Kapitel 4 - Teil 2

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Erschrocken wich ich zurück. Vom Regen in die Traufe würde ich mal sagen.
Das war doch nicht möglich. Wie? Immer weiter taumelte ich weg, doch er folgte mir nur.
„Claire, bleib stehen", sprach er mit einer Abgeklärtheit in der Stimme, die ich ihm nicht zugetraut hatte.
Unwillig schüttelte ich den Kopf. Das konnte doch alles nicht wahr sein.
„Nein", brachte ich heraus und hörte genau das Zittern meiner Stimme.
„Ich bin nicht dein Feind", erklärte er, diesmal nicht ganz so distanziert.
„Wieso sollte ich dir glauben?"
Er musterte mich einmal komplett.
„Wieso solltest du es nicht?", stellte er die Gegenfrage.
„Weil", setzte ich an, doch eine vernünftige Begründung fiel mir nicht ein.
„Du warst da, als mich der Mann angegriffen hat und auch beim zweiten Mal in der Bahn", erklärte ich anklagend.
„Habe ich dir da irgendetwas getan?", fragte er und schaute mich an. Ohne jeglichen Ausdruck in den blauen Augen.
„Nein, aber..", setzte ich erneut an.
„Siehst du und jetzt komm mit rein, deine Schwester wartet auf dich."
Ohne sich darum zu kümmern, ob ich ihm folgte oder nicht, machte er auf dem Absatz kehrt und stolzierte geradewegs in den Disneystore.
Mit offenem Mund schaute ich ihm hinterher, nicht sicher, ob er nun Freund oder Feind war. Es war entweder eine Falle oder er sagte die Wahrheit.
Ich entschlossen mich jedoch es darauf ankommen zu lassen und lief ihm hinterher.
Durch die modern wirkenden Gänge, die mit edlem Teppich ausgelegt waren und an deren Seiten Tische mit Blumen herum standen, folgte ich ihm zu einem Fahrstuhl.
Sobald sich die Tür geschlossen hatte, erschienen weitere Knöpfe. Ich fragte mich, warum die einfach so erschienen, doch eine Antwort hatte ich wohl nicht zu erwarten, denn mein Begleiter beachtete mich gar nicht.
Er drückte auf einen Knopf mit einem merkwürdigen Symbol. Das würde ich mir merken und googeln. Begeistert über meinen schlauen Einfall lächelte ich, was mir einen irritierten Blick von Mister Ich-rede-nicht-mit-dir einbrachte. Daraufhin grinste ich noch breiter. Sollte er doch denken, was er wollte.
Als der Aufzug hielt, stiegen wir nicht sofort aus. Mein Begleiter murmelte erstmal irgendwas in einer Sprache was sich wie: „mdemhemdemsemdemsemsemdemem" anhörte. Ich konnte mich natürlich auch täuschen.
„Was hast du da gerade gesagt?", verlangte ich zu erfahren.
„Das war ein Spruch, damit die Barriere dich erkennt und nicht abschirmt."
„Bist du ein Zauberer?", wollte ich wissen.
Im selben Moment fiel mir auf, wie dämlich sich das anhörte und am liebsten hätte ich die Frage zurückgenommen.
„Nein", antwortete er jedoch nur knapp, ohne auch nur eine Regung zu zeigen, „wir nennen uns anders."
Die Erleichterung, die ich zuerst verspürt hatte, als er Nein sagte, war schlagartig weg. Er nahm mich auf den Arm, das musste es sein. Bestimmt war er übergeschnappt und in ärztlicher Behandlung, das musste es sein.
„Und äh wie nennt ihr euch?", fragte ich möglichst höflich ohne mir anmerken zu lassen, dass er ganz sicher nicht richtig tickte.
„Das wirst du noch früh genug erfahren", erklärte er in einem sachlichen Tonfall, der keine Emotionen enthielt.
Nach dieser Antwort, betraten wir dann schließlich einen langen Flur, von dem aus man in verschiedene, verglaste Versammlungsräume sehen konnte, die allesamt sehr modern eingerichtet waren und in denen sich teilweise weitere Menschen mit Anzügen befanden.
Er führte mich natürlich zu der einzigen, nicht verglasten, sondern massiven Tür. Sie hatte keine Türklinke und ich wollte ihn schon triumphierend anlächeln, aber er legte seine Hand auf die Tür und diese schwang, ohne zu zögern auf. Ich muss wohl sehr schockiert geschaut haben, denn er grinste mich einfach nur überlegen an.
Langsam kamen mir Zweifel, ob er mich vorhin doch nicht angelogen hatte, denn Türen öffneten sich normalerweise nicht von allein.
Allerdings wirkte hier alles so modern, dass ich den Türen eine Toucherkennung zugetraut hätte.
Blöd nur, dass diese Tür aus Eichenholz bestand.
Der Raum war, im Gegensatz zu den anderen Räumen, die ich auf dem Weg hierher gesehen hatte aus massiven Steinmauern, an denen verschiedene Wandteppiche mit Landkarten und Bildern hingen. Ich konnte kein einziges Fenster erkennen und fühlte mich sofort eingeengt.
In der Mitte des Raumes stand ein großer, runder Tisch aus dunklen Holz und um ihn herum standen Stühle, die allesamt aus einem Museum stammen könnten. Er wirkte allerdings mehr wie ein Esstisch und passte kaum zu der Ausstrahlung des restlichen Raumes.
Interessiert musterte ich die Landkarten, die sowohl das heutige Amerika, als auch das Alte zeigten. Ich konnte auch einige Karten von England erkennen. Eine zog meine Aufmerksamkeit besonders auf sich, denn ein Teil davon war ausgebrannt, ganz so als wollte man etwas vernichten.
Um den Tisch saßen einige bekannte Personen.
Es waren meine Eltern, meine Schwester, und drei Männer. Der Typ, der mich hier hergebracht hatte, ging geradewegs auf meine Schwester zu und stellte sich hinter sie.
Ich war mehr als nur erleichtert meine Familie hier zu sehen.
Mein Blick fiel erneut auf die Männer
Zwei kannte ich bereits, es waren der Zirkusdirektor und der mit dem Nadelstreifenanzug.
Den Dritten hatte ich noch nie gesehen. Der untersetzte Mann schien ein erhöhtes Selbstwertgefühl zu haben, denn er schaute wichtigtuerisch auf seine Uhr.
„Ihr seid zu spät", erklärte er mit nasaler Stimme und strich sich eine Strähne seines schütteren Haares aus dem Gesicht.
Langsam stolperte ich rückwärts zur Tür.
„Zu spät für was?", fragte ich misstrauisch.
„Und was macht er hier?", wollte ich wissen und zeigte anklagend auf den Jungen, der mich kühl musterte und direkt hinter meiner Schwester stand, lässig auf ihre Stuhllehne gestützt.
„Oder noch besser, was mache ich hier?"
„Claire, bitte lass uns erst einmal zu Wort kommen", forderte meine Schwester mich auf.
„Er hat mich verfolgt", erklärte ich anklagend und zeigte auf den unbekannten Jungen
„Nein, er hat dich beschützt", wies Theresa mich zurecht.
Doch bevor ich etwas erwidern konnte, übernahm einer der anwesenden Männer das Wort.
,,Schön dich wohlbehalten zu sehen Claire", begrüßte mich der, der aussah wie ein Zirkusdirektor das Wort.
Doch bevor ich ihn fragen konnte, woher er meinen Namen kannte, sprach er auch schon weiter.
„Ich bin sicher, dass wir uns wunderbar verstehen werden. Ich bin Mr. Reeker, das ist Mr. Young", er zeigte auf den Mann im Nadelstreifenanzug, „das ist Mr. Roosevelt und der junge Mann, der dich hergebracht hat, ist Kyle."
Es brachte mir nichts, dass der unheimliche Typ nun einen Namen hatte.
Dieser Mann, Mr. Reeker war mir mehr als unsympathisch. Nicht nur, dass er sich zuerst nannte, nein, gleichzeitig legte er diese übertriebene aufgesetzte Höflichkeit an den Tag.
,,Roosevelt? Wie Theodor Roosevelt?" fragte ich wenig geistreich.
,,Ja, allerdings bin ich kein direkter Nachfahre von ihm."
Es war wahrscheinlich besser so, er schien sich schon jetzt für wichtiger zu nehmen, als er war.
Obwohl er tatsächlich einige Ähnlichkeiten mit einem Teddy hatte.
Mr. Young lächelte mich freundlich an, der Mann, der wieder einen Nadelstreifenanzug trug, schien mir am sympathischsten von allen.
,,Schatz" ergriff meine Mutter in dem Moment das Wort
,,Wir müssen dir einiges erklären und wir erwarten auch nicht, dass du alles sofort verstehst."
Ich schnappte nach Luft und wollt gerade zum Sprechen ansetzen, doch meine Mutter redete einfach weiter.
,,Das heißt nicht, dass wir denken, dass du es nicht verstehst, allerdings ist es sehr viel auf einmal."
,,Und warum habt ihr es mir nicht einfach schon früher erzählt?" frage ich, immer noch aufgebracht.
Ich erinnerte mich noch allzu gut an die Gespräche, die sie begonnen, aber nie zu Ende geführt hatten.
,,Weil du nicht in der Lage warst dich zu schützen", antwortete mir nun Mr. Young mit ernster Miene.
,,Deine Unwissenheit hat dich geschützt." Was sollte das denn jetzt heißen? Teddy deutete meinen Gesichtsausdruck anscheinend richtig.
,,Immer wenn jemand mit Magie in Verbindung kommt, hinterlässt die Magie eine Art Spur auf einem, egal ob es die eigene oder fremde Magie ist. Unsere Feinde sind in der Lage uns mithilfe dieser Spur aufzuspüren."
Warte was? ,,Mmmagie?", fragte ich verwirrt.
,,Ja, Magie." meinte meine Mutter. „Claire, es gibt da etwas, was wir dir bisher noch nicht erzählt haben, aber ich denke es wird Zeit, dass wir es tun."
„Es war ein Fehler es dir nicht zu erzählen." gab mein Vater zu.
„Aber wir hielten es für das Richtige." Ich schaute verwirrt von einem zum Anderen.
„Wieso war Kyle bei uns und hat mich beobachtet?"
„Er hat dich beschützt, beziehungsweise seine Spur verschleiert, sodass die Schergen des Chaos dich nicht finden konnten."
„Das hat nicht allzu gut funktioniert", bemerkte ich sarkastisch und schauderte, als ich an die Begegnung mit dem Rauchtypen zurückdachte. Spätestens jetzt war klar, dass er eine Kreatur des Chaos war, nur was das bedeutete, das war mir noch schleierhaft.
,,Wir müssen dir Einiges erklären Claire" meinte Teddy und sah mich bedeutungsschwer an.
,,Also" fing Mr.Young an, ,,Du hast sicher einige Fragen?"
Ja allerdings, bestätigend nickte ich.
,,Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, sie zu stellen." Ok, jetzt schön geordnet eine Frage nach der anderen stellen.
Fieberhaft überlegte ich, was ich zuerst Fragen sollte.
,,Also wenn du keine Fragen hast...", setzte Mr. Young erneut an, doch ich unterbrach ihn hastig.
,,Doch natürlich habe ich Fragen, ich weiß nur nicht wo ich anfangen soll."
Kyle mustert mich kühl. Was hatte ich denn jetzt wieder falsch gemacht? Schnell verdrängte ich den Gedanken und konzentrierte mich wieder auf die Fragen.
Ok was wäre wichtig zu wissen? In Gedanken erstelle ich mir eine Liste. Mr. Young und Kyle schauten schon erwartungsvoll zu mir.
Doch es gestaltetet sich schwierig, die wichtigsten Fragen herauszufinden. Schließlich fragte ich einfach:
„Was ist das hier?"
,,Wir sind eine Loge und nennen uns der Rat der Hüter" erklärte Mr. Young.
,,Der Rat der Hüter?" fragte ich skeptisch.
,,Ja wir stehen den Hütern der Himmelsrichtungen zur Seite und unterstützen sie."
,,Bei was unterstützen?" hakte ich nach. Kyle zeigte wieder keine Emotion. Er stand einfach da und tat... nichts. Es interessierte ihn gar nicht. Danke auch. Mr.Young sah Kyle missbilligend an und dieser schaute wieder in unsere Richtung.
Würde ich nicht unbedingt wissen wollen, was hier los war, hätte ich ihm wahrscheinlich die Meinung gegeigt. Wenn es ihn nicht interessiert, soll er doch gehen. Mr. Young wandte sich nun wieder an mich.
,,Wo waren wir stehen geblieben?"
,,Bei der Aufgabe des Rates" half ich ihm auf die Sprünge.
,,Ach Ja, Danke. Also, die Aufgabe des Rates ist, die Hüter zu unterstützen. Die eigentliche Aufgabe der Hüter ist es, ein Gleichgewicht auf der Erde zu halten." Vor meinem inneren Auge tauchten Männer in Anzügen auf, die verzweifelt versuchten, eine Wippe gerade zu halten.
Nur mit Mühe konnte ich ein Grinsen unterdrücken. Mr. Young schien es zu bemerken, doch er fuhr unbeirrt fort.
,,Gleichgewicht im Sinne von Ausgeglichenheit. Dass es nicht zu viel Böses und nicht zu viel Gutes gibt." Wieso sollte es nicht zu viel Gutes geben? Verstand ich irgendwie nicht.
Mr. Young schien diese Verwirrung in meinem Gesicht zu sehen.
„Die Hüter stehen für die Ordnung, wenn das Gleichgewicht in irgendeiner Form gestört wird, kann das Chaos herrschen." erläuterte er.
„Das Chaos ist allerdings nicht einfach nur das Chaos, wie du es kennst, nein, das Chaos ist eine Art... Urgewalt, doch es hat auch eine Seele, auch wenn das schwer vorstellbar ist." fuhr Mr. Young fort.
Das Chaos war also eine Person? Das war tatsächlich eine eigenartige Vorstellung.
„Wie kann uns das Chaos denn gefährlich werden?", fragte ich, da mir das noch nicht ganz schlüssig schien.
„Nunja, das Chaos schickt seine Schergen aus, die Ungleichgewicht bringen sollen, denn nur wenn die Ordnung zerstört ist, kann das Chaos herrschen."
Die Felldinger, der Junge hatte sie Animaren genannt, sie waren auch Kreaturen des Chaos.
„Aber wie kann die Ordnung zerstört werden?", fragte ich leicht verwirrt.
„Zum Beispiel durch einen Fluch." mischte Kyle sich nun ein. Dazu hätte ich noch ein paar Fragen.
Aber die Frage, die mir drängender auf der Zunge brannte, als alle anderen, war doch: ,,Was habe ich damit zu tun?"
,,Du Claire, bist eine Hüterin der Himmelsrichtungen." eröffnete mir Mr. Young. Damit konnte ich nicht wirklich etwas anfangen und das stand mir auch ganz deutlich ins Gesicht geschrieben.
,,Wo fange ich nur an" murmelte Mr. Young vor sich hin.
,,Wie wäre es mit dem Anfang" schlug Kyle vor. Überrascht schaute ich ihn an. Jap, das gab einen Pluspunkt. Ich meine, er hatte etwas gesagt. Auch Mr. Young schien überrascht zu sein.
,,Die Hüter der Himmelsrichtungen, gibt es seit vielen Jahrhunderten, um nicht zu sagen Jahrtausenden" Okay, jetzt wurde es spannend.
,,Ihr Aufgabe war es stets das Gleichgewicht zu halten. Auf der Welt gibt es unzählige Schergen des Chaos, die Unruhe stiften und mit verschiedenen Plänen versuchen, das Gleichgewicht durcheinander zu bringen. Die vier Hüter, also die des Ostens, des Südens, des Westens und des Nordens, werden dazu ausgebildet diese Pläne zu vereiteln." erläuterte er mir.
„Also wollt ihr mich ausbilden, damit ich durch die Welt reise und Pläne vereitel?", hakte ich nach.
„Ja, im Grundprinzip schon", bestätigte Mr. Young meine Vermutung.
„Aber wie soll ich das denn anstellen?" versuchte ich herauszufinden. „Mit Magie, alle Hüter haben eine Art Gabe, durch die wir in der Lage sind, das Chaos zu besiegen."
Magie. Ich war eine Magierin. Ähnlich wie in Harry Potter und den anderen unzähligen Büchern, die ich bisher gelesen hatte. Nur, dass das hier kein Buch war.

Das erklärte immerhin ansatzweise, was ich damit zu tun hatte. Naja, also eigentlich überhaupt nicht, ich hatte noch mehr Fragen als vorher. Ich starrte Mr. Young erstmal für geschlagene fünf Minuten mit offenem Mund sprachlos an. Er schien sich sichtlich unwohl zu fühlen.
,,Mund zu sonst kommen Fliegen rein." bemerkte Kyle, was ihm einen bösen Blick von mir einbrachte. Er ignorierte diesen jedoch nur gekonnt. Nett sein war wohl nicht.
,,Ich denke, das muss ich etwas genauer erklären" meinte Mr. Young seufzend. Ja allerdings, was hatte er denn erwartet? Dass ich Gedanken lesen konnte? Sofort bemerkte ich ein komisches Gefühl in meiner Magengegend. Da war ja was. Ich setzte es einfach mal auf die Liste von Fragen.
,,Es gibt vier Himmelsrichtungen." Ok, das war wirklich etwas Neues, etwas von dem ich noch nie gehört hatte.
„Ein Hoch auf die Ironie." Oh Mist, hatte ich es gerade an ‚Mr. Ich-bin-Besser-Als-Du' geschickt?
„Was ist denn bei dir los? Hast du zu viel Freizeit oder warum nervst du mich?" Ertönte auch schon die liebreizende Stimme von ‚Mr. Ich-bin-Besser-Als-Du'.
„Tut mir ja leid, dass ich mit dir verbunden sein muss" schoss ich zurück.
Darauf erwiderte er nichts mehr, war auch besser so.
,,Hörst du mir noch zu?" fragte Mr. Young mich leicht gereizt.
,,Äh ja ich, ähm." stotterte ich rum.
,,Also was war denn das Letzte, was ich zu dir gesagt habe?" fragte er versöhnlich.
,,Dass es vier Himmelsrichtungen gibt" gab ich kleinlaut zu.
„Vielen dank auch 'Mr. Ich-bin-Besser-Als-Du."
„Also für jede Himmelsrichtung gibt es einen Hüter, die Hüter von Norden, Osten und Süden sind männlich, der Westen hat eine Hüterin." Ah ok, bitte was? Ok die Information war nicht unlogisch, also fragte ich nicht weiter nach.
,,Wieso hat der Westen eine Hüterin?" Ich stöhnte innerlich, ich wollte doch nicht fragen. Wieso konnte ich nie das machen, was ich geplante hatte? Gab es irgendein Gesetz das besagte: Zerstört alle Pläne von Claire?
,,Der Westen steht für die Schönheit und Weiblichkeit." Ich legte eigentlich nicht allzu viel Wert auf Schönheit, im Gegensatz zu meiner Schwester. Diese hortete Schönheitsartikel wie Elstern ihre Schmuckstücke.
,,Aber meine Schwester würde doch viel besser passen?" erwiderte ich also nur. Tatsächlich sah meine Schwester immer perfekt aus, ebenso wie meine Mutter. Na klar, sie war auch eine Hüterin. Ich und mein messerscharfer Verstand.
,,Die Gabe wird immer vom Vater an den Sohn und von der Mutter an die Tochter weiter gegeben. Immer nur an den oder die Erstgeborene. Und NUR an die Erstgeborene", erwiderte Mr. Young auf meine unausgesprochene Frage.
Ok, das klang logisch.
Erklärte allerdings nicht, was ich damit zu tun hatte, schließlich hatte ich eine ÄLTERE Schwester.
,,Deine Familie, ist die direkte Abstammung. Deine Schwester zeigte von Anfang an Kräfte. Bis... vor einem Jahr. Da haben ihr Kräfte angefangen zu schwinden, du jedoch hast Anzeichen von Kräften gezeigt, die Anzeichen, die deine Schwester und die anderen Jahreszeiten schon vor Jahren gezeigt haben."
,,Dann war Ich das in der Bahn?", fragte ich weiter, „dass die Zeit stehen geblieben ist?"
,,Ja, das warst du, allerdings ist die Zeit nicht stehen geblieben. Wir erzählen dir das später. Wir hatten Kyle ein paar Tage vorher schon zu dir geschickt, damit er dich beobachten konnte und im Falle eines Falles eingreift."
Deswegen war Kyle also aufgetaucht.
,,Dann war er es, der mich hierher gebracht hat?" ich erinnerte mich vage daran, dass er auf mich zugekommen war.
,,Ja" meinte Kyle nur. Idiot.
,,Ist Kyle auch ein Hüter?
Was ist dann mit den anderen Himmelsrichtungen? Welche Himmelsrichtung ist Kyle eigentlich? Ich bin der Westen, oder? Ich musterte ihn. Er wirkt immer so kühl und unnahbar.
,,Ich bin der Norden, der Hüter von Boreas, dem Lehrer", beantwortete jetzt Kyle meine Frage. Würde ja zu seinem Charakter passen.
,,Und du hast recht, ja du bist der Westen, die Hüterin von Zephyr, der Seherin."
Der Westen, DER WESTEN, Westen? Mir wurde gleichzeitig heiß und kalt. Erst jetzt kamen mir die Worte von heute Nachmittag wieder in den Sinn.
Du bist also der Westen.
Er hatte es gewusst. Er wusste, dass ich der Westen war. Gehörte er auch dazu? War er auch eine Himmelsrichtung? Und wieso war ich mit ihm verbunden? Wieso konnte er meine Gedanken hören?
„Was werde ich jetzt machen? Wird man mich ausbilden?", versuchte ich herauszufinden.
„Ja, das wird man, ich und die anderen Hüter werden das übernehmen", klärte Kyle mich auf.
„Aber momentan droht doch eigentlich keine Gefahr, oder?", wollte ich wissen, da ich zwar verstand, dass ich zur Verfügung stehen sollte, allerdings keine Gefährt sah.
Mr. Reeker und Kyle warfen sich einen bedeutungsschweren Blick zu.
Doch in diesem Moment ging die Tür auf.
Zwei weitere Jungs betraten den Raum.
Den einen kannte ich nicht, er hatte blond Haare, grüne Augen und ein strahlendes Lächeln. Hinter ihm stand ein Junge mit braunen Haaren und braunen Augen, er lächelte nicht.
Sein starrer Blick verfing sich mit meinem.
Ich kannte ihn. Kannte diese braunen Augen.

Hüter der HimmelsrichtungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt