Kapitel 5

17 2 0
                                    

Der Wecker schrillte los und Anthony schlug so fest auf die Schlummer- Taste das seine Hand begann zu schmerzen. Auch wenn das keine so gute Idee gewesen war, mit der verbrannten Hand auf den Wecker zu schlagen, machte es ihn wenigstens wach. Der Schmerz hielt sich zum Glück in grenzen und er schwang sich aus seinem Bett. Nach der morgendlichen Routine zog er sich ein neues Hemd und eine frische Hose an. Die anderen Sachen waren verschmutzt und verschwitzt. Als er bereit war aufzubrechen, fiel ihm sein Termin wieder ein und er stopfte sein MacBook in die Umhängetasche.
Er Schlich so leise es eben ging die Treppen hinunter und fand sich kurz darauf an der Tür für das Archiv wieder. Er musste ja nicht unbedingt jeden wissen lassen das er in den Ferien um 08:00 aus dem Haus ging um zwielichtigen Geschäften nachzugehen. Nach den nächsten paar schritten war ihm klar das sein Plan so gut wie hinfällig war. Er hörte ein ständiges Wühlen in dem Archiv und war kurz davor schnell den Gang entlang zu rennen um dem entdeckt werden zu entgehen. Dann wagte er aber doch einen kleinen Blick in das Archiv um zu sehen welches seiner Elternteile sich denn ein paar alte Akten ansah. Anthony öffnete die angelehnte Tür ein Stück weiter, doch konnte niemanden sehen. Das einzige was er sah, war wie die Regale mit den Ordnern im Wiederschein einer einzelnen Taschenlampe gespenstisch groß wirkten.
Aber wieso sollten sein Vater oder seine Mutter denn eine Taschenlampe benutzen. Etwas stimmte da nicht. Er lief in das nebenanliegende Büro seiner Mutter und nahm sich einen scharfen Brieföffner. Dann ging er auf leisen Sohlen zurück zum Archiv. Irgendjemand wühlte weiterhin durch die Akten.
Anthony fasste sich ein Herz und stieß die Tür auf. Er erhaschte einen Blick auf eine kräftige Person mit schwarzer Lederjacke und schwarzer Bikerhose. Sie trug eine Sturmmaske, sodass er nur die tiefblauen Augen sehen konnte. Die Person war knapp so groß wie ein Regal, Also riesig, ungefähr 1,95 m. Anthony kam sich mit dem kleinen Brieföffner plötzlich winzig klein vor. Der Mann drehte sich zu ihm um und man erkannte an seinen Augen das er nicht sonderlich erfreut war Anthony zu sehen.
Anthony schluckte den Kloß in seinem Hals herunter und begann zu reden.
„Wer sind sie?“
Er hob drohend den Brieföffner. Der Mann machte sich nichts daraus und kam bedrohlich auf Anthony zu. Dieser wich ein paar Schritte durch die Tür zurück.
„Was wollen sie?“
Seine Hand am Brieföffner zitterte. Er drohte ihm aus der Hand zu rutschen. Der Mann kam Anthony immer näher. Er stieg über die aus dem Regal geräumten Kisten mit Ordnern hinweg und auf Anthony zu. So langsam bekam er Panik. Er wollte nach seinem Vater schreien doch es kam nicht ein einziges Wort aus seiner Kehle. Er war wie versteinert. Er konnte weder Arme noch Beine bewegen und der Brieföffner lag in der ausgestreckten Hand. Seine Kehle war ausgetrocknet und er hätte für einen Schluck Wasser alles getan. Wie er sich wünschte Earl wäre hier um ihm, wenn auch auch nur liegend, beizustehen. Da dem jedoch nicht so war, kam der Mann wieder ein paar Schritte näher. Er stoppte kurz vor Anthony.
Dieser roch das billige Parfum des Einbrechers und es ekelte ihn an. Gemischt mit dem grässlichen und nicht wirkenden Deodorant war es eine beinahe tödliche Kombination aus Gerüchen. Vor Angst machte er sich fast in die Hose. Der Einbrecher überragte ihn um eine ganze Kopfgröße und war knapp doppelt so breit wie Anthony. Er sagte jedoch nichts und tat Anthony auch kein Leid. Er stand nur so da und musterte Anthony mit den tiefblauen Augen. Nach einer gefühlten Ewigkeit ließ er von ihm ab und machte sich aus dem Staub. Er war zwar ein Riese, aber überraschend leichtfüßig. Ohne ein einziges Mal ein Geräusch zu verursachen stieg er die Treppe hinunter.
Und der von allen guten Geistern verlassene Anthony sprintete hinterher.
Der unbekannte zog die Haustür auf und war mir nichts dir nichts auch schon aus dem Haus. Und Anthony natürlich hinterher. Er schnappte sich seinen üblichen Ausgeh-Mantel, da er nicht vorhatte vor dem Abend zurück zu sein und stürmte mit wehendem Mantel dem Einbrecher hinterher. Dieser war schon an der Kreuzung angelangt und spielte Anthony in die Hände. Er bog auf die Hauptstraße ab, von wo Anthony jedes Versteck kannte.
Also war der Einbrecher ihm zwar um einiges Voraus, aber Anthony hatte immer noch die Energie des Teilchenbeschleunigers in sich, wie auch immer das möglich war. Also war er dem Einbrecher zwar in Größe und Stärke nicht gewachsen, konnte sich aber durchaus effektiv an seine Fersen heften. Als er selbst auf die Hauptstraße abbog konnte er gerader noch sehen wie der Unbekannte um eine Ecke in eine Sackgasse einbog. Er kannte die Gegend anscheinend nicht so gut wie Anthony, weswegen der schon siegessicher sein Telefon aus der Tasche kramte. Er wechselte auf die Kamera und bog selbst um die Ecke. Der Einbrecher hatte nur weniger als ein paar Sekunden Vorsprung gehabt, was die meisten Fluchtmöglichkeiten aus einer geschlossenen Sackgasse beschränkte.
Und doch war er als Anthony um die Ecke bog schon auf dem Kamm der über 12m hohen Hauswand. Wie er da oben hingekommen war, war für Anthony ein Rätsel, aber Geistesgegenwärtig schoss er ein gestochen scharfes Foto von dem Mann, der wenige Sekunden später außer Sichtweite war.
Eine Verfolgung war dieses mal ausgeschlossen. Anthony sah nicht einmal den geringsten Anhaltspunkt wie so ein Riese wie er es gewesen war diese Wand hatte rauf klettern können. Er sah sich immer und immer wieder die Beschaffenheit der Wand an, doch fand nicht mehr als beim vorherigen Mal darauf schauen. Frustriert stapfte er aus der Gasse und machte sich auf den Weg zum Metzger. Wenigstens hatte er eine gute Story für Earl. Und ihm war sehr wohl bewusst das er die meiste zeit damit verbringen würde sie sich selbst bloß immer und immer wieder zu erzählen.


