Kapitel 15

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Als er erwachte, durchzog seinen Kopf sofort wieder dieser dumpfe, pochende Schmerz.

Während er sich aufsetzte um sein Umfeld zu sondieren rieb er sich die große Beule am Hinterkopf. Wer auch immer ihm die zugefügt hatte, musste einen ganz schön harten Schlag haben. Es gehörte schon einiges dazu jemanden auszuknocken.

Er saß auf einem Kinderbett. Die Decke und das Kissen waren mit Rennauto-Bettwäsche bezogen und das Zimmer war eingerichtet als würde ein Junge im Alter von 9 Jahren darin leben. Im Regal , das dem Bett vor Kopf stand, lagen mehrere Brettspiele wie Mensch-ärgere-dich-nicht oder Cluedo.

Anthony liebte Cluedo. Er gewann immer.

Links vom Bett stand eine Kommode und auf der Kommode ein Fernseher. Rechts von der Kommode war ein Wandschrank. Er stand zur Hälfte offen und Klamotten quollen durch den Spalt nach draußen.
Im generellen war das Zimmer nicht sehr ordentlich. Ein Jungenzimmer halt.
An jeder Wand hing ein Poster von Videospielen bis zu Filmplakaten an der mit World of Warcraft Tapete tapezierten Wand.
Der Junge war anscheinend ein Fan von Viedeospielen.
Anthony war dessen auch nicht abgeneigt. Er mochte es sich in diese offene und anonymen Welten zurückzuziehen. Fern ab von jeder Pflicht und Verantwortung. Dort konnte ihn niemand belangen. Dort war ein Ort, wo nicht tausende Sinneseindrücke auf ihn einprasselten und er sich konzentrieren konnte.
Jedoch verlor er sich auch oft in diesen Welten. Sie waren für Menschen wie ihn einfach zu verlockend. Sie zogen Hyperintelligenz und das damit verbundene Außenseitertum magisch an.
Anthony besann sich wieder auf seine Situation.
Rechts vom Bett stand noch eine Kommode und links von dieser war eine Tür. Noch neben der Tür stand ein Schreibtisch auf dem mehrere Mappen, Ordner und Blätter verteilt lagen. An der Pinnwand über dem Schreibtisch hingen Blaupausen. Von was konnte Anthony nicht erkennen, jedoch machten ihm die Blaupausen klar, dass er es mit einem sehr intelligenten Jungen zu tun hatte. Vielleicht nicht hochbegabt, aber sehr intelligent.
Durch ein Fenster neben dem Schreibtisch schien die Sonne auf einen Flohkati der auf dem Boden vor dem Bett lag.
Das Fenster war die einzige Lichtquelle, da die Lampe die über dem Bett hing nicht eingeschaltet war.
Und bei alledem vergaß Anthony doch glatt die eine Frage die sich seit seinem Erwachen in seinem Hinterkopf befanden hatte.
Wie war er her gelangt?
Er stand aus dem Bett auf, sah in den Mannshohen Spiegel neben sich und bemerkte das seine Sachen gewechselt worden waren. Er trug nicht mehr Mantel, Hemd und Jeans, sondern eine Jogginghose und ein T-Shirt mit der Aufschrift „Knall mich, ich bin ein verzauberter Böller“.
„Gar nicht witzig. Überhaupt nicht witzig“, murmelte Anthony zu sich selbst. Da er sich im Zimmer eines 9 jährigen befand, ließ er alle Hoffnung fahren, dass er vielleicht etwas anderes zum anziehen finden würde.
Er ging um das Bett herum und sah sich den Schreibtisch genauer an. Die Blaupausen die an der Pinnwand hingen waren für ein Seifenkiste. Und die Ordner und Blätter auf dem Tisch waren voll mit allem was es zum Thema Seifenkiste zu wissen gab.
Anscheinend mochte da jemand Seifenkisten. Seifenkisten und Videospiele.
Anthony öffnete die Tür und trat aus dem Zimmer. Er stand am Ende eines Flurs, im 1. Stock eines Einfamilienhauses. Der Flur setzte sich nach rechts fort und endete an einer Wendeltreppe aus Holz. Auf dem Weg dorthin gab es auf der linken Seite noch 3 weitere Türen und 2 weitere auf der rechten.
Anthony trat auf den Flur und ging von Tür zu Tür. Er hatte den Anstand nicht einfach die Türen zu öffnen, weswegen er nur sein Ohr dranhielt und horchte. Hinter Tür 1 auf der linken Seite war es totenstill. Nicht ein mucks war zu hören.
Also ging er weiter zu Tür Nummer 2 auf der rechten Seite. Wieder hielt er sein Ohr daran und hielt den Atem an. Hinter dieser Tür schien jemand zu schnarchen.
Nachdem die Grundfesten des Hauses durch ein Markerschütterndes Schnarchen erschüttert wurden, war er sich sicher, das erste Schlafzimmer entdeckt zu haben.
Während Anthony sich zur nächsten Tür, der zweiten auf der linken Seite, aufmachte, bemerkte er das der Flur nur von einem einzelnen Fenster hinter ihm erleuchtet wurde. Schwache Sonnenstrahlen drangen hindurch und warfen immer gespenstischere Schatten an die Wände, je weiter diese vom Fenster entfernt waren.Weiteres Licht drang nur aus einer Tür am Ende des Flures. Anthony erschrak fast vor seinem eigenen Schatten.
Später würde er bemerken das es nicht unbegründet wäre.
Er horchte an dieser Tür und hörte dahinter nur Stille. Er nahm seinen Mut zusammen und öffnete die Tür. Dahinter befand sich ein sauberes und schönes Badezimmer. Eine Toilette, eine Dusche, zwei Waschbecken mit insgesamt 5 Zahnbürsten und eine Badewanne. Die Wände mit weißen Fliesen dekoriert und der Boden aus schwarzem Marmor.
Kostspielig.
Er schloss die Tür und machte sich weiter daran seine Umgebung in Augenschein zu nehmen. Da es 5 Zahnbürsten gab, und er erst eine Person ausgemacht hatte, mussten schlussweigerlich mindestens 4 weiter Personen zu finden sein.
Mehr oder weniger.
Während er den Flur überquerte dachte Anthony endlich wieder einmal nach. Der pochende Schmerz hatte sein Gehirn irgendwie blockiert. Es hatte gedauert bis er wieder nachdenken konnte. Die erste Frage die er sich stellte war: Wo war er?
Dann: Wie kam er her?
Und als letztes: Wer hatte ihn umgezogen?
Natürlich waren da noch mehr Fragen, aber er entschloss zuerst diese drei zu beantworten.
Er kam vor der letzten Tür auf der rechten Seite zum stehen. Sie war nicht nur nicht geschlossen, sie stand sogar sperrangelweit auf. Anthony versteckte ich hinter dem Türrahmen und sah vorsichtig in den Raum hinein. Darin stand Hedgewig. Den Rücken zur Tür gerichtet, und den Blick auf die Pergamentrolle geheftet, die auf einem Eichenholztisch ausgebreitet war. Neben ihm stand ein Anthony unbekannter Mann. Hochgewachsen und muskulös. Soweit Anthony das beurteilen konnte war es nicht Leonardo „Revolverheld“ di Ancelotti.
Also ein weiteres unbekanntes Individuum.
Außer dem Tisch und mehreren Stühlen die um ihn herum standen, war der Raum komplett leer. An der rechten Wand gab es noch einen Kamin, jedoch schien das die einzige Zierde zu sein, die Hedgewig sich erlaubte. Auf Kamine schien er zu stehen.
Anthony schlich schnell und leise an der geöffneten Tür vorbei. Er ging zur letzten Tür die noch im 1. Stock lag. Sie war geschlossen, weswegen Anthony umgehend an ihr horchte, die Augen auf der Tür zum Raum, in dem Hedgewig war.
Er konnte die beiden Männer nicht reden hören, was ihn darauf hoffen ließ, dass sie sehr vertieft in die Entschlüsselung der Schriftrolle waren.
Hinter der Tür war nichts zu hören. Entweder waren dahinter 2 Männer die sich genauso wenig unterhielten wie Hedgewig und der unbekannte, oder er war leer.
Neugierde. Diese elende Neugierde, dachte sich Anthony.
Er legte eine Hand an den Türknauf und drehte.
Abgeschlossen.
Enttäuscht nahm Anthony die Hand vom Knauf und verfluchte in Gedanken den Mann, der das Türschloss erfunden hatte. Während er sich daran machte die hölzerne, wunderschön verzierte Wendeltreppe zu überwinden, ohne das die Stufen knarrten und ein Geräusch erzeugten als würde man ein Walross foltern, hörte er Schritte hinter sich. Hedgewig und der Unbekannte waren anscheinend fertig mit stehen und schweigen.
Ohne über die Konsequenzen nachzudenken nahm Anthony 3 Stufen auf einmal und war binnen Sekunden am Fuß der Treppe. Die Treppe schien dabei fast zu schreien. Vor ihm nun das Wohnzimmer, mit Sofa, Sessel Kamin und Fernseher.
Und all diese Dinge waren in Betrieb.
Auf dem Sofa lag Leonardo. Die Beine über die Armlehne ragend und in das Kissen auf dem sein Kopf lag sabbernd schlief er dort.
Im Sessel saß ein weiterer Unbekannter. Er war alt. Das machte Anthony am grauen Bart und dem fehlenden Haupthaar fest. Die Augen geschlossen döste der Mann im Sessel so vor sich hin. Die Rückenlehne nach hinten geklappt, sah der Sessel sogar ganz gemütlich aus.
„Konzentration!“, ermahnte Anthony sich selbst.
Langsam kehrten ihm verwehrte Informationen zurück. Er erinnerte sich wieder an die Tür im Institut, die unendliche Dunkelheit, den Keller, den Ritter, den Schlag auf den Kopf.
Und an das Buch. Er tastete hektisch seine Jogginghose ab, jedoch war dort wie erwartet kein Buch in den Taschen.
Schnell vergaß er seine Neugierde und rannte zwischen dem Sofa und dem Sessel hindurch direkt auf die Diele zu. Hinter sich hörte er Hedgewig und den Unbekannten die Treppe herunter stampfen.
Das schlimme knirschen ließen sie völlig außer acht. Es tat Anthony jedoch mächtig in den Ohren weh. Als ob jemand sein Trommelfell mit einem stumpfen Gegenstand rammen würde.
Als er die Diele durchquert hatte und auf die Haustür zusteuerte hielt er sich die Ohren zu. Sein überempfindliches Gehör war mehr Bürde als Segen.
Da er sich ohne Hände nicht abfangen konnte rannte er direkt vor die Tür und stieß sich das Knie am Türrahmen.
Als er über die Schulter schaute, sah er Hedgewig direkt in die Augen. Hedgewig sichtlich überrascht, und Anthony den Mittelfinger zeigend standen sie kurz da, und dann legte Anthony eine Hand auf den Türknauf und drehte. Als die Tür sich öffnete kam Anthony weder Sonnenschein noch Wind entgegen.
Hinter der Tür war eine massive Wand.
Irgendwie fühlte Anthony sich aus unerfindlichen Gründen ein wenig als würde ihm jemand schlecht zuspielen.
Sehr schlecht zuspielen.

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⏰ Last updated: Nov 04, 2017 ⏰

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Anthony Finch - Der Beginn einer ÄraWhere stories live. Discover now