Kapitel 20 Theresa Teil 4

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Nach einer halben Stunde merkte ich, wie meine Augenlider schwer wurden. Die Zeitumstellung machte mir zu schaffen. Durch das Pendeln zwischen Deutschland, New York und England, kam mein Schlafrythmus völlig aus dem Takt.
Eigentlich müsste ich es gewohnt sein, schließlich war ich seit meinem fünfzehnten Geburtstag ständig in Bewegung, immer auf der Jagd nach den Schergen des Chaos und den Chaosmagiern. Doch da hatte ich meine Kräfte noch vollständig und brauchte weniger Schlaf.
Jetzt hingegen war ich ein normaler Mensch. Genau wie Julien.
Eine Stunde später hatte ich Mühe wach zu bleiben. Wir arbeiteten schweigend.
Hier war nichts, wirklich rein gar nichts. Keine Nische, kein Fach, kein Mechanismus.
Nichts, was etwas mit den Hütern zu tun hatte.
„Ich glaube, hier ist etwas", murmelte Julien in diesem Moment und ich horchte auf.
Ich durchquerte den Raum und kniete mich neben ihn auf den Boden. Nur einen winzigen Moment dachte ich an meine Hose, die auf dem Höhlenboden mit Sicherheit dreckig werden würde, ganz zu schweigen von meinem Trenchcoat, der ebenfalls auf dem Boden schlief. Ich würde irgendjemanden beauftragen müssen mein gesamtes Outfit zu waschen, sobald wir hier fertig waren. Vielleicht konnte ich mir auch gleich Neue kaufen. Obwohl, hier würde es ganz sicher keine angemessenen Klamotten geben.
„Siehst du dieses Loch? Es sieht aus wie der Abdruck eines geschliffenen Steines", riss Julien mich aus meinen Gedanken und zeigte mir eine Vertiefung in der Wand. Tatsächlich sah diese aus, als hätte dort einst ein Diamant gesteckt. Ein Diamant mit Brillantschliff.
Tatsächlich konnte man dieses Loch nur sehen, wenn man von unten zu dem Steinvorsprung aufblickte.
„Aber wo ist der Stein hin?", überlegte ich laut und leuchtete den Abdruck mit meiner Taschenlampe komplett aus.
„Ihn zu finden wird schwierig, wahrscheinlich wurde er schon vