel 2

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»Du siehst fabelhaft aus liebes!« Sam strich mit seinen langen Fingern über den blauen Stoff meines Kleides, welches mir seine Schwester geliehen hatte. Als kleine Angestellte verdiente man leider nicht die Welt, zumindest nicht genug um sich ein schickes und viel zu teures Kleid leisten zu können.

»Meinst du?« Zweifelnd betrachtete ich mich im Spiegel, schwang mich ein wenig von einer Seite zur anderen. Samy hatte mein blondes Haar, welches von einigen dunklen Strähnen durchzogen war, gelockt und nun fielen sie mir in leichten Locken über die Schultern - sie reichten mir bis knapp über die Brust. Außerdem hatte er zwei Strähnen von vorne genommen und sie am Hinterkopf befestigt, sodass mir nicht ständig irgendwelche Haare im Gesicht hingen. Dafür das sie sonst immer so platt aussahen, hatte Samy wirklich Wunder bewirkt.

Mein bester Freund nahm eine meiner Locken zwischen die Finger und betrachtete sie eingehend. »Da habe ich wirklich spitze Arbeit geleistet, meinst du nicht auch?« Nickend ließ ich mich auf mein Bett fallen. Es war zwar ein Doppelbett, jedoch nahm ich es jede Nacht komplett in Beschlag, da ich mich im Schlaf immer so breit machte.

Außerdem war mein Schlafzimmer auch nicht gerade das was man eine Luxussuite nennen würde. Eine einfache Kommode, in einem leichten Beigen Ton, stand an der linken Wand, dort lagerte ich sämtliche Kleider von mir. Außerdem das Bett und noch ein Standspiegel der in einer Ecke stand.

Mein Schreibtisch hatte ich in das Wohnzimmer verfrachtet, was dafür einfach mehr Platz bot, als das Schlafzimmer. Meine Wohnung war klein, gerade so bezahlbar mit den ganzen anderen laufenden Kosten. Da ich öfter gerade so über die Runden kam und am Ende des Monats froh sein konnte, wenn ich mein Konto nicht überzog, war auch kein Platz für teure Anschaffungen.

Deswegen lud mich Sam immer freudestrahlend zum Essen ein, einfach weil er mir eine Freude machen wollte. »Sicher das deine Schwester mich dort sehen will?«, unsicher kaute ich auf meiner Unterlippe herum.

»Sonst würde sie dir nicht ihr Kleid leihen, du Dummkopf!«, tadelte Sam mich und grinste mich breit an. »Und jetzt widmen wir uns deinem Make-up!« Freudestrahlend griff er nach seinem Schminkkoffer und öffnete ihn. Sofort kroch die Panik meinen Rücken hinauf. »Bitte nicht!«, flehend sah ich ihn an.

Bestürzt stürzte er die Lippen. »Zu einer Feier gehört es dazu sich ein wenig schick zu machen, also lass es uns dezent halten.« Er schwang seine Pinsel, begann mit seinen Werk. Zehn Minuten lang saß ich still da, ließ ihn einfach machen. Zwar fühlte ich mich unangenehm mit diesem Zeug im Gesicht, aber solange Sam mich nicht entstellte würde ich es schon überleben. Schließlich war es nur ein Abend.

Als er fertig war, reichte er mir einen Handspiegel in dem ich mich genaustens betrachtete. Meine Augen waren ein wenig schwarz umrahmt, was die tiefblaue Farbe nur noch mehr betonte. Er hatte Rouge aufgetragen, was man jedoch nur beim genauerem hinsehen erkennen konnte. Außerdem war ein dezenter, bräunlicher Lippenstift auf meinen Lippen zu sehen.

Meine schmale Nase kam perfekt zur Geltung und meine Lippen wirkten viel voller, als sie es eigentlich waren. »Danke Samy«, lächelnd gab ich ihm einen Kuss auf die Wange, was einen matten Abdruck darauf hinterließ.

»Und jetzt muss ich mich fertig machen! Schließlich will ich für die ganzen heißen Kerle auch gut aussehen!« Grinsend wirbelte er im Kreis und wand sich dann meinem Standspiegel zu, begann in seinem Schminkkoffer zu wühlen und sich selbst herzurichten.

Natürlich übertrieb er nicht so sehr wie manche Frauen es taten, Sam brachte einfach nur seine Vorteile zum Vorschein. Die vollen Lippen, die markanten Augenbrauen und die Stupsnase - die eigentlich nicht in sein Gesicht passen wollte. Seine bleiche Haut wirkte nach der Prozedur noch ein wenig gespenstischer als sonst.

Beim heraus gehen betrachtete ich mich noch einmal im Spiegel. Das blaue Kleid reichte bis zum Boden, weswegen man die Turnschuhe - die ich darunter an hatte - nicht sehen konnte. Hohe Absätze waren noch nie mein Ding gewesen. Wenigstens das blieb mir erspart. Das Kleid hatte einen breiten Träger an der rechten Seite und Perlen die das Dekolletee zierten.

Es stand mir, dass musste selbst ich mir eingestehen. »Hör auf dich anzustarren! Eingebildet sein steht dir nicht!«, rief Sam aus dem Flur. Schnaubend schüttelte ich den Kopf und durchquerte das Wohnzimmer, bis ich im Flur stand.

Dieser bestand aus einer mickrigen, dunklen Garderobe, einige Jacken hingen daran und genau drei Paar Schuhe waren zu sehen. Zwei von mir und eines von Sam, welche er sich in dem Moment über die Füße zog. »Ich lasse mein Schminkkoffer hier und hole ihn morgen ab«, sagte er und richtete sich auf.

Nickend griff ich nach einer schwarzen Jacke und warf sie mir über die Schulter. Es war kalt Mitte Dezember in Atlanta. Sam dagegen warf sich einen braunen Mantel über, er sah wirklich kuschelig und auch teuer aus. Manchmal wünschte ich mir, ich könnte genauso leben wie er. Tun was ich liebte und dafür reichlich bezahlt werden.

Vermutlich wäre mein Leben dann viel einfacher, so wünschte ich es mir jedenfalls. Sam stand ungeduldig in dem Türrahmen, tippte mit dem Fuß auf und ab. Eilig griff ich nach dem Hausschlüssel und steckte ihn in meine Jackentasche, danach folgte ich Sam aus der Wohnung.

Im Aufzug begann er zu pfeifen. »Ich hoffe ihre ekligen Freunde lassen mich heute in Ruhe«, sagte er und unterbrach damit sein Gepfeife »Die behandeln mich immer wie ein exotisches Tier. Als wäre ein schwuler in 2017 so eine Sehenswürdigkeit!«, empört schnaubte er. Ich dagegen konnte mir ein leises Kichern nicht verkneifen.

»Du bist aber auch wirklich extravagant«, murmelte ich zurück und lehnte mich an meinen Freund. Dieser begann daraufhin meinen Nacken zu kraulen, was mich seufzend die Augen schließen ließ. »Warum können nicht alle Kerle an mir kleben, statt diese gackernden Weibern?« Die Frage blieb unbeantwortet in der Luft hängen.

Nicht selten hatte mich Sam als Alibi Freundin missbraucht, aber dagegen hatte ich nichts. Ich freute mich jedes mal darüber, ihm irgendwie behilflich sein zu können. Wir verließen gemeinsam den Fahrstuhl und begaben uns zu seinem Baby Angel.

»Wird er uns auch lebend dahin bringen?« Schelmisch grinste ich ihn an und trommelte leicht auf dem Dach des Engels herum. Er zuckte mit den Schultern. »Gleich werden wir es erfahren«, mit diesen Worten stieg er ein und ich tat es ihm gleich.

Enymir - No magic is infinite  #AtriumAward #IceSplinters18 #TeaAward2018Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt