lost // hunhan

Part 9

Eine Woche später klingelt es an meinem neuen Haus, am Rande von Beijing. Es ist so ungewohnt, alleine zu leben, sich nicht auf jeden einzelnen Tag mit den anderen zu freuen. Ich habe tagelang nicht geduscht, meine Beine sehen aus, als wollte ich mit Big Foot Konkurrenz aufnehmen und von meinem Gesicht will ich gar nicht erst anfangen. Blut unterlaufene Augen, fettige und verwuschelte Haare und seit Tagen weder Make-Up, noch sonst irgendeine Creme. An den rötlichen Flecken und Punkten in meinem Gesicht erkennt man dies deutlich.
Mies gelaunt stapfe ich zur Tür und schleife meine Füße über das hellbraune Laminat, dann reiße ich die Tür auf. Und blicke gleich in Joons träge, braune Augen.
"So geht es nicht weiter, Lu", stellt er fest und mustert mich. Kein Hallo, kein Wie geht es dir?, nichts.
Naja, übel nehmen kann ich es ihm nicht. Man muss mich nur ansehen und weiß gleich, wie es mir geht.
"Was meinst du?", murre ich und kratze mit dem Fingernagel meines Zeigefingers an der blauen Holztür. Unverschämt drückt Joon sich an mir vorbei und klatscht ein Flugticket auf den Küchentisch, der übersät ist mit alten Joghurts, Pizza Kartons, Cola Dosen und Nudeln aus der Tüte, die ich aus dem Discounter ein paar Straßen von hier entfernt habe. Mittlerweile ist dieser Laden mein einziger und bester Freund, genau so wie der Kassierer, Nate. Er kennt mich schon, obwohl ich noch nicht so lange hier lebe.
Ich seufze und sehe Joon skeptisch an. "Was ist das?"
"Ein Flugticket für den Flug nach Vancouver, heute um acht", erzählt mir der Mann mit den emotionslosen Augen und verschränkt die Arme vor der Brust.
"Was soll ich ihn Vancouver?", frage ich vorsichtig, obwohl ich eigentlich schon genau weiß, worauf er hinaus will.
Er öffnet den Mund und bestätigt genau das, was ich schon befürchtet hatte. "Du fliegst zu Kris."