[Kapitel 17]
Meine Augen öffneten sich schlagartig und mein Körper wusste auch nicht, ob er warm oder kalt gehen soll. Ich spürte eine Gänsehaut, die sich auch in meinem inneren ausbreitete. Mein Atem wurde ungleichmäßig, ich musste mich innerlich daran erinnern, zu atmen. Mein Kopf war überfordert und ich konnte nicht reden. Ich lag immernoch im Bett und starrte die dunkele Decke an. Handy am Ohr. Stille. Meine Müdigkeit war sofort nach diesem Satz weg. Was passierte hier gerade? Schon wieder eine Situation, die beweist, wie unberechenbar Rüzgar ist. Ich hörte ihn atmen und versuchte leiser zu sein, um ihn zu hören. Vielleicht ist das ein Scherz oder keine Ahnung. Mir fiel Fatma ein, die ich verarscht habe. Hat das irgendwie einen Zusammenhang mit diesem Anruf? Kurz und knapp gesagt, bin ich einfach nur verwirrt. Ich musste wissen, was abging, also traute ich mich zur Sprache.
Gönül:„Zu viel getrunken?“ Ich erinnere mich, wie viel er an dem Abend getrunken hatte. Anscheinend auch vor dem Antrag laut Tarik. Bestimmt auch nach dem Streit mit Berk. Jetzt machte alles Sinn, Rüzgar ist bestimmt betrunken. Er lachte einwenig auf, aber eher leise. Das war nicht dieses böse Lachen, sondern ein inniges, reines Lachen. Dies konnte ich gut analysieren, auch wenn's zu kurz war. Es wurde still und ich wartete sehnsüchtig auf eine Antwort. Er kann doch nicht in die Runde schmeißen, dass er mich vermisst. Schon wieder nahm ich all den Mut zusammen und begann zu reden.
Gönül:„Was willst du, Rüzgar?“ Ich versuchte, hart zu klingen. Anders verdient er es nicht. Was sollte dieses Theater gerade?
Rüzgar:„Ich will endlich leben.“ Das kam überrascht. Ich verstand nichts und ehe ich nachfragen wollte, lag er auf. Er war echt dicht. Versucht am Anfang romantisch zu klingen, obwohl er sich so eben “verlobt“ hat und dann diese komische Antwort. Null Zusammenhang. Für sowas ruft er mich an und raubt mir meinen Schlaf? Ich verstehe ihn einfach nicht. Ich werde ihn nie verstehen, das meine ich die ganze Zeit. Wir reden aneinander vorbei und handeln auch so. Das einzige, was wir uns gegenseitig antun, sind Schmerzen und negative Stimmungen zubereiten. Wir waren und sind nicht auf einer Ebene.
Ich schaltete mein Handy auf stumm und lag es auf den Nachttisch neben meinem Bett. Dann drehte ich mich seitlich um und machte mir die Augen zu. Sein »Ich vermisse dich« bereitete mir wieder eine Gänsehaut zu. Ich musste darüber nachdenken, schlafen ging gerade nicht mehr. Mein Herz klopfte wieder schneller. Ich weiß, er war betrunken, aber diese sagen doch immer die Wahrheit? Und was meinte er mit »Warum fühlte es sich trotzdem richtig an?«
Fande er es richtig, dass ich seine Lippen berührt habe? Diese Lippen, die Fatma's bestimmt geküsst haben, auch wenn ich das nicht wirklich gesehen habe. Mir kam der Stirnkuss in Erinnerung, auf dem Riesenrad. Und wie Fatma mir darüber berichtete. Ich konnte Rüzgar nicht mehr ernst nehmen. Ist er so, weil er Drogen nimmt? Das mit den Drogen und Rüzgar höre ich nämlich schon das zweite Mal in Zusammenhang. Der Rüzgar, den ich kenne, würde nicht so komisch emotional zu mir sein. Bestimmt ist da etwas an der Sache. Der Gedanke, dass sich Rüzgar irgendwelche illegalen Inhalte spritzt oder zu sich nimmt, ekelte mich vor ihm. Erst jetzt fiel mir wieder ein, dass ich ihn wirklich kaum kenne. Alles, was ich bis jetzt kenne, sind seine egoistischen Seiten, die er für Lügen benutzt. Und vielleicht Erzählungen von Berk und ihre gemeinsame Vergangenheit. Aber sein richtiges Ich kenne ich nicht. Rüzgar Özer. Ist mir bis heute ein Geheimnis. Ein dunkles Geheimnis.
Mit solch vollen Gedanken schlief ich ein. Der Samstag brach an und wie immer wurde ich von meiner Mutter geweckt, die mit dem Staubsauger meine Tür demolierte. Mit halboffenen Augen schielte ich zur Uhr, die über meiner Tür hing. 10:53 Uhr. Zum Glück hatte ich heute frei und döste einbisschen noch im Bett. Wie immer nahm ich mir mein Handy und ging allen Ernstes auf meine Anrufe, die ich je bekommen habe. Es stand wirklich Rüzgar drauf. Einmal verpasst um 03:22 Uhr und der nächste Anruf nur 2 Minuten später. Dauer 2:14 Min. Warum eigentlich so lange? Zu 85% bestand dieser Anruf nur aus ein- und ausatmen. Die restlichen 15% irgendwelches Gelaber, was keinen Sinn gemacht hat. Sollte ich ihn wieder blockieren? Er verschwendet schlichtweg meine Zeit. Vor allem wenn ich schlafe. Ein Wunder, dass ich ihn nicht angeschrien habe, denn normalerweise, wenn ich vom Schlaf gerissen werde, werde ich richtig zickig und laut. Sofort packte ich mein Handy weg.
Gönül:„Warum kalkuliere ich so früh am Morgen? Dann noch am Wochenende?“ Somit stand ich auf und machte mich im Bad etwas anschaulicher. Kader schlief noch, sonst hätte man ihre Stimme schon längst gehört. Ich machte mir einen lockeren Dutt und ging an den Frühstückstisch, wo ich endlich meinen Vater wieder sah. Er war immer arbeiten und ich unterwegs. Ich ging zu ihn rüber und verpasste einen Schmatzer auf sein frisch rasiertes Gesicht.
Baba:„Lass dich mal sehen, kızım.“ Er lächelte und ich nahm gegenüber Platz.
Gönül:„Du bist viel zu selten zu Hause.“
Baba:„Ja, das stimmt. Gerade muss ich viel leiten, weil einige im Urlaub sind. Heute habe ich ausnahmsweise frei.“ Ich freute mich natürlich.
Gönül:„Da können wir doch endlich einen Familientag machen. Das haben wir schon lange nicht mehr gemacht.“ Meine Mutter kam mit Eiern und Tee.
Anne:„Was machen wir dann?“
Gönül:„Müssen wir eigentlich Kader fragen, sie hat ja die besten Ideen.“ Wir alle lachten, da sie echt verrückte Orte kennt und uns immer zwingt, mitzukommen.
Baba:„Wie wär's, wenn wir nach Karlsruhe fahren?“ Sofort kam mir Fatma in den Sinn.
Gönül:„Was ist da?“ Er lachte und trank Tee.
Baba:„Na dein Onkel, Cousin's. Familie halt.“
Gönül:„Das geht nicht.“ Beide schauten mich verwundert an.
Anne:„Warum nicht?“ Alles, aber nicht das. Ich möchte nicht in diese Hölle, dann noch mit meiner Familie. Es gibt echt besseres, als diese Göre zu treffen.
Gönül:„Lasst uns etwas unter uns machen. Nur wir 4.“ Mein Vater schaute komisch und schmierte sein Brot.
Baba:„Dann lasst euch etwas einfallen.“ Ich war innerlich beruhigt und aß. Wir redeten noch über ein paar verpasste Neuigkeiten und meine Mutter erzählte bereits von gestern. Dem Heiratsantrag.
Baba:„Ich glaub's nicht. Mein Bruder wird Schwiegervater. Das ist ja eine tolle Nachricht.“ Er freute sich wirklich, das konnte man aus seinen unschuldigen rehbraunen Augen lesen. Ich lächelte leicht mit, weil er glücklich war.
Gönül:„Jeder wird doch irgendwann Schwiegervater- oder mutter. Ist doch normal.“ Beide schauten mich plötzlich ernst an. Scheiße, habe ich etwa falsche Andeutungen gemacht? Nicht, dass sie denken, dass ich jemanden habe oder so.
Anne:„Das ist nicht normal. Bei uns ist es schwer, jemanden wirklich als Familienmitglied zu akzeptieren. Nicht jeder Mann kann ein guter Schwiegersohn sein oder andersrum.“ Obendrauf fügte mein Vater hinzu „Genau. Du weißt ja wie dein Onkel ist, er ist sehr misstrauisch und würde Fatma niemanden leicht hergeben. Ich hätte nicht gedacht, dass er jemals so eine Rolle einnehmen würde.“ Mein Onkel Zeki. Er ist ein komplizierter Mann in unserer Familie, das weiß ich. Wenn er so misstrauisch ist und wert auf einen ordentlichen Schwiegersohn legt, warum zur Hölle akzeptiert er Rüzgar? Rüzgar hat doch anscheinend oft versucht, sich von Fatma zu trennen. Rüzgar war sicherlich nicht gut zu Fatma und vor allem: Rüzgar liebt Fatma nicht. Warum hängt Zeki Amca trotzdem so sehr an ihn? Alle sind zuversichtlich mit deren Beziehung. Mir kamen kurz Zweifel hoch, ob er es tatsächlich ernst meint mit ihr. Die konkrete Antwort darauf habe ich nicht, aber ich weiß es schon. Das ist alles ein Plan. Ich nickte beide an und wollte abräumen, Kader kam dann.
Kader:„Günaydın millet. Baba auch mal am Tisch.“ Sie umarmte ihn von hinten.
Wir saßen alle noch am Tisch und tranken Cay. Kader erzählte noch jedes Detail von dem Antrag. Sie war richtig in ihrem Element. Kader zeigte noch Bilder von ihrem Handy.
Baba:„Er hat sich echt mühe gegeben. In ihm steckt ja doch was.“ Ich stande auf.
Baba:„Wer ist das?“ Er nahm ihr Handy und hielt es entfernt von seinen Augen. Mit der anderen Hand zoomte er vor und ich lief fragend hin. Er schaute mich an.
Ich sah mich im Hintergrund, wie mein Kopf auf Berk's Schulter war. Diese seitliche Dauerumarmung, die ich nicht mochte. In dem Moment war ich so sauer auf Kader. Auch wenn wir im Hintergrund sind, warum hat sie uns nicht ausgeschnitten? Dann präsentiert sie stolz alle Bilder Baba. Ich schaute auf Baba und wusste nicht, was ich sagen sollte. Meine Hände schwitzen und knitterten mein langes T-Shirt. Wenn ich jetzt Berk sage, wird er mich ausfragen und Anne und Kader erzählen alles. Dann will er ihn kennenlernen, das was Anne gestern Abend meinte. Es darf nicht dazu kommen, wir sind nur Freunde. Er schaute mich komisch an, warum auch immer konnte ich nicht direkt antworten. Die Folgen spielten in meinem Kopf ab.
Anne:„Das ist Berk. Ein guter Freund von Gönül.“ Baba schaute nochmal auf's Handy.
Baba:„Er kommt mir irgendwie bekannt vor.“ Er hielt das Handy in verschiedenen Perspektiven. Die Situation verunsicherte mich, aber ich musste etwas sagen.
Gönül:„Wie waren in seinem Restaurant Köfte essen, nach der einen Hochzeit in Köln.“ Er schaute mich an und gab Kader das Handy zurück.
Baba:„Seins? Wie alt ist er denn?“
Gönül:„25.“ Er schaute erstaunt.
Baba:„Du wirst ja auch 20.“ Das hat nichts mit dem Thema zutun. Warum sagt er denn sowas? Warum reagierte er nicht negativ auf Berk's Haltung? Findet er den Körperkontakt etwa angemessen? Er schaute Anne an und sie lächelten sich gegenseitig an. Die Situation war sehr komisch.
Anne:„Also wo gehen wir heute hin?“ Kader wurde aufgeklärt und überlegte auch schon. Ich ging in mein Zimmer und zog mir eine hochgekrempelte Jeans und ein beiges Spaghetti Top an. Meine Haare wellte ich und nahm mir meine beige Sonnenbrille. Kader kam rein und nahm sich Haaröl von mir.
Gönül:„Wohin geht's jetzt hin?“ Sie schaute mich nicht an und verteilte das Öl in ihren Haaren.
Kader:„Ich weiß nicht. Meine Ideen werden sowieso nicht wirklich durchgesetzt, deshalb entscheiden wir spontan.“ Ich nickte und beschloss, Berk anzuschreiben. Die Bilder von gestern gingen mir einfach nicht aus dem Kopf. Wie er so hart am Hals gepackt wurde, in mir sammelte sich Wut.
»Hey Berk. Wie geht's dir? Was machst du so?« Er war seit gestern nicht mehr online, seine letzte Nachricht habe wohl ich bekommen.
Anne:„Kommt Mädels. Wir gehen.“
Ich nahm meine Tasche und packte mein Handy rein. Wir saßen im Auto und warteten auf Kader. Baba tippte solange irgendwas im Navi ein, ich schielte kurz rüber und ehe ich fragen wollte wohin, kam Kader.
Kader:„Okay wir können gehen.“
Anne:„Noch Extrawünsche die Dame?“ Wir lachten und fuhren los.
Kader:„Schau mal auf Facebook, Hilal und Cem.“ Das waren die, die geheiratet haben in Köln. Ich nahm etwas verwirrt mein Handy aus der Tasche und ging auf deren gemeinsames Profil. Sie haben ihre Hochzeitsbilder veröffentlicht.
Gönül:„Da sind sie aber spät dran.“ Die Hochzeit war vor über einem Monat.
Kader:„Das sind High-Quality Bilder, natürlich dauert es so lange. Die auszusortieren, bearbeiten und so weiter.“ Ich nickte. Die Bilder waren echt wie in einem Album. Ich schaute mir jedes einzelne Bild mit Kader an und wir kommentierten zwischendurch.
Kader:„Da bist du ja.“ Ich schaute auf ihr Handy und sah mich mit Rüzgar von hinten. Ich schaute seitlich auf seine Hand, während unsere Finger eingehakt waren. Ich erinnerte mich, wie er dann plötzlich wegging und ich wie verrückt nach dieser Hand suchte.
„Na, wenigstens kommt dein Highlight gut raus.“ Ich lachte, da mein Seitenprofil erkennbar war. Ich nahm mir mein Handy und downloadete dieses Bild, grundlos.
Erst jetzt merkte ich, wie breit Rüzgar war, im Sinne von durchtrainiert. Schon wieder lief ein Schauer meinen Rücken entlang, als ich an die Nacht dachte. »Ich vermisse dich.« Kam tatsächlich von so einem Typen wie Rüzgar? Er hat sehr wahrscheinlich irgendetwas zu sich genommen, dieser emotionslose Klotz. Ich spürte, wie mein Puls stieg. Meine Augenbrauen gingen zusammen, ich war angepisst. Sofort lenkte ich mich ab und tat mein Handy weg. Wir waren inzwischen auf der Autobahn und hörten Musik. Ich wollte schon vor einer halben Stunde fragen, wo es hingehen würde. Mein Handy vibrierte und ich öffnete es. Eine Nachricht von Berk.
»Gönül. Mir geht's nicht so gut, bin zu Hause.« Sofort antwortete ich.
»Was ist los?« Gestern, als er uns nach Hause brachte, war er auch so komisch drauf. Ist etwa schon wieder etwas vorgefallen? Er war doch so nah an mir im Garten, dann wieder komisch und jetzt geht's ihm schlecht. Seelisch oder körperlich ist die Frage. Ich glaube, es würde Berk gut tun, wenn er sich mit jemanden ausspricht. Über alles. Er ist ja auch sonst so viel unterwegs und gestresst. Es ist gut, dass er mal zu Hause ist. Während ich überlegte, was er hatte, bekam ich schon eine Antwort.
»Kopfschmerzen und leichtes Fieber.« Der Arme. Das kommt alles vom Stress.
»Gute Besserung :( Kümmert sich jemand um dich?« Er wohnt alleine. Erst nach 5 Minuten bekam ich eine Antwort. Bestimmt ist er kraftlos und geschwächt.
»Meine Mutter kam vorhin. Ich leg mich schlafen.« Er klang irgendwie kalt, was mir natürlich nichts ausmachte. Ich tat mein Handy wieder in die Tasche und fragte endlich, wohin es gehen würde.
Baba:„Wir fahren in einen riesigen Park mit See. Sind auch fast da.“
Kader:„See? Was ist mit Schwimmsachen?“
Gönül:„Ich gehe eh nicht in's Wasser.“
Anne:„Genau. Und du Kader eigentlich auch nicht.“
Kader:„Eigentlich schon, wenn das Wasser nicht so dreckig ist.“
Anne:„Sehen wir gleich. Außerdem ist es nicht so warm. Ihr könnt ja unter euch ein anderes Mal gehen.“ Irgendwie kam es mir komisch vor. Nur wir 4 alleine an einem See.
Gönül:„Kommt da noch jemand?“
Baba:„Vielleicht dein Onkel noch.“ Dieses 'vielleicht' machte mir Hoffnung, dass sie nicht kommen. Und wenn, dann ohne seine Tochter Fatma. Mein Tag war jetzt halb gelaufen, aber trotzdem brachte es mich nicht ab, positiv zu sein. Ich habe die wichtigsten Personen bei mir und mache mit ihnen einen schönen entspannten Tag am See. Wir fuhren noch kurz zum Türken, um Obst und Fleisch zu kaufen. Dort gibt's Grillplätze. Nach weiteren 10 Minuten kamen wir an und suchten einen schönen Platz im Schatten. Der See war noch im Blickfeld und wir machten es uns gemütlich. Anne hatte von daheim noch einen Salat mitgebracht und Baba schmiss den Grill an. In letzter Zeit gab es echt oft Grill. Ich mag Fleisch und hatte somit nicht's dagegen. Ich legte mich hin und schloss meine Augen. Sonnenbrille an den Augen und Kopfhörer in den Ohren, weil mich keiner brauchte. Ich fühlte mich frei und glücklich. Langsam atmete ich tief ein und aus. Das Wetter war perfekt. Ich hörte niemanden, sondern meine eigene Musik. Ich war so entspannt, dass die Insekten und Käfer, die mich normalerweise abschreckten, nicht einmal interessierten.
Etwas rüttelte an meinem Arm. Ich tat meine Sonnenbrille weg und sah Kader, die irgendwo hinguckte und irgendwas sagte. Ich schielte kurz rüber und sah Zeki Amca. Sofort stande ich auf und stöpselte die Kopfhörer aus meinem Ohr. Man kann hier nicht einmal in Ruhe Musik hören geschweige denn liegen. Zeki Amca war nur mit seiner Frau Hatun Yenge zu sehen. Beide kamen mit riesigen Körben. Wir alle begrüßten uns und ich fragte mich, wo Fatma war. Natürlich werde ich nicht nachfragen. Wir bereiteten noch alles vor.
Anne:„Wo ist Fatma?“ Ich wurde aufmerksam.
Hatun Yenge:„Sie kommt gleich.“ Oh Gott, warum? Auf ihre Fratze habe ich gar keine Lust. Ich wusste, dass zwischen uns eine angespannte Stimmung herrschte. Ihre dumme Aktion mit dem Tee, meine von gestern Abend, wo sie in der Kälte wartete. Was wird denn wohl heute kommen? Ich nahm mir mein Handy und öffnete ein Spiel. Die Damen wollten meine Hilfe nicht. Kader war wie immer am Handy, ich tippe mal auf Duru. Die Männer waren am Grill und tranken Bier.
Anne:„Ah, da kommen sie.“ Sie? Ich drehte mich um und sah 'Sie'. Rüzgar und Fatma. Habe ich schon erwähnt, dass sie das Traumpaar sind? Er hatte eine Kiste in den Händen. Vermutlich Wasser. Eine kurze Jeans, weisses T-Shirt und eine Ray Ban. Jetzt wurde mir klar, wie braun er war. So ein Solariumopfer. Fatma kam in einem Kleid mit Blumen. Typisch H&M. Sie war auch brauner als gedacht. Gehen die schon zu zweit in's Solarium. Richtiges Traumpaar. Fatma begrüßte jeden und Rüzgar ging erst zu den Männern.
Anne:„Zeig mal her den Ring!“ Fatma zeigte ihn und meine Mutter war geflasht. Warum gleich übertreiben? Warum? Ringe gibt's überall. Wenn sie wüsste, dass dieser keine Bedeutung hat. Kader begrüßte Fatma und ich auch, aber es war schon kalt zwischen uns. Gewiss. Rüzgar kam zu uns rüber und küsste allen Ernstes die Hand von Hatun Yenge, Fatma's Mutter. Das war schon übertrieben, warum macht er das? Er meint es doch sowieso nicht ernst, warum diese Geste? Meiner Mutter gab er die Hand.
Rüzgar:„Wie geht's Ihnen?“ Ich schaute runter auf seine Hand, die gestern Berk erwürgt hat. So ein dreckiger Mistkerl.
Anne:„Danke und dir?“ Unverschämt tat er seine Hand auf seine Brust, nach dem Motto 'Danke mir geht's auch gut'. Fatma saß schon auf dem Boden. Ich habe sie nicht gehört, ob sie die Großen gefragt hat, ob sie helfen kann. Alle widmeten sich der Arbeit.
Ich stand neben Anne und Kader saß neben Fatma. Sie schaute hoch, als Rüzgar sie begrüßte. Dann drehte er sich zu mir und nickte, denke ich. Ich habe ihn natürlich ignoriert. Willkommen werde ich ihn nicht heißen. Ich schnitt noch einbisschen Gemüse klein. Es vergingen Stunden, wir aßen und ich vermied jeglichen Augenkontakt zu Rüzgar. Ich hätte nicht einmal gedacht, dass er so lange dabei sein würde. Seit wann kennt er das Wort 'Familie'? Die Großen redeten natürlich über die kommende, richtige Verlobung.
Zeki Amca:„Ende August beziehungsweise Anfang September? Da sind auch die meisten aus dem Urlaub zurück. Wir hätten dann 1 guten Monat zu planen.“
Fatma:„Baba 1 Monat? Das ist viel zu wenig. Was ist mit dem Saal, Essen, Musik, mein Kleid?“ So redeten sie hin und her. Amca dachte an eine kleine, familiäre Feier, während Fatma das schon wie eine Hochzeit sah.
Fatma:„[...] oder Rüzgar?“ Er antwortete.
Rüzgar:„Das ist nur die Verlobung. Theoretisch könnte man die auch auslassen oder wie dein Baba schon sagte, in einem kleinen Kreis halten. Nur die engsten.“ Automatisch schaute ich rüber. Er schaute mich auch an und dann zu seinen 'Schwiegereltern'.
Rüzgar:„Unsere Hochzeit wird dann umso schöner.“ Am liebsten würde ich jetzt schreien “Welche Hochzeit?“ Die Familie wird gerade professionell verarscht. So redeten sie noch alle. Jeder hat etwas gesagt, außer ich. Ich nahm mir mein Handy und war überrascht, als ich seinen Namen las. Rüzgar hat mir auf WhatsApp geschrieben.
»Warum so grimmig?« Vor 16 Minuten. Ich schaute ihn genervt an und er lächelte nur, ohne mich anzugucken. Er schaute meinen Vater an, der redete. Ich tat mein Handy weg und stande auf. Alle schauten mich an, als ich einen Schritt zur Seite ging.
Bevor sie mich fragen konnten, antwortete ich.
Gönül:„Ich lauf einbisschen am See entlang.“
Anne:„Kader, sende git.“ Kader schüttelte den Kopf. „Es ist gerade so spannend euch zuzuhören.“ Alle lachten, obwohl es nur das Thema 'Verlobung und Hochzeit' war. Typisch Kader. Ich nahm mir meine Tasche und setzte die Sonnenbrille auf. Endlich konnte ich mich entfernen. Der See war echt schön und sah sauber aus. Es war auch warm. Innerlich hatte ich den Drang, reinzuspringen, aber nein. Erstens habe ich keine Badesachen und zweitens gehört das nicht zu meiner Persönlichkeit, so spontan zu sein und ins Wasser zu springen. Ich sah ein paar Köpfe, die Spaß hatten. Der See war echt riesig, man sah sogar den Horizont. Ich beschloss, eine Runde zu machen. Mit Musik in den Ohren und Sonnenstrahlen auf der Haut - perfekt. Somit begann ich, eine Runde zu machen und sah nur noch vereinzelt Köpfe im Wasser. Ich entfernte mich auch und realisierte, dass das Wasser wohl tief sein muss. Dennoch war es wunderschön und glitzerte. Ich war wohl nicht die einzige, die Runden um den See machte. Viele Pärchen, sei es jung oder alt, waren dabei. Als ich mich kurz umdrehte, sah ich schon längst nicht mehr den Park und unseren Grillplatz. Ich war auch fast am obersten Punkt vom See. Es waren auch Bänke vereinzelt da, ich saß dann auf einer. Mein Handy packte ich weg, weil ich zu wenig Akku hatte. Ich schaute das Wasser an und verlor meinen Blick darin. Trotzdem bekam ich irgendwie keinen freien Kopf. Ich spürte, wie mich etwas im Hinterkopf beschäftigte. War es Berk, der krank im Bett liegt? Ich redete mir Berk ein und verdrängte, dass es der Anruf gestern Nacht von Rüzgar war. Abgesehen davon, warum schrieb er mir vorhin eine Nachricht? Ich stande auf und wollte weiterlaufen.
„Gönül.“
Mein höchstpersönliches Schicksal, dass er hinter mir stand. Ich lief weiter und spürte, wie er mich am Arm zu sich zog. Sofort klatschte ich seine Hand weg.
Gönül:„Was willst du?“ Was sucht er hier? Sie haben doch so schön über seine Verlobung geredet. Was macht er hier bei mir? Ich schaute ihn an. Er hatte auch seine Sonnenbrille an.
Rüzgar:„Warum so aggressiv?“ Ich glaub's nicht.
Gönül:„Das fragst DU mich?“ Gestern Abend war er handgreiflich und brüllte rum.
Rüzgar:„Soll ich zusehen, wie ein Hurensohn dich verarscht?“ Mein Herz blieb stehen. Ich war still und schaute ihn an. Seine Kiefer waren angespannt. Ich will nicht wissen, was sich hinter seiner Sonnenbrille verbirgt. Ich musste gerade 2 Dinge tun. Den Inhalt seiner Aussage verarbeiten und verkraften, dass es von ihm kommt. Mein Kopf wusste nicht, was zuerst.
Gönül:„Was?“ Er meinte doch nicht Berk, oder? Berk soll mich verarschen? Ich begann leicht zu lächeln und schaute zur Seite. „Du hast sie nicht mehr alle.“ Ich schaute ihn wieder an und er rührte sich nicht vom Fleck.
Gönül:„Außerdem.“ Ich ging einen Schritt vor.
Gönül:„Was interessiert dich das?“ Ich spürte, dass er nicht vorbereitet war auf diese Frage. Dennoch rührte er sich nicht vom Fleck und schaute mich an.
Rüzgar:„Ist helfen und gut sein etwa auch verboten?“ Sofort redete ich rein.
Gönül:„Helfen? Du hast ihn gestern erwürgt, wer weiß, wenn ich nicht rechtzeitig gekommen wäre.“
Rüzgar:„Du bist echt ein naives Mädchen. Ich dachte, du wärst nicht so leicht zu verarschen.“ Ich nahm meine Sonnenbrille ab. Will er meinen Stolz etwa kritisieren?
Jetzt konnte ich seine Augen besser durch die Sonnenbrille sehen. Ich sah sogar seine Wimpern. Sein Blick war trotzdem nach wie vor.
Gönül:„Wer bist du, dass du dich so einmischt? Kümmer dich doch um dein eigenes Leben! Was suchst du hier überhaupt?“ Er nahm seine Sonnenbrille auch runter und ich schaute auf seinen Mund. Seine Augen würden mich jetzt umbringen. Ich war nervös. Seine rosaroten Lippen brachten mich auch aus der Fassung. Soll ich etwa wie ein Kind den Boden anschauen? Ich schaute seine Augen an und verlor mich direkt in der ersten Sekunde, ungewollt. Als ob ich jetzt wo anders hinschauen kann, das geht nicht. Er zog meine Blicke an. Einfach so.
Rüzgar:„Ich kümmer mich doch um mein Leben.“ Was soll das heißen? Indem er sich in meins einmischt?
Rüzgar:„Wie jetzt gerade auch.“ Mir wurde sehr warm, abgesehen von der Sonne. Sein Leben? Ist mein Leben etwa sein Leben? Ich sein Leben? Ich konnte ihn nie wirklich entschlüsseln. Bevor er die Idee hätte, einfach zu verschwinden aus dem nichts, fragte ich nach.
Gönül:„Kannst du mal offen reden?“ Er blinzelte und schaute lächelnd zu mir runter.
Rüzgar:„Soll ich offen reden? Jetzt schon?“ Ich verstand nichts mehr! Was heißt hier “Jetzt schon?“ Als ob es ein bestimmtes Datum dafür gibt.
Gönül:„Weißt du. Du bist seit Tag 1 ein Labyrinth für mich. Du redest verschlüsselt und am Ende des Tages verstehe ich nie etwas von dir. Bestes Beispiel deine Nachricht vorhin.“ Er hörte konzentriert zu, das spürte ich. Diese Eigenschaft gefiel mir grundsätzlich. Dieses Aufmerksame.
Gönül:„Oder noch besser: dein Anruf mitten in der Nacht. Du vermisst mich angeblich? Du Labyrinth tauchst dann wieder ab und kommst heute glücklich mit deiner Verlobten. Rüzgar, wer bist du? Was machst du?“ Endlich. Ich fühlte mich frei und mutig. Das fiel mir spontan ein, bestimmt hätte ich mehr rausballern können.
Rüzgar:„Ich stehe zu allem, was ich sage, Gönül. Ja, du hast vorhin die ganze Zeit grimmig und genervt geguckt. Und ja, ich habe dich vermisst.“ Mein Herz klopfte um 100 mal schneller. Er gibt zu, dass er mich vermisst hat? Rüzgar? Rüzgar Özer? Das dunkele Geheimnis? Er schaute den See an und dann wieder mich. Meine Blicke waren auf seine fixiert. Wird er noch etwas dazu sagen? Ich war gefangen und konnte nichts dagegen tun.
Rüzgar:„Labyrinth ja?“ Ich konnte nicht einmal nicken.
Rüzgar:„Dieses Labyrinth nennt sich Liebe.“
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Mein längstes Kapitel dieser Geschichte.

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Gönlümün Efendisi
RomanceDer Herr meines Herzens. Meiner Liebe. Meiner Tränen. Meiner Geschichte. ___ Diese Geschichte ist mit keiner anderen auf Wattpad zu vergleichen. Hier kommen die wahren Gefühle hoch. Diese Geschichte wird ganz andere Spuren hinterlassen. Ganz andere...