Rachel
Sobald Grace durch die Türschwelle trat, warf sie mir einen neugierigen Blick zu und wackelte mit den Augen.
"Na? Gibt es einen bestimmten Grund dafür, dass Larson dich besucht hat?", fragte sie," Ich wette er steht insgeheim auf dich und jetzt traut er sich endlich dich zu einem romantischen Date einzuladen...ihr würdet voll das süße Paar abgeben. Und nach der Schule werdet ihr dann heiraten und ich werde eure Trauzeugin...und wer weiß? Vielleicht werdet ihr glücklich bis ans Lebensende miteinander leben...",
überschwänglich klatschte meine beste Freundin in die Hände und fuhr mit ihrem Job als Wahrsagerin fort, während ich sie nur augenrollend in mein Zimmer zog und dann die Tür schloss.
"Jetzt sag doch auch mal was Rachel".
Mit einem lächerlichen Grinsen auf dem Mund erklärte ich Larsons Kommen.
" Naja, zumindest hattest du mit dem ersten Teil deiner Vorhersage recht. Er hat mich gefragt ob ich morgen vielleicht Lust auf einen Kaffe hätte....nichts besonderes, ich meine er lädt sicher immer irgendwelche Mädchen ein, es wird sowiso nicht mehr draus."
Schulternzuckend blickte ich in Graces Augen welche aufgeregt blitzten.
"Und das soll nichts besonderes sein? Ich wär froh wenn mich mal ein Typ sowas fragen würde, ich wär sogar froh wenn einer mich nur ansprechen würde",seufzte sie gespielt dramatisch.
" Aber es gibt wichtigeres zu bereden," sagte sie wieder total begeistert," weißt du schon was du morgen anziehen willst? Mh...lass mich mal überlegen."
Grace sprang vom Bett auf und öffnete überschwenglich meinen Kleiderschrank.
"Grace! Ich gehe doch nur einen Kaffee trinken, OK? Es ist ja nicht so dass ich morgen heirate."
Verzweifelt von den Übermut meiner Freundin, welche sich gerade diverse Kleider und Oberteile an den Körper hielt, nahm ich kichernd mein kleines Plüschpolster und bewarf Grace damit, welche quitschend das Kissen aufhob und mich damit attackierte, bis wir uns beide lachend auf das Bett legten und ich schließlich begann über das Interview zu erzählen, weshalb sie ja ursprünglich gekommen war.
Ich erzählte nicht viel, da ich nicht bei der Sache war. In Gedanken verbrachte ich meine Zeit mit Larson. Vielleicht hatte Rachel ja Recht, zumindest damit dass Larson auf mich stand? Im gleichen Augenblick, wo ich meinen Gedanken bemerkte verwarf ich ihn und fragte mich was in mich gefahren war.
Ich hatte mir ja sonst nie über so was den Kopf zerbrochen. Wer wollte denn auch schon mit einem schüchternen Mädchen welche nebenbei auch nicht sonderlich beliebt war Zeit verbringen?
Ein schallendes Gelächter riss mich ruckartig aus meinen Gedanken und ich wurde von meinen Tagträumen in die Realität befördert.
Und diese Realität zeichnete sich durch eine sich vor Lachen krümmende Grace aus. Als ich mir jedoch bewusst machte, dass ich mitten in meinem Bericht übers Interview ins Tagträumen verfallen war und meine Freundin die ganze Zeit meine verträumte Grimasse beobachtet hatte, legte sich mir die Schamesröte
auf meine Wangen, die sich verstärkten als Grace anfing zu singen: " Rachel und Larson sitzen auf einen Baum..."
Ich musste sie gar nicht unterbrechen, da ihre Stimme von einem erneuten Lachkrampf erstickte wurde.
Ich verdrehte daraufhin nur die Augen und schaute sie gespielt genervt an. Doch mein Blick brachte sie nicht zum Schweigen, eher im Gegenteil .
" Graaaaaaace.....dein Lachen hört sich an wie ein sterbendes Walross...und dann beschwerst du dich ernsthaft warum kein Junge an dir Interesse hat.", wies ich sie zurecht, doch ich hatte selbst mit dem Lachen zu kämpfen.
"Werd' nicht gleich so hochmütig, Larson war der erste der dich nach einen Date gefragt hat also hast du mir nichts über Jungs zu sagen.", antwortete sie gespielt entrüstet.
"Wenigsten hat mich jemand gefragt, was man von dir ja nicht behaupten kann. Oder weiß ich da etwas nicht?", ich kicherte provozierend, doch als ich merkte wie ihre Wangen einen leichten Rotton bekamen und ich ihren Ausdruck nach zu urteilen ins Schwarze getroffen hatte, rief ich geschockt aus:" Was?? Oder besser: Wer? Warum hast du mir nichts gesagt? Anstatt mir davon zu erzählen hörst du dir lieber an wie mein Interview war?!"
"Ähhhh.....entschuldigung? Aber als ich Larson gesehen hab dann mussten wir erstmal über ihn reden und dann hab ich es irgendwie vergessen."
"Wie kannst du sowas nur vergessen....du hast echt ein Goldfischgedächtnis."
"Naja...kennst mich ja und außerdem war das schon gestern und ich hatte..."
" Grace", unterbrach ich sie," mir ist jetzt eigentlich egal warum du es vergessen hast.",und warf ihr noch einen letzten vorwurfsvollen Blick zu.
Dann begann sie endlich. " Gestern war ich ja mit Luisa im Hallenbad", Luisa war ihre jüngere Schwester, mit welcher sie öfters mal Schwimmen ging," und jedenfalls musste sie früher gehen. Ich wollte dann später alleine nach Hause gehen. Als ich aus dem Schwimmbad gegangen bin, bin ich ausgerutscht und hingefallen. Hab mir ganz schön das Knie aufgeschürft. So ein Junge sah es und hat mir aufgeholfen. Wir kamen ins Gespräch und dann hat er mich auf einen Drink eingeladen. Aber ich hatte noch was vor und deshalb haben wir uns auf Mittwoch verabredet."
Während sie erzählte legte sich ein leichtes Lächeln auf ihren Lippen.
"Und wie heißt er? Wie alt ist er? Kenn ich ihn?"
Ich bombardierte sie mit fragen, welche sie alle begeistert beantwortete. Er heißt Mark, 16 Jahre, wohnte jedoch weiter weg und kam nur manchmal zum Schwimmen her.
Recht viel mehr wusste Grace auch nicht aber würde sie ja bald.
" Ganz schön komisch dass wir, die zwei Mauerblümchen, fast gleichzeitig ein Date haben", verwirrt aber auch glücklich blickte ich in Graces grünblauen Augen, welche nickte und dann geheimnissvoll sagte:" Zufall? Ich glaube nicht"
Wir lachten uns wieder kaputt, obwohl es nichts ernsthaftes zu lachen gab.
Den restlichen Nachmittag verbrachten wir damit über alles mögliche zu reden was uns gerade in den Sinn kam, und dass hatte fast ausschließlich mit Jungs zu tun.
Nach einigen Stunden musste Grace nach Hause. Nach einer weiteren Stunde würde mich mein Vater abholen um mich mit zu ihm zu nehmen.
Meine Eltern leben schon seit zwei Jahren getrennt. Das Gericht hat entschieden, ich solle während der Woche bei Dad und am Wochenende bei Mum sein, da Mum oft geschäftlich unterwegs war. Abgesehen davon bin ich lieber bei Dad.
Er versteht mich besser, stresst mich nicht wegen meiner Geigenkarriere und erlaubt mir mehr. Außerdem steht sein Haus näher an das von Grace.
Obwohl Dads Appartment viel kleiner ist als Mums großes Haus finde ich mein kleines Zimmer bei Dad schöner, dort fühlte ich mich geborgen und es waren "meine vier Wände".
Dad arbeitet als Architekt, früher habe ich es geliebt seine schnelle Hand zu beobachten, die geschmeidig und leise über das Blatt kratzt und langsam eine Skizze entsteht. Jetzt habe ich kaum mehr Zeit dafür.
Dad klingelte endlich an der Tür, er wirkte sichtlich nervös, da er Angst hatte Mum zu treffen. Mum war immer noch sauer auf ihn, den Grund der Scheidung weiß ich immer noch nicht und meine Eltern hatten auch nicht vor es mir zu sagen.
Ihr letztes Aufeinandertreffen hatte mit wütenden Worten Mums Seits und verzweifelten Seufzen Dads Seits geendet.
Mum war immer schon aufbrausender Natur gewesen während Dad normalerweise die Probleme mit beruhigender Ruhe anging.
Jedenfalls packte ich schnell das nötigste zusammen und hinterlies einen Zettel für Mum da sie ja immer noch unterwegs war:
Schöne Woche noch und erhol dich mal wieder von mir;)
Hab dich leib
Rachel
Nun öffnete ich die Tür und fiel Dad sogleich in die Arme. Sein beruhigender Duft nach billigem Männerdeo und Minzebonbons legte sich um mich und seine Hand streichelte sacht über meinen Kopf.
Ohne ein weiteres Wort hob er meine Tasche auf und bewegte sich zu seinem schwarzen kleinen Transporter.
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Der Straßenjunge, der behauptete mein Bruder zu sein
أدب المراهقين„Wer bist du?", fragte ich verwundert den Jungen mir gegenüber. Sein schmales, dreckiges Gesicht war übersät von kleinen Schrammen und ein paar Narben. Wäre seine ordentliche Kleidung nicht, hätte ich ihn für einen Straßenjungen gehalten. „Das wirs...