Kapitel 4

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Zuhause angekommen schloss er die Tür auf und trat ein. Seine Mutter stand mit dem Telefon und seinem Handy in den Händen direkt neben seinem Vater. Und sie beiden standen mitten im Warteraum. Das kochen der Platte hatte aufgehört und nun war es totenstill, während seine Eltern Anthony wütend und besorgt anschauten, und er bloß designiert zu Boden schaute. Jetzt begann sein Vater mit dem Fuß zu wippen.
Nie ein gutes Zeichen.
„Wo warst du wenn ich fragen darf?“, meldete sich Anthony´s Mutter zu Wort. Daraufhin wurde Anthony bewusst was aus dieser Situation für Problem entstehen konnten. Wenn er ihnen sagte er wäre Meilenweit durch den Wald gerannt und hätte einen ausgewachsenen Wolf verarztet würden sie ihn entweder fragen ob er Halluzinieren würde, oder warum er spät abends durch den Wald rannte. Danach würde eins zum anderen führen und alles was an diesem Tag schon passiert war würde ans Licht kommen.
Also doch lieber lügen.
„Ich war in der Stadt. Habe Besorgungen für Morgen gemacht. Hab sie fürs erste in die Garage gebracht. Ich hoffe das macht nicht zu viele Umstände.“
Sein Vater schaute ihn bloß unverständlich an.
„Und du glaubst wir würden nicht hören wenn das automatische Garagentor das ich seit Jahren reparieren sollte und nicht getan habe…“, Er schaute verlegen zu seiner Frau herüber und riss sich wieder zusammen.
„… Das Garagentor das immer wieder stoppt und knackt und die halbe Nachbarschaft aufweckt wenn ich zur Arbeit fahre, sich öffnet und wieder schließt?“
Jetzt lag ein gewisser Druck auf Anthony. Was tun? Was sagen? Alles was er tun konnte um die Situation zu entschärfen war lügen, weil die Variante wo er erzählte das in diesem Haus ein Teilchenbeschleuniger explodiert war doch sehr kontraproduktiv war.
Also ein zweiter Versuch.
„Ich bin ja auch nicht voll beladen mit Einkaufswagen hier angerauscht. Ich hab ein paar Einzelteile besorgt und sie auf den Werkzeugtisch gelegt. Ich hab die Seitentür genommen.“
„Und warum kommst du dann durch die Vordertür?“
Diesmal war es seine Mutter die ihm nicht glaubte. Er musste schon zugeben das beides sehr gute Fragen waren, die einen Einbrecher definitiv überfordert hätten, aber Anthony war nicht so minderintelligent sich so leicht überführen zu lassen.
„Ich wusste ja das ich zu spät bin und habe mich aufgrund dessen dazu entschieden lieber auf Gewohnte Weise einzutreten. Eine Studie hat bewiesen das Menschen die sich Sorgen machen, eher durch Alltagsrituale beruhigt werden als durch das Gegenteil davon.“
Seine Eltern wechselten vielsagende Blicke und schauten dann wieder zu Anthony.
„Und wie kommst du dazu dein Handy hier zu lassen ohne das du sonst nie die Wohnung verlässt? Das muss ja ziemlich kurzfristig gewesen sein, dein Entschluss dich nochmal auf den Weg zu machen.“
„Wir können ja gerne in die Garage gehen und, meine Behauptung beweisen.“, erwidert Anthony. Er bedeutete seinen Eltern in die Garage zu gehen und sie taten es. Anthony ging vor und schloss die Tür zur Garage auf. Als er eintrat knipste er das Licht an und ging zu einem kleinen Werkzeugtisch in der Ecke der Garage herüber. Am Chevrolet Corvette seines Vaters und am Porsche 911 seiner Mutter vorbei und immer darauf achtend die Wagen nicht zu streifen. Seine Eltern waren vernarrt in ihre Autos, sodass sie jedem der ihren Lack auch nur anhauchte die Augen ausdrückten. Am Werkzeugtisch zeigte Anthony auf ein paar Einzelteile eines Motors. Da weder seine Mutter, noch sein Vater Technisch versiert waren, hoffte er sie würden nicht bemerken das es die gleichen Teile wie seit 2 Jahren waren.
Sein Plan ging auf. Sein Vater stellte sich neben ihn und legte den Arm um ihn.
„Dieses Mal hast du noch Glück gehabt, aber nächstes Mal passiert so etwas nicht. Botschaft verstanden?“
„Klar und deutlich.“
„Na dann isst du jetzt erstmal was. Es ist zwar schon kalt, daran bist du aber selbst schuld.“, meldete sich seine Mutter bereits von der Tür ins Haus.
„Wir haben auch eine Mikrowelle. Du kennst das Prinzip dahinter oder?“, erwiderte Anthony.
„Jetzt nicht frech werden.“


Eine knappe Stunde später setzte sich Anthony in den Sessel im Wohnzimmer und betrachtete die langsam verschwindende Sonne durch dir große gläserne Terassentür. Er dachte unentwegt an den Wolf und entschloss sich ihn Earl zu nennen. Wie in Earl Grey.
Also hatte er einem wilden Tier bereits einen Namen gegeben. Was für ein verrückter Tag das doch gewesen war. Er dachte auch daran wie er Earl weiter helfen sollte. Eins war nun einmal sicher. Ohne Anthony´s Hilfe würde Earl entweder verhungern, oder an einer Infektion der Wunde sterben. Es kam nur darauf an was schneller eintrat. Er musste ihm irgendwie Fleisch in den Wald bringen, ohne zu viel aufsehen zu erregen.
Aber wie viel fraß ein ausgewachsener Wolf bloß?
Darauf wusste er keine Antwort. Aber das Internet bestimmt. Also stieg er aus dem tiefen Sessel und stieg die zwei Stockwerke bis in seines hinauf. Seine Mutter saß in ihrem Arbeitszimmer und machte sich an die Berechnungen neuer Prognosen und sein Vater starrte weiter aus dem Fenster und überlegte was mit dem Buchsbaum zu tun war.
Er war niemals zu gestresst.
Oben angekommen setzte er sich an das MacBook und suchte nach Antworten auf eine Menge Fragen.
Anscheinend fraß ein Wolf am Tag mehr als 1 Kilogramm Fleisch. Diese Menge zu beschaffen war mehr als kompliziert. Entweder aus dem Haus, frisch vom Metzger oder direkt selber jagen.
Das letzte wohl eher doch nicht.
Dann suchte er danach wie lange ein Wolf ohne ein Rudel überlebte. Dabei versuchte er die Stelle mit „verletzt“ nicht zu beachten, da sie bei weniger als 2 Monaten lag. Doch die anderen Spalten der Tabelle waren sehr aufmunternd. Bei erfolgreicher Ersthilfe konnte ein Wolf sich vollständig von jeder Verletzung erholen und sich in eine Gruppe einordnen. Das gab Anthony Hoffnung für Earl.
Er konnte es zwar nicht erklären, was äußerst selten vorkam, doch er hatte Earl in sein Herz geschlossen. Jemandem das Leben zu retten, und sei es auch ein Tier, schweißte zusammen. Also beschloss Anthony Earl zu versorgen bis es ihm wieder besser ging.
Doch dann fiel ihm ein, dass er am nächsten Morgen schon verplant war. Er hatte den Besuch im Institut bei all dem Stress total vergessen. Also musste ein Plan her.
Der Zug nach New York City, wo das Institut seinen Hauptsitz hatte, fuhr um 12:30 am Bahnhof in Washington ab. Also hatte Anthony theoretisch gesehen mehr als genug Zeit um Fleisch zu besorgen, es an Earl zu verfüttern, seine Wunde neu zu nähen und zu versorgen und um den Zug rechtzeitig zu erwischen. Normalerweise ja kein Problem, aber was machte er  wenn jemand fragte warum er am frühen Morgen mit 3 Kilo Fleisch durch die Gegend lief, oder sogar noch mehr wenn der Metzger etwas auf Vorrat hatte.
Dafür musste eine Lösung am Morgen her. Anthony konnte sich wegen des ganzen Adrenalins nicht richtig konzentrieren. Er schaute auf die kleine Tür in der Ecke seines Stockwerks. Der Teilchenbeschleuniger war immer noch darin versteckt. Es wäre wahrscheinlich eine gute Idee gewesen ihn auseinander zu nehmen, doch Anthony bekam keine guten Ideen mehr. Das einzige woran er dachte war Earl und die Nadel und der Faden, die aus dem Nichts aufgetaucht waren. Er versuchte Theorien aufzustellen wie das möglich war, doch ihm fiel rein gar nichts produktives mehr ein. Also gab es nur noch eine Lösung. Schlafen und hoffen der nächste Tag würde Nicht so beschissen.

Anthony Finch - Der Beginn einer ÄraWhere stories live. Discover now