Kapitel 9

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Hedgewig klatschte in die Hände und holte Anthony damit aus seinem Tagtraum. Er setzte ein gespieltes Lächeln auf und sah zu Anthony. Dieser bemühte sich die Skepsis nicht anmerken zu lassen.
„Mein Junge. Ist dir klar was wir gerade vollbracht haben?“
Auch wenn Anthony nicht gut darin war solche Dinge zu erkennen, wusste er doch das Hedgewig sich diese Frage selbst beantworten würde. Und so geschah es dann auch.
„Wir haben den ersten Teilchenbeschleuniger der Welt zum laufen gebracht. Er ist funktionstüchtig! Mein Gott. All die Welten die sich uns nun eröffnen.“
Auch darin war Anthony nicht besonders bewandert, doch er merkte einen gewissen Unterton. Etwas in der Richtung von schlechtem Schauspiel. Der Professor trug für Anthony ein wenig zu dick auf. Aber Anthony sagte immer noch nichts, sondern beobachtete den Bohrer am Teilchenbeschleuniger. Auch wenn Metall ein sehr widerstandsfähiges Material war, bezweifelte er das es mehr als eine halbe Stunde dauern würde ein Loch durch ein wenige Zentimeter dickes Stück davon zu Bohren.
Bei Anthony fiel der Groschen. Doch dabei entglitt ihm der Gesichtszug für wenige Sekunden und er bereute es Sofort. Er war nicht das einzige Genie im Raum und wusste genau das Hedgewig diese Regung in seinem Gesicht erkannt hatte. Langsam schob er sich zwischen Anthony und Tür.
Aber Anthony wusste genau was der Professor spielte und versuchte gar nicht erst zur Tür zu kommen. Er schnappte sich einen Stuhl und warf ihn durch die Glasscheibe.
Die Scheibe zersplitterte nicht, sondern explodierte gleißend hell in mehreren Lichtblitzen. Zwischen dem Lärm erkannte Anthony die Stimme von Professor Hedgewig. Er fluchte und warf sich auf den Boden. Anthony blieb regungslos stehen, als er das Schauspiel, das vor seinen Augen gespielt hatte, enttarnte. Die Männer und Frauen auf den Stühlen vor ihren Computern flackerten auf und verschwanden einer nach dem anderen. Alle Glasscheiben zersprangen und Splitter flogen durch die Luft. Ein paar mal konnte Anthony sogar den Luftzug einer solchen Scherbe an seinem Hals spüren. Doch er bewegte sich kein Stück, während vor ihm die Hölle losbrach. Die Deckenlampen zersprangen und Computer liefen heiß. Erst nach mehreren Sekunden hatte sich der Raum wieder beruhigt. Hier und dort flackerte eine Flamme oder zersprang eine weiter Lampe, doch weitestgehend war es überstanden. Der Raum den Anthony nun sah war völlig verwüstet. Nichts stand mehr dort wo es vorher war und nichts war verschont geblieben. Stühle waren auseinandergerissen und die Wände voll von Scherben, Splittern und Brandflecken. Jede Glasscheibe hatte jetzt ihr wahres Wesen enthüllt. Es waren Fernseher. Hochauflösende, Grafikprojezierende Fernseher. High Tech Standard Versionen eines Hologramms waren in die Decke eingelassen und der Boden war voll von Sensoren. Dieser Raum war nur dazu gebaut um ein Forscherteam zu simulieren. Niemand hatte an dem Beschleuniger gebaut oder ihn entworfen. Mit Ausnahme von Hedgewig.
Dieser kroch unter dem Schreibtisch hervor unter dem er sich versteckt hatte. Er sah nicht gerade fröhlich aus.
„Was sollte das! Bist du des Wahnsinns!“
Er kam Anthony bedrohlich nahe und stand ihm Auge in Auge gegenüber. Hedgewig Augen funkelten in einem tiefen Grün und sagten Anthony das der Professor immer noch etwas verbarg.
„Warum Hologramme und Fernseher? Haben sie überhaupt einen Beschleuniger?“
Anthony hielt dem Blick des Professors stand. Er sah ihm tief in die Augen. So standen sie da. Für mehrere Minuten sagte keiner von beiden etwas. Dann gab Hedgewig nach und drehte sich um. Er packte einen Stuhl und schmetterte ihn zu Boden. Er schrie auf vor Frust und Enttäuschung. Dann fasste er sich und drehte sich wieder zu Anthony um.
„Wenn du nicht so verdammt wichtig wärst würde ich dir den Hals umdrehen weißt du das?“
Der Professor hielt Anthony den Finger an die Stirn.
„Professor?“
„Wenn du nicht so wichtig wärst würde ich dich umbringen. Was ist daran so schwer zu verstehen?“
„So ziemlich alles. Geht es ihnen gut?“
Der Professor hielt sich die Hände an den Kopf und kratze sich an den Schläfen. Aber nicht nur sachte. Es sah von außen so aus als wolle er sich die Haut abziehen.
„Sieht das etwa für dich gut aus!“
Er machte eine ausladende Bewegung und deutete auf den kompletten Raum.
„Warum musstest du das tun? Es hätte alles Reibungslos von statten gehen können aber nein. Du neunmalklug musstest ja unbedingt einen Stuhl in eine Scheibe werfen.“
„Fernseher.“
„Du redest nur noch wenn du gefragt wirst Anthony!“
Der Professor hatte so schnell auf dem Absatz kehrt gemacht das Anthony gar nicht bemerkte wie der Professor ihm eine Glasscheibe auf die Brust drückte. Dem Professor standen die Haare in alle Richtungen und er hatte einen wirren Blick. Er sah sich immer wieder nach links und rechts um. Er war sichtlich nervös und nicht mehr bei Sinnen.
„Reginal…“
„Wag es nicht meinen Namen zu sagen du verwöhnter Bengel.“
Der Professor drückte die Scherbe fester auf Anthony´s Brust. Sie glitt langsam durch sein Shirt und gelangte an die Haut. Anthony bekam Angst. Er hob langsam die Hände. Eine links von seinem Körper weg und mit der anderen packte er die Scherbe.
„Okay. Beruhigen sie sich Professor. Was ist passiert?“
Der Professor starrte ihn für ein paar unendliche Sekunden nur mit funkelnden Augen an, ließ dann aber die Scherbe fallen und setzte sich auf den Letzten, halbwegs intakten Stuhl.
„Vor ein paar Monaten ist ein wahres Unglück geschehen. Wir hatten den Teilchenbeschleuniger bereits gebaut und wir dachten die Berechnungen würden stimmen. Wir führten Simulationen durch und testeten die Funktionalität auf unendlich viele Weisen. Alle liefen auf das gleiche Ergebnis heraus. Er würde funktionieren. Also schalteten wir ihn ein.“
Der Professor schluckte einen Kloß herunter und sprach weiter.
„Er verhielt sich soweit stabil. Keine unerwarteten Probleme traten auf. Alles stimmte. Doch dann sprengte die Kollision der Teilchen den Beschleuniger.“
Er drückte auf einen Knopf an seiner Armbanduhr und die Fernseher wurden in die Decke gefahren. Sie gaben den Blick auf ein zerstörtes Gerüst frei. Der gesamte Raum war ausgebrannte und sah aus als wäre dort eine Bombe eingeschlagen. Metallene Pfeiler waren in die Wände geschossen worden. Die Explosion muss gewaltig gewesen sein. Anthony fragte sich wie das restliche Gebäude noch stehen konnte.
„Zu diesem Zeitpunkt befanden sich drei Ingenieure, fünf Wartungsarbeiter und ein Wissenschaftler im Raum. Soweit wir wissen wurden sie verdampft. Nicht einmal ihre Asche können wir bergen da wir nicht wissen welche ihre ist. Unter ihnen war auch meine Frau.“
Anthony wurde auf einmal wieder hellhörig für Hedgewig´s Rede. Er war zu gebannt gewesen von dem Ausmaß der Zerstörung. Er sah zu Hedgewig herüber, der das Gesicht in die Hände steckte. Er begann zu schluchzen wie ein kleiner Junge. Tränen flossen über seine Hand. Plötzlich fühlte Anthony keine Angst oder Unverständnis mehr. Er fühlte nur noch Schuld und Traurigkeit.
„Aber wieso weiß die Welt davon nichts?“
Der Professor sah ihn an und sein Blick war fragend. Wahrscheinlich dachte er über die Sinnlosigkeit dieser frage nach.
„Was würde wohl passieren wenn die Welt wüsste das hier in diesem Gebäude 9 Menschen gestorben sind? Hier würde alles dicht gemacht und ich wäre ruiniert. Meine gesamte Forschung wäre die eines verrückten und niemand würde jemals wieder ein Seminar von mir besuchen.“

Anthony Finch - Der Beginn einer ÄraWhere stories live. Discover now