Kapitel 8

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Während sie nebeneinander durch den glamourösen Korridor schritten fing Hedgewig an über die Infrastruktur des Gebäudes zu reden.
„Als ich das Gebäude vor 10 Jahren in Auftrag gab hätte ich niemals gedacht, dass es so schnell fertig gestellt sein würde. Vor allem wegen meiner abwegigen Ideen zur Konstruktion. Wissen sie Anthony, ich hatte mich nie wirklich den ordinären Methoden der anderen  Menschen anpassen wollen….“, er sah zu Anthony und lächelte ihn an.
„… Ich hatte, so wie sie, in der Schulzeit bereits ein ausgeprägtes Verständnis für allerlei Dinge. Ich hatte immer eine andere Ansicht gehabt.“
Er bog links um eine Ecke und Anthony folgte.
„Meine Primäre Devise war Effizienz gewesen. Ich hatte nur so gearbeitet, dass es seinen Zweck erfüllte. Oder besser, ich wurde dazu angehalten es so zu machen. Meine Eltern hatten wenig Verständnis für mein Genie gehabt. Meine Mutter, Gott hab sie selig, war nicht gerade das gewesen was man eine Unterstützung nennt. Sie hatte ständig meine Ideen untergraben und mich dazu angehalten mich normal zu verhalten.“
Anthony versuchte sich in die Psyche des Professors einzufühlen. Natürlich kannte er den seelischen Schmerz den Hedgewig gefühlt haben musste nur zu gut. Geschweige denn den physischen. Anthony hatte im Gegensatz zu ihm nur das Glück eine Familie zu haben die ihn Unterstützte und ihm Rückhalt bot.
„Also habe ich dieses Gebäude so gebaut wie noch keines zuvor. Es sollte nicht regelkonform  sein, oder den Vorstellungen der Massen entsprechen. Es sollte ein Zeichen sein. Ein Zeichen von mir an die Welt. Es soll bedeuten, dass sich mein Erfolg nicht auf Regelkonformität stützt. Der einzige Weg so weit zu kommen wie ich es getan habe, ist anders zu sein. Anders zu denken. Anders zu sein ist das größte Geschenk das Gott einem machen kann.“
Jetzt packte er Anthony an der Schulter und sah ihm direkt in die Augen. Reginald standen kleine Tränen darin. Anthony erwiderte den Blick.
„Was auch immer ihnen gesagt wird Anthony. Egal wie schwer der Weg ist. Lassen sie sich nicht mit anderen Vergleichen. Ihr Intellekt ist etwas einzigartiges und kann Offenbarungen hervorbringen auf die die Menschheit seit Jahrhunderten wartet. Verfolgen sie ihre Ziele. Entgegen aller Schwierigkeiten. Schwimmen sie nicht mit dem Strom. Kämpfen sie gegen ihn an. Denn nur so erreicht man wahre Größe.“
Professor Reginald Hedgewig kniete jetzt vor Anthony. Er war direkt auf Augenhöhe mit Anthony. Er sah ihm in die Augen und Anthony erkannte unendliche Traurigkeit in ihnen. Egal was der Professor durchgemacht haben muss, es hatte ihn geprägt. Er war der geworden der er ist, nur weil man ihn in seiner Kindheit unterdrückt hatte. Der Professor war gerade einmal Mitte 30 und war bereits ein gebrochener Mann.
Er versteckte es bloß gut.
Anthony bekam Mitleid und schenkte Reginald ein trauriges Lächeln. Dieser erwiderte mit tränenden Augen das Lächeln. Wegen der Anekdoten aus dem Leben des Professors hatte Anthony nicht bemerkt das sie vor einer Stahltür angekommen waren. Der Koloss von Tür ragte rechts neben Anthony in die Wand eingelassen auf. Der Professor erhob sich wieder und schritt um Anthony herum. Als dieser sich auch umdrehte erblickt er die große Glasscheibe die in die Wand eingelassen war. Er gesellte sich zu Hedgewig, der direkt vor der Scheibe stand. Die Scheibe war grau und undurchsichtig, doch direkt unter ihr waren mehrere Knöpfe auf einem Schaltpult angebracht.
„Also dann Anthony. Sind sie bereit das volle Ausmaß meiner Studien zu sehen?“
„Mit vergnügen.“
In Anthony sammelten sich unterschiedlichste Gefühle. Vorfreude, Psychisch bedingte Angst, Nervosität und ein wenig Melancholie. Die Geschichte des Professors hatte ihn mitgenommen.
Dieser drückte jetzt auf einen kleinen grünen Knopf auf dem Schaltpult. Mit einem Schlag wurde die graue Scheibe durchsichtig und gab den Blick auf eine riesige Konstruktion frei. Sie war aus riesigen Rohren gebaut und stand in einem Gerüst aus gehärtetem Stahl. Sie war nicht gelötet sondern geschweißt und sie war so Leistungsstark, dass sie ein ganzes Land mit sauberem Strom versorgen könnte. Um diese Konstruktion schwirrten mehrere Gruppen von Männern und Frauen in Kitteln, Hosenanzügen und Uniformen herum, die entweder Berechnungen, Recherchen, Reparaturen oder einen Anbau vornahmen. Ohne auf die Erklärung zu warten platzte es aus Anthony vor Erstaunen heraus. Mit fipsiger Stimme flüsterte er vor Ehrfurcht.
„Der Teilchenbeschleuniger.“
Anthony´s Beine fühlten sich unerklärlicherweise ganz schnell sehr weich an. Er betrachtete den Koloss aus Stahl und Edelmetallen. Es war grandios einen funktionstüchtigen Teilchenbeschleuniger sehen zu können.
Dann stellte sich Anthony die Frage ob er überhaupt einsatzbereit war.
„Ist er fertiggestellt?“
„Nicht ganz. Uns fehlen noch dringend benötigte Teile, die bisher nicht geliefert wurden. Aber ansonsten ist er absolut funktionstüchtig. Erste Tests sind vielversprechend.“
Der Professor versuchte sich unauffällig am Hinterkopf zu kratzen, was Anthony jedoch sofort aus dem Augenwinkel sah.
Der Professor war nervös. Anthony nutzte nicht nur die Gestik um das festzumachen. Er hatte auch genau beobachten können, dass seine Hände auffällig zitterten und schwitzten. Sie glänzten fast. Anthony erinnerte sich an die Explosion seines Teilchenbeschleunigers und was sie angerichtet hatte.
Und die Reaktion war um ein vielfaches schwächer gewesen als bei diesem riesigen Teilchenbeschleuniger. Anthony wollte gar nicht an die Folgen denken. Der Professor riss sich von dem Anblick seiner Schöpfung los und fuchtelte kurz nervös an seinem Schlüsselbund herum.
„Sie benutzen noch Schlüssel?“, fragte Anthony.
„Ich persönlich bin da etwas altmodisch. Viel sicherer als Keycards. Nicht zu hacken.“
Er zog einen Schlüssel hervor und ging zu dem Ungetüm von Tür herüber. Er steckte den Schlüssel in das passende Schloss und drehte ihn. Ein lautes, schweres und träges rattern ließ sich hören, und die Riegel im inneren der Tür schoben sich aus den Halterungen. Nach wenigen Umdrehungen schwang die Tür geräuschvoll auf und gab den Blick auf einen Schaltraum frei. Es standen mehrere Drehstühle vor Schreibtischen auf denen wiederum ein Computer stand. Und an diesen Computern hing eine Heerschar von Bediensteten. Alle waren so fokussiert auf ihre Arbeit, dass kein einziger sich dafür interessierte, dass ihr Chef direkt neben ihnen stand. Aber Hedgewig interessierte es gar nicht und er ging einfach durch den Mittelgang. Anthony direkt5  auf den Versen. Während er an den etlichen Computern vorbeiging, fiel ihm eine Ungewöhnlichkeit auf. Normalerweise musste ein IT-Fachmann die Tastatur bedienen um zu programmieren. Jedoch rührte keiner der Männer und Frauen einen Finger. Si saßen alle nur starr auf ihren Stühlen und starrten auf den Bildschirm.
Weil Anthony so abgelenkt war, lief er direkt in den Professor hinein, der vor einer Tafel gestoppt hatte. Sie waren jetzt ein gutes Stück von der Tür entfernt, die sich schon lange von selbst geschlossen hatte. Durch ein paar vereinzelte Scheiben konnte Anthony weiter das Geschehen rund um den Teilchenbeschleuniger beobachten. Ein Mann schob jetzt schon zu fünften Mal ein Ladung mit Gasflaschen zu einem Schweißer, der seit Anthony ihn beobachtete, nicht einen Zentimeter weiter vorangekommen war.
„… doch ich habe noch keine Lösung für die Quantenangleichung der Teilchen. Ich hoffte eine neue Sichtweise könnte helfen.“
Anthony drehte sich flink zu Hedgewig um, der im gleichen Moment zu Anthony sah. Dieser lächelte jetzt und tat so als hätte er nicht eine Sekunde nicht hingehört.
„Ich werde mein bestes geben.“
Anthony betrachtete die Tafel und entdeckte Gleichungen mit einer Komplexität die Anthony nur allzu bekannt war. Es war das fehlende Stück das er schon einmal berechnet hatte. Also ließ er einfach ein paar Momente verstreichen, um den Anschein zu erwecken er hätte die Gleichung noch nie Gesehen und ergänzte dann ein einfaches + auf einer Seite der Gleichung. Der Professor hatte einen Vorzeichenfehler gemacht. Als er Anthony´s Ansatz überprüfte war es ihm sichtlich peinlich.
„Genial mein Junge. Wie haben sie das so schnell herausgefunden?“
„Wie sie selbst sagten. Eine neue Sichtweise kann helfen und sie haben auch gesagt, man soll nicht in ordinären Wegen denken. Und das habe ich getan.“
Der Professor setzte ein breites Grinsen auf, das jedoch, und wenn nur für den Bruchteil einer Sekunde, von Schuld übertüncht wurde.
„Sie lernen schnell.“
Anthony zuckte die Schultern und warf unauffällig ein paar Pillen ein. Die Paranoia war nicht zu ertragen. Der Professor tippte die Ergebnisse in den Computer ein und ließ eine Simulation starten. Auf dem Bildschirm war jetzt eine 3D-Version des Teilchenbeschleunigers zu sehen, wie er von innen aufgebaut war. In der Simulation wurden plötzlich zwei Teilchen mit Lichtgeschwindigkeit abgeschossen und rasten durch den Beschleuniger. Die Konvergenz stand kurz bevor, als das Programm einen Lagg bekam und für mehrere Sekunden stillstand. Professor Hedgewig war von Kopf bis Fuß angespannt. Die Muskeln an seinen Fingerknöcheln traten hervor und die Andern an den Schläfen stachen heraus.
Anthony war wie hypnotisiert von den verschiedenen Regungen des Professors. Sie faszinierten ihn. Er stand kurz vor der Entdeckung eines noch nie dagewesenen Potentials an Energie. Aber anstatt voller Vorfreude dazustehen und eine angemessene Fröhlichkeit zu zeigen, stand dem Professor ein gewisses Schuldbewusstsein in den Augen und Anthony hatte das Gefühl der Professor hätte etwas zu verbergen.
Dann fuhr da Programm fort, und zeigte wie die Teilchen kollidierten. Die Antimaterie die sich dabei in der Simulation bildete wurde abgesaugt und verbrannt, wobei kein Rauch entstand, und Energie freigesetzt wurde. Dieser Anteil reichte schon für den gesamtenNorden der USA. Der Teil der bei der Kollision entstanden war, war um fast ein vierfaches Größer. Er reichte für Kanada und die gesamten USA. Und dabei war er grün.
Der Professor entspannte sich und dort wo die Finger gesessen hatten, prangten nun Löcher in dem Bezug des Lederbezogenen Stuhls. Anthony hatte die Simulation nicht interessiert. Er hatte sich die gesamte Simulation schon im Kopf erstellt und hatte sich ganz dem beobachten des Professors gewidmet.
Er war zu dem Schluss gekommen, dass etwas nicht stimmte. Der Professor benahm sich seltsamerweise nicht wie ein Kleinkind das sein Geschenk auspackte, sondern wie ein schuldbewusster Junge, der versuchte etwas zu vertuschen.
Anthony entschloss sich so lange mitzuspielen bis er herausfand was vor sich ging.

Anthony Finch - Der Beginn einer ÄraWhere stories live. Discover now