Beim Metzger fertig und mit 5,5 Kilo Fleisch beladen machte Anthony noch einen Abstecher zur Apotheke. Er kannte dort ein paar Leute die ihm Medikamente für Paranoia verschrieben und ihm ein paar mal illegale Arzneimittel angeboten hatten. Jetzt bräuchte er tatsächlich ein paar Antibiotika. Er bog in ein etwas weniger schönes Viertel ein und steuerte die heruntergekommene Apotheke an. Als er sie betrat schauten ihn die Kids auf der Straße für ein paar Augenblicke so an als sei er ihr Frühstück. So früh am Morgen in den Ferien machten sich nicht viele extra auf den Weg in ein Asoziales Viertel um einen schönen Tag zu haben.
Innen drin sah es noch schlimmer aus als von Außen. Leere Verpackungen und Döschen mit der Aufschrift Verschreibungspflichtig lagen auf dem Boden verstreut. Ein Glöckchen ertönte als die Schiebetüren sich wieder Schlossen und ein wenig vertrauen erweckender Apotheker in der Mitte der Fünfziger tauchte plötzlich hinter einem der vier Tresen auf.
„Was kann ich für sie tun?“
„Ich brauche Nähzeug und einen Verbandskasten. Haben sie so etwas hier?“
Anthony versuchte sein reiches Aussehen zu verbergen, da er wusste das so etwas den Preis nur unnötig in die Höhe trieb. Doch der Kassierer wirkte wenig interessiert an ihm und suchte in etlichen Fächern und Schubladen bis er einen Verbandskasten und ein Dreier-Pack Nadeln plus Faden aus einer der Schubladen zog.
„Ich wusste doch das wir hier noch etwas rumliegen haben. Darf es sonst noch etwas sein?“
„Ich könnte auch noch Antibiotika brauchen.“
Er hoffte wenn er nicht erwähnte das er kein Rezept hatte würde der Apotheker es einfach nicht bemerken, da er aussah als hätte er selbst all die Medikamente eingeschmissen die auf dem Boden lagen. Aber anscheinend war sein Verstand klarer als erwartet.
„Rezept?“
Und damit war Anthony am Ende. Außer er log erneut.
„Hören sie. Meine Mutter ist schwerkrank und kann nicht zum Arzt. Und mir will niemand ein Rezept ausstellen. Also klappere ich seit ein paar Stunden jede Apotheke im Umkreis von 50 Kilometern ab, doch bisher wollte mir niemand helfen. Also bitte. Ich brauche die Medikamente.“
Er legte sein weinerlichstes Gesicht auf das er machen konnte ohne zu übertreiben. Er hoffte der Apotheker würde ihm glaube schenken.
Und dem war auch so. Er winkte Anthony zu sich und steckte ihm zwei Packungen Penicillin in die Tasche.
„Aber das das keiner erfährt. Ist das klar?“, der Apotheker schaute ihn eindringlich an und machte seinen Standpunkt deutlich.
Anthony antwortete mit einer Geste, als würde er seinen Mund abschließen und den Schlüssel wegwerfen.
„Das macht dann 21,79$“
Anthony legte das Geld auf den Tresen und stopfte den Verbandskasten und das Nähzeug in seine Tasche und verließ die Apotheke. Als er auf die Uhr sah war es gerade einmal 09:30 Uhr. Also mehr als genug Zeit um Earl sein Essen zu bringen, die Wunde neu zu versorgen und den Zug zu erwischen. Auf dem Weg zu seinem Wolf Pfiff Anthony eine fröhliche Melodie.

Anthony Finch - Der Beginn einer ÄraWhere stories live. Discover now