Kapitel 7

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Alles in allem war das zwar alles sehr verstörend, aber auch zu surreal als das Antony sich von seinem Vorhaben abbringen ließ. Er sammelte eine der Scherben vom Boden auf und streichelte Earl über den Kopf.
Es war als hätten die beiden eine unerklärliche Verbindung. Der Wolf hatte aber sichtbare Spuren vom Kampf davongetragen. Die Wunde an seiner Flanke war wieder aufgerissen und mehrere Schnittwunden hatten sich dazu gesellt. Also ging Anthony zurück zu dem Umgestürzten Baumstamm und suchte ihn nach der Tasche mit dem Nähzeug und den Antibiotika ab. Er fand seine Umhängetasche unversehrt auf der anderen Seite des Baumstamms. Was man von der Plastiktüte mit de übrigen Fleisch nicht gerade behaupten konnte. Der Baum war direkt darauf gefallen.
Anthony ging zu Earl, der sich wieder auf de nBoden gelegt hatte als wäre nichts passiert und seine Wunden leckte. Anthony packte das Nähzeug aus und fädelte Faden durch die Nadel. Dann begann er erneut die Wunde zu nähen. Mit sterilem und nicht aus dem Nichts entstandenem Nähzeug. Er nähte die Wunde mit 9 Stichen und schnitt den Rest des Fadens mit seinem Messer ab. An dessen Klinge klebte noch immer ein wenig der Materie. Sie waberte wie sie es auf der Oberfläche des Golems getan hatte.
Anthony entschied sich sie nicht von der Klinge zu kratzen und zu zerstören, sondern sie einfach mit der Klinge einzuklappen und sie mitzunehmen. Es war der letzte Rest der aktiven Materie. Er musste unbedingt herausfinden was es war.
Als nächstes schnappte er sich die Fläschchen Penicillin und eine Spritze.
„Das könnte ein wenig piksen.“
Aber Earl war zu beschäftigt damit den Blick in den Wald schweifen zu lassen. Also machte Anthony kurzen Prozess und versenkte die Spritze in seinem rechten Hinterbein. Earl machte Anstalten aufzustehen, blieb dann aber doch vor Erschöpfung liegen. Als Anthony die Fläschchen wieder eingepackt hatte erhob er sich und betrachtete noch einmal die Verwüstung die der Kampf verursacht hatte. Unzählige Bäume waren entwurzelt worden und der Boden war übersät mit den tiefen Fußabdrücken des Golems. Überall lagen die Glasartigen Überreste des einst so riesigen Wesens verstreut. Anthony wusste zwar nicht wieso, aber der Sieg war für ihn ein eher zweitrangiges Erlebnis. Vielmehr freute er sich etwas entdeckt zu haben was er nicht kannte.
Es gab sonst auf dieser Welt nichts was er nicht schon einmal gesehen hatte oder davon gehört hatte. Aber dieser Golem aus undefinierbarer Materie war einzigartig. Er war Anthony absolut unbekannt. Das stachelte ihn nur umso mehr an es niemandem zu erzählen.
Schon die zweite Sache die er noch keinem Erzählt hatte an diesem Morgen. Ein Ereignis reihte sich in diesen zwei Tagen an das andere.
Als er auf seine Uhr sah, erstarrte Anthony. 12:00 Uhr. Jetzt war sprinten angesagt.

Am Bahnhof angekommen war es 12:34 Uhr. Anthony gab trotzdem die Hoffnung nicht auf und rannte auf sein Gleis zu. Er hörte wie sich Türen eines Zuges schlossen und beschleunigte. Die Energie die er hatte war immer noch nicht ansatzweise gesunken. Vielmehr war sie angestiegen. Also kam er trotz seiner Verspätung auf dem Gleis an und stemmte seinen Fuß zwischen die automatischen Türen des Zuges. Diese glitten auf und Anthony machte es sich auf einem der vielen Sitzplätze bequem. Was er bloß für ein Glück gehabt hatte das der Zug Verspätung gehabt hatte. Er setzte sich aufrecht hin und zog sein Handy aus der Tasche. Der Zug begann seine Fahrt. Er suchte den Chat mit seiner Mutter und schickte ihr das Foto mit dem Einbrecher drauf.
Darunter schrieb er:
Dieser Mann ist heute Morgen in das Archiv eingebrochen. Hab ihn bis zur Kreuzung verfolgt, wo er dann diese Hauswand erklommen hat. Ich kann mir nicht erklären wie er das geschafft hat.
Hoffe ihr habt einen angenehmen Tag.
MfG Anthony

Zufrieden steckte er das Handy wieder ein und zog sein MacBook aus der Tasche. Es hatte wie durch ein Wunder den kompletten Tag unbeschadet überstanden. Also schaltete er es ein und suchte nach „Flüssige/Feste Materie – Wo zu finden?“.
Wie erwartet fand er keine Produktiven Einträge und gab den Versuch auf. Er steckte das MacBook auch wieder in die Tasche und machte es sich auf seinem Sitz bequem. Von Washington nach New York war es eine knapp 2 Stündige Fahrt, weswegen er versuchte ein wenig Schlaf nachzuholen.
Da die Energie dies aber nicht zuließ, starrte er bloß aus dem Fenster und sah die Landschaft  an sich vorbeiziehen.
Nach knapp 2 Stunden und 45Minuten hielt der Zug und die Durchsage ließ verlauten, dass sie jetzt in New York waren. Anthony stand auf, schulterte seine Tasche und stieg aus. Schon auf dem Steg herrschte ein reger Betrieb. Die Menschen liefen auf und ab und waren entweder in Eile, was die langsamen, nicht gestressten Menschen störte, während diese, die Menschen in Eile störten. Anthony versuchte sich einfach ohne auf große Höflichkeit zu achten einen Weg zu bahnen. Er verließ den pompösen Bahnhof und trat auf die Straßen New Yorks.
Er bemerkte sofort das er in New York war. Er hätte es auch bemerkt wenn man ihm nur die Straßen gezeigt hätte oder an der Luft hätte riechen lassen. Der Geruch New Yorks war nicht zu fälschen. Der Geruch nach Abgasen und zerstörten Träumen. Und die Straßen waren so überfordert mit dem Verkehr, das man vom Bahnhof aus eine 30 Minütige Fahrt auf sich nehmen musste, um sich eine Straße weiter einen Kaffee zu holen.
Für Anthony, den strukturierten, in hohem Maße sehr für alle Sinne empfänglichen Jungen, ein Horror sondergleichen. Hätte er nicht unbedingt ins Institut gewollt, wäre er niemals nach New York gefahren.
Da es aber jetzt nun einmal so war fand er sich mit der ständigen Belastung seiner Sinne ab und ignorierte all die Gespräche und die anderen Geräusche um sich herum. Er hatte einen nur 15 Minuten langen Weg vor sich um zu dem Prunkvollen Wolkenkratzer zu gelangen. Er hob sich von allen umliegenden Gebäuden ab, da er einzigartig konstruiert war. Er sah aus als hätte jemand mehrere überdimensionierte Bauklötze genommen und sie sinnlos übereinander gestapelt. Manche Teile des Gebäudes hingen über gähnender Leere, während andere Teile viel kleiner waren als der Teil über ihnen, sodass es aussah, als ob sie jeden Moment weg brechen müssten.
Als Anthony die Prunkvolle Eingangshalle betrat, war ihm bereits bewusst wo er war. Mehrere Empfangsdamen arbeiteten an 3 Schaltern, und an jedem herrschte geschäftiger Betrieb. Wenn nicht gerade ein Wissenschaftler in weißem Kittel seinen Ausweis vorzeigte und den Schalter passierte, dann standen mehrere Männer in Anzügen und mit Aktenkoffern bei den Empfangsdamen, die jeden mit einem lächeln empfingen.
Anthony ging zu einem der Schalter und meldete sich an.
„Anthony Finch. Ich habe einen Termin um 15:35 Uhr bei Professor Hedgewig.“
Die Empfangsdame lächelte Anthony mit ihren strahlend weißen Zähnen an. Sie tippte auf ihrer Tastatur herum, sah auf den Bildschirm ihres Mac und strahlte dann wieder Anthony an.
„Anthony Finch. Termin um 15:35 für eine Besichtigung des Gebäudekomplexes mit Professor Hedgewig. Da haben wir es ja. Viel Spaß und ich hoffe es wird ein Informativer Rundgang.“
Sie drückte auf einen Knopf an der Unterseite ihres Tisches und das Gate neben ihr glitt leise und dezent nach Innen auf. Anthony lächelte sie noch einmal freundlich an.
„Danke sehr.“
Dann huschte er durch das Gate, dass sich nur Sekundenbruchteile danach schnell und leise wieder schloss.
Hinter dem Gate sah alles noch Prunkvoller aus. Der Boden war aus feinstem Marmor und die hohen Decken waren durch Säulen gestützt, die wiederum mit feinen Gravuren verziert waren. Menschenmengen aus mehreren Professoren und Studenten zusammengewürfelt drängten sich durch Türen und Flure die endlos zu sein schienen. Wenn Anthony nicht gewusst hätte das das Areal begrenzt war, hätte er gedacht das es endlos so weitergehen würde.
Nach wenigen Schritten in die Halle hinein hörte er schon eine vertraute Stimme. Sie war tief und weich. Professor Hedgewig schritt durch die Menge die sich wie das Meer vor Moses vor ihm teilte und hinter ihm wieder zusammenfloss. Niemand berührte ihn auch nur ansatzweise. Er kam direkt auf Anthony zu.
„Anthony mein Junge. Wie schön es ist sie wiederzusehen. Wie geht es ihnen?“
Der Professor ergriff Anthony´s Hand und begrüßte ihn mit einem beherzten Händedruck. Er lächelte bis auf den Bruchteil einer Sekunde unentwegt. Anthony war das Flackern in dem herzhaften Lächeln nicht entgangen. Paranoia konnte auch hilfreich sein.
Aber er erwiderte das Lächeln.
„Ausgezeichnet Sir. Die Anreise war wie wiedererwartend Reibungslos und dieses prunkvolle Gemäuer macht auch die Belastungen der Außenwelt um einiges wieder wett. Ich hoffe der Führung steht nichts im Wege.“
Typische Höflichkeitsfloskeln wenn man bedenkt wie kompliziert die Anreise dann geworden war. Hedgewig war dennoch nicht von seinem Kurs abgekommen.
„Bitte Anthony nenn mich Reginald.“
Reginald? Anthony sollte ihn beim Vornamen ansprechen. Es war schon eine Ehre diesen überhaupt zu kennen. Der Vorname von Professor Hedgewig wurde aus unerfindlichen Gründen bisher noch nie der Presse preisgegeben. Es hatte nur Gerüchte gegeben wie der Professor wohl heißen könnte, doch bewiesen werden konnte nie eines davon. Und jetzt, nach gerade einmal knapp 2 Tagen kannte Anthony diesen Sagenumwobenen Namen und sollte ihn damit beim Namen nennen.
Ganz schön riskant.
„Okay. Reginald also. Ein Punkt weniger auf der Liste mit Dingen die ich nicht weiß.“
Es sollte nicht arrogant klingen. Anthony sagte nur meist was ihm zuerst durch den Kopf ging.
„Ausgezeichnete Einstellung. Also dann. Wollen wir?“
Er machte eine einladende Geste in Richtung eines Flures in der hintersten Ecke der Halle. Nur wenige Menschen strömten dort hindurch. Anthony machte dieselbe.
„Bitte nach ihnen.“
Reginald bedankte sich mit einer Verbeugung, lachte herzlich und ging voran. Die Menge teilte sich wieder und schloss sich erst wieder hinter Anthony. Es war ein wenig wie Magie.

Anthony Finch - Der Beginn einer ÄraWhere stories live. Discover now