Kapitel 2

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Erst auf dem Nachhauseweg wurde Anthony so richtig bewusst was vor nicht einmal einer halben Stunde passiert war. Er hatte ein Seminar an einer Universität in Washington DC mit einem der berühmtesten Physiker der Welt gehalten.
Der Schock aller Studenten als sie bemerkt hatten das er wirklich so intelligent war belustigte ihn noch immer. Sie alle hatten dort gesessen und gedacht der Professor hätte alles einstudiert, doch spätestens ab Anthony´s Vortrag über die Quantenmechanik eines Teilchenbeschleunigers waren sie in Ernüchterung gefallen. Manche hatten sich gedemütigt gefühlt und den Saal verlassen. Anderen war es total egal gewesen wer den Vortrag hielt Hauptsache irgendjemand.
Und wieder andere waren Anthony total verfallen. Sie hatten an seinen Lippen geklebt und jedem Wort das er gesprochen oder Geschrieben hatte folge getan.
Anthony liebte dieses Gefühl. Diesen Menschen zu teigen das er hyperintelligent war gab ihm einen Kick. Er wollte das öfter haben. Deswegen hatte er auf dem Weg nach Hause schon bei der Nummer die auf der Visitenkarte angerufen und einen Termin für den nächsten Tag ausgemacht.
Er konnte noch kaum fassen das er sein Idol nicht erkannt hatte. Professor Ronald Hedgewig. Führender Kopf eines eigenständigen Instituts für angewandte Physik und wahrscheinlich einer der reichsten Männer Amerikas. So ein Fehler wäre wahrscheinlich normalen Menschen passiert. Menschen ohne ein eidetisches Gedächtnis. Anthony war sich zwar nicht sicher was es war, aber etwas war faul an der Sache das er ihn nicht erkannt hatte.
Oder es war einfach wieder die Paranoia.
Er bog in einen ruhigeren Teil Washingtons mit mehreren Einfamilienhäusern. Eine teure Wohngegend, doch für Anthony´s Eltern kein Problem. Ein Star-Chirurg und eine Business Managerin hatten müssten im theoretischen Sinne sogar mit Abstand mehr verdienen, als dieses Haus am Ende der Straße Wert war. Es hatte zwar 4 Stockwerke und einen Dachboden und Keller, aber es sah von aussen schon ein wenig hässlich aus. Der Rasen vor de mähst war ungepflegt und die Hecken wuchsen ungehindert. An der vorderen Hauswand rekelte sich Efeu die Wand entlang. Auf dem gepflasterten Mittelweg der zur Haustür führte wuchsen aus etlichen Rillen und Fugen jegliche Arten von Unkraut.
Man sollte meinen ein Ordnungsfreak und eine hoch angesehene Geschäftsfrau hätten ein wenig mehr Sorge um ihr Ansehen und die Ordentlichkeit. Doch bisher hatte sich seit mehreren Jahren nichts getan.
Anthony stieg die eine Stufe hoch und schloss die Tür auf. Der vertraute Geruch nach Minze und Desinfektionsmittel erfüllte seine sensible Nase. Der Anblick des Hauses von innen war ein starker Kontrast zu dem Bild was sich außen abzeichnete. Genauso unordentlich und verwildert wie es draußen aussah, war es drinnen Ordentlich und penibel sauber gehalten. Bereits in der kleinen Diele zeichnete sich dieses Bild ab. Die Jacken an einem Kleiderhaken nach Farbe und Größe geordnet. Auf mehreren Regalen Fotos mit einem exakten Abstand von 6,3 cm zueinander. Davon jeweils drei auf einem Regal und jedes stand in einem 30° Winkel damit man es nur sah wenn man hereinkam. Dazu mehreren Bücher auf Regalen. Alphabetisch und nach Größe geordnet.
Anscheinend hatte sein Vater wieder einmal zugeschlagen. Anthony ging in den von ihm genannten Warteraum. Hier mussten Gäste warten bis Anthony´s Vater sie auf alle Arten von Erkrankungen untersucht hatte.Von diesem gingen jeweils 3 Türen aus. Die linke führte in eine modern eingerichtete große Küche. Die in der Mitte führte in das Wohnzimmer von wo eine Terassentür in den Garten führte. Die rechte führte in das Gäste WC. Neben der Tür die in die Küche führte, war eine Treppe die in das nächste Stockwerk führte. Anthony ging hinauf und stand in einem Flur. Auf diesem Stockwerk waren vor allem verschieden Arbeitszimmer, Archive und ein Badezimmer. In eine Wand war ein Desinfektionsmittel-Spemder eingelassen. Das Werk seines Vaters.
Er ging an dem ersten Arbeitszimmer vorbei und schaute hinein. Es gehörte seiner Mutter und war bis auf einen Schreibtisch überfüllt mit Ordnern und diversen Topfpflanzen (Ein Fabel).
Das nächste, das seines Vaters, machte ein dagegen sehr Gegenteiliges Bild. Aufgeräumt, kein einziger Ordner nicht an seinem Platz und nicht einmal ein Staubkorn auf dem großen Schreibtisch. Auch das Archiv, gefüllt von Ordnern mit alten Patienten von Anthony´s Vater und Klienten seiner Mutter, die fein und Sauber geordnet in Regalen standen. Das Archiv war der einzige Raum im Haus ohne Fenster, da sein Vater meinte Sonnenstrahlen würden die Haltbarkeit von Kunststoff mindern und das Risiko der Bildung von Ebola- Viren erhöhen.
Schwachsinn.
Anthony ging die nächste Treppe hoch und landete im Stockwerk mit seinem Zimmer. Oder eher seinem Zimmer/Labor/Werkstatt. Es nahm fast das gesamte Stockwerk ein, mit der Ausnahme eines Zimmers. Das war gefüllt mit allem möglichen Ramsch aus den seine Eltern von ihren Weltreisen mitgebracht hatten.
Er warf seine Tasche in eine Ecke und fläzte sich in seinen Bürostuhl der vor seinem Schreibtisch in der hinteren Ecke des Stockwerks. Er klappte sein MacBook auf und scrollt auf dem Bildschirm auf seine Entwürfe.
Es waren Entwürfe für jede menge Kleinkram verglichen mit dem Entwurf von Professor Hedgewig´s Teilchenbeschleuniger. Zum Beispiel hatte Anthony angefangen einen Generator mit 3-Fächer Leistung eines Atomkraftwerks zu entwerfen, der mit erneuerbaren Ressourcen betrieben wurde.
Aber da ein Teilchenbeschleuniger das 1000-fache eines Atomkraftwerks leisten könnte, wurde seine Idee von Hedgewig´s im Keim erstickt. Und dabei war der Teilchenbeschleuniger nicht auf irgendeine Ressource angewiesen. Also grüner geht es nicht, dachte Anthony.
Er gab im Internet den Suchbegriff „Teilchenbeschleuniger“ ein und prompt erschienen Bilder von Professor Hedgewig und ein paar veröffentlichte Baupläne für ein Minimodell des Teilchenbeschleunigers.
Und da kam Anthony der Geistesblitz. Er druckte den Bauplan aus und ließ vor lauter Aufregung das MacBook geöffnet und entsperrt auf seinem Schreibtisch stehen. Er lief auf die andere Seite des Stockwerks und kramte in etlichen Kisten nach Bauteilen. Als er das meiste was er auf dem Bauplan stand gefunden hatte, ging er herüber zu einer großen Arbeitsplatte. Er breitete Kabel, Lötkolben, Rohre und mehrere verschieden große Metallplatten und Blöcke auf der Arbeitsplatte aus. Dann hängte er den Bauplan an das gegenüberliegende Whiteboard und begann die Berechnungen für die fehlenden Angaben um den Mini-Teilchenbeswchleuniger funktionstüchtig zu machen.

Nach nur einer Stunde hatte er es geschafft. Die Lösungen der Berechnungen standen vor ihm. Sie standen schwarz auf Weiß vor ihm. Er hatte tatsächlich ganz allein (Na gut mit ein wenig Hilfe) einen Teilchenbeschleuniger gebaut der eine unendliche Menge an Energie erzeugen und Teilchen auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigen konnte.
Die fehlenden Ressourcen um ihn zu testen hatte er aus der Schule mitgehen lassen. Er hatte freien Zugang zu allen Räumen, Archiven und Lagerräumen gehabt, und das manchmal für eigene Experimente genutzt. So wie auch dieses Mal hatte er im Schulgebäude eine Menge auf Vorrat mitgehen lassen.
Also aktivierte er den Beschleuniger. Zuerst lief alles glatt. Die elektrisch geladenen Teilchen beschleunigten sich gleichmäßig und blieben konstant. Die messbare Energie die freigesetzt wurde war enorm. Genug um einen Teil Washingtons zu versorgen. Anthony überkam ein großer Anflug von Hochmut und er drehte die Leistung weiter auf.
Doch wie jeder weiß kommt Hochmut vor dem Fall.
Ein kleines Rohr fing an sich zu lockern. Anthony hatte die Schraube die es fixierte nur halb herein geschraubt. Er war in Eile gewesen und war aufgeregt.
Das Rohr begann zu wackeln, und Anthony bemerkte es nicht einmal. Er stand nur da und beobachtete das Schauspiel vor seinen Augen. Er beobachtete die beiden Teilchen, oder eher, erahnte wo sie gerade waren, da sie bei Lichtgeschwindigkeit nicht zu sehen waren. Er wollte unbedingt wissen was passierte sobald sie kollidierten. Wie viel Energie freigesetzt würde. Er beobachtete den Beschleuniger und erhöhte weiter konstant die Leistung. Und dann kollidierten die Teilchen.
Und mit ihnen brach das Rohr.
Eine Schockwelle brach aus dem Beschleuniger und traf Anthony. Er flog mitten durch den riesigen Raum und landete unsanft auf dem Boden. Lichter flackerten während die Unmengen an freigesetzter Energie verflogen. Das einzige was noch bewies das der Beschleuniger funktioniert hatte, war das zerstörte Gerüst und die Tatsache, das Anthony´s Zimmer aussah als hätte eine Bombe eingeschlagen.
Was im Grunde auch passiert war.
Er setzte sich auf und rieb sich den Hinterkopf. Was hatte er bloß getan. Die Energie war zwar sauber, aber die Folgen einer solchen Explosion am ungeschützten Menschen waren nicht ergründet.
Dann hörte er die Haustür zuschlagen.
„Anthony! Wir sind wieder da!“
Es war die Stimme seiner Mutter. Sie waren zu früh. Anthony geriet in Panik. Er schnappte sich eine Decke und warf sie über den qualmenden Beschleuniger. Als ihm auffiel das das keine gute Idee war nahm er die Decke wieder weg. Sie war bereits angesengt. Er schnappte sich den Beschleuniger und warf ihn in den Raum mit all dem Ramsch seiner Eltern.
Er hörte seine Mutter die erste Treppe hinaufsteigen.
„Wie war das Seminar?“
„Sehr interessant!“, schrie Anthony die Treppe hinunter. Sein Zimmer sah immer noch aus als hätte ein Tornado es verwüstet. Er behob die gröbsten Schäden in Windeseile und wischte die Berechnungen von seinem Whiteboard. Kurz nachdem er sein Zimmer halbwegs vorzeigbar gemacht hatte, warf er sich auf sein Bett. Ein paar Sekunden später erschien der graue Haarschopf seiner erst 35 jährigem Mutter. Sie hatte blaue Augen und einen kleinen Mund mit schmalen Lippen. Sie kleidete sich jeden Tag im Business-Woman style, mit Jackett und Hose. Dazu hatte sie das Laufen auf High Heels perfektioniert. Als sie Anthony sah runzelte sie die Stirn.
„Seit wann liegst du vor dem Schlafen in deinem Bett?“
Das hatte er nicht bedacht. Normalerweise lag er nie auf beziehungsweise in seinem Bett außer um zu schlafen.
Weshalb er sich plötzlich schon nach wenigen Sekunden mit seiner Mutter in einem Raum schuldig fühlte.
„Ähm… Veränderungen einzuführen fördert die Kreativität eines heranwachsenden und steigert seine Konzentrationsfähigkeit. Ich dachte mir ich überprüfe diese These.“
Erst dachte er seine Mutter würde ihm nicht glauben, weil sie den skeptischen Blick einige Augenblicke lang nicht senkte. Anthony unterdrückte  ein zu lautes Schlucken.
Dann änderte sie aber doch ihre Art ihn anzusehen und Anthony fiel ein Stein vom Herzen.
Doch plötzlich erblickte sie das MacBook und die immer noch geöffnete Internetseite.
„Was willst du denn mit den Bauplänen für einen Teilchenbeschleuniger?“, fragte sie erneut mit dem skeptischen Blick. Anthony versuchte Auszuweichen.
„Ich habe mit einem der führenden Köpfe der Wissenschaft einen Termin zur Beratung einer Karriere in seinem Institut vereinbart und wollte vorher klarstellen, ob sich sein Erfolg nicht auf falschen Tatsachen stützt.“
Schweigen. Für einen unfassbar langen Augenblick dachte Anthony er hätte etwas auf dem Whiteboard übersehen, doch dann wandte sie sich wieder der Treppe zu und hatte ein paar letzte mahnende Worte an Anthony.
„Das freut mich wirklich für dich Tony, aber wir hatten doch gesagt das du Termine mit uns besprichst.“
Dann stieg sie die Treppe hinunter und Anthony atmete erleichtert auf.

Anthony Finch - Der Beginn einer ÄraWhere stories live. Discover now