DREI

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Rachel
Erschöpft ließ ich mich auf mein Bett fallen, während ich müde meine Augen schloss und ausatmete.
Zwar war es schon später Vormittag und die heiße Sommersonne strahlte schon unbarmherzig auf alles was nicht Schutz im Schatten gesucht hatte, doch das änderte nichts daran, dass ich diese Nacht kaum in der Lage war mich dem Schlafen zu widmen.
Eher im Gegenteil: Nach dem Interview gestern, das schon alleine bis um zehn Uhr dauerte plus noch zwei Stunden Autofahrt nach Hause, musste Mum mich noch eine geschlagene Stunde wegen des Interviews mit Fragen durchlöchern, bis ich mich ähnlich wie ein Schweizer Käse fühlte und mich in meinem Zimmer verkrochen​ hatte.
Doch damit noch nicht genug: Natürlich musste mich noch ein extrem lautes Gewitter vom erhofften Schlaf abhalten, während der Donner unaufhaltsam gegen meine Trommelfelle hämmerte und die Blitze mich jedes Mal, als ich meine schweren Lider schloss, aufschreckten.
Als sich das Gewitter langsam verzogen hatte und ich erleichtert versucht hatte in die Welt der Träume unter zu tauchen, hatte mich zusätzlich ein nervtönendes Sirren wach gehalten.
Frustriert hatte ich den nächstbesten Gegenstand genommen und hüpfte mit einem Musikmagazin herumwedelnd, wie eine Verrückte in meinem Zimmer hin und her, um das mickrigen Leben der verhassten Mücke ein Ende zu bereiten.
Doch wahrscheinlich hatte sie meine Mordlust bemerkt und den Erdboden befohlen sie zu verschlucken, da ich sie nirgends finden konnte.
Doch sobald ich mich wieder hingelegt hatte spuckte der Erdboden die Mücke wieder aus und sie begann mich von neuem zu nerven, woraufhin ich wieder augesprungen war und alles wieder von vorne losging.
Kurz genommen: ich konnte erst gegen halb fünf ins Traumland abtauchen, nur um um halb acht von einer Stimme geweckt zu werden und um gesagt zu bekommen, dass das Frühstück fertig wäre und ich gefälligst aufstehen sollte, da ich heute noch viel vorhabe, das, nach kurzer Überlegung meinerseits, nicht stimmte.
Naja...und jetzt lag ich erneut in meinem warmen Bett und hoffte, dass das bis zum Mittagessen auch so bleiben würde.
Ich schloss meine Augen, doch anstatt in nackte Dunkelheit zu blicken zogen vor meinem geistigen Auge Bilder von dem Interview vorbei.
"Also Rachel, fangen wir an. Die erste Frage lautet: Was bedeutet dir die Musik?"
Erwartungsvoll schaute mich der Journalist an, einen schwarzen Stift bereithaltend in der einen und einen kleinen Block in der anderen Hand.
Nervös juckte ich mich am Ellenbogen und kaute unsicher an meiner Unterlippe, bevor ich nach ausführlichen Nachdenken was ich wohl antworten sollte antwortete:" Naja, äh...eigentlich bedeutet sie mir sehr viel, ähm...ohne ihr wäre ich irgendwie unausgeglichen und nicht ganz ich selbst. Sie ist so etwas wie... meine große Leidenschaft."
Etwas verunsichert blickte ich zu den großen Mann gegenüber, der wie verrückt auf seinen Block herumkritzelte.
Ich bemerkte kleine Schweißtröpfchen auf seiner Glatze, auf der ich nur noch drei vier schwarze Haare ausmachen konnte. Ich horchte aufmerksam auf, als er plötzlich vor sich hin murmelte, bis er schließlich ruckartig seinen Kopf hob und mich aus seiner dunkelblauen Brillen musterte. " Dann zur nächsten Frage: Wie siehst du dich in der Zukunft? Ich meine, eher als erfolgreiche Geigerin oder in einer ganz anderen Richtung?", fragte er mich. Ich räusperte mich, woraufhin er mir aufmunternd zunickte. "Ich hoffe schon, dass ich ähm... eine Musikkariere einschlagen kann, aber wenn es nicht äh... funktioniert, dann würde ich es auch nur noch nebensächlich ähm... machen.", unsicher ob ich richtig geantwortet hatte betrachtete ich die weiße Wand, als wäre es das interessanteste der Welt. Aus den Augenwinkeln konnte ich erkennen, wie der Mann schon zur nächsten Frage ansetzte.

Mein Handy holte mich aus meinen Erinnerungen, als es wie verrückt vibrierte und drohte sich von meinem Tisch aus in den sicheren Selbstmord zu stürzen.
Doch noch bevor es so weit kommen konnte schnappte ich es mir und blickte aufs Display.
Nach kurzem Blick darauf hob ich ab und wartete auf die quitschige Stimme meiner besten Freundin, die mich da gerade angerufen hatte. " Du musst mir alles erzählen!", ertönte Grace aufgeregt.
Entnervt seufzte ich auf:" Nicht du auch noch...Mum hat mich auch schon ausgequetscht..."
"Ja sorry dass wir nicht die Ehre haben ein Interview zu haben!", rechtfertigte sie sich beleidigt.
Ergeben stöhnte ich auf:" Was willst du wissen?", woraufhin sie wieder fröhlich in den Hörer zwitscherte:
" Ein bisschen dies ein bisschen das....eigentlich alles! Warte, wir können uns auch einfach treffen... wie wärs heute um drei?"
Brummend stimmte ich zu und legte auf.
Ich warf mein Handy auf meinen Nachttisch und zog die Beddecke über meinem Kopf, da die Sonnenstrahlen mein Zimmer erleuchteten. Dann versuchte ich wie schon sooft an diesen Tag einzuschlafen.

Diesmal weckte mich zwar auch ein nervtönendes Klingeln, jedoch war es diesmal nicht der Wecker, der für Unruhe sorgte, sondern die Hausklingel.
Da meine Mum nicht zu Hause war, zwang ich mich aufzustehen und torkelte die Treppe hinunter zur Tür.
Ich öffnete schwungvoll die Tür und erwartete meine Freundin Grace, als mir jedoch ein Jungengesicht mit braunen etwas verwuschelten Haaren entgegenblickte, schreckte ich kurz zusammen.
"L..Larson, was machst du denn hier?", ich kam ins stocken und ich wurde mir meine ungekämmten Haare und meine Augenringe nur allzu bewusst.
Larson war der heiße Junge von nebenan, der mit seinem Aushilfsjob als Postbote Geld verdiente. Er war zwar zwei Jahre älter als ich, aber insgeheim stand ich auf ihn.
Nervös fuhr er sich mit der Hand durch sein kastanienfarbiges Haar.
"Naja, ich habe gehört dass meine Nachbarin jetzt so eine Art Berühmtheit ist... Jedenfalls habe ich dich in der Zeitung entdeckt und da dachte ich, wenn ich sowieso die Zeitung vorbeibringe, könnte ich dir auch gratulieren, zu deinem Erfolg.",er schaute mich etwas schüchtern mit seinen grünen Augen an. Fast glaubte ich so etwas wie Verunsicherung in ihnen bemerkt zu haben, doch ich hatte mich sicher getäuscht.
Er streckte mir seine Hand hin, woraufhin ich sogleich meine dazulegte. Sein Griff war fest. Angenehm fest. Fast schon beruhigend.
Er hielt meine Hand etwas länger als gedacht. Dann ließ er sie abrupt los, drückte mir die Zeitung in die Hand und drehte sich um.
Noch bevor er aber die Terrasse verlassen hatte, blickte er sich noch mal um und sagte:" Hättest du mal Lust etwas trinken zu gehen? Ich würde mich echt freuen."
Nach einen etwas verwirrten Blick meinerseits brachte ich verwunderlicherweise ein klares "Ja klar" hervor. " Wie wärs morgen? So um drei?"
Zwar wusste ich, dass ich morgen unbedingt noch Geige üben musste, trotzdem stimmte ich zu.
Dann schaute ich ihn hinterher, wie er lässig zum gegenüberliegenden Haus ging.
Seufzend lehnte ich mich an Türrahmen an und blickte zum wolkenlosen Himmel empor. Ich senkte meinen Blick und entdeckte Grace, die gerade auf mein Haus zusteuerte und mir schon von weiten heftig zuwinkte.
Jetzt wird neben den Interview wohl noch ein Gesprächsthema dazukommen.

Der Straßenjunge, der behauptete mein Bruder zu seinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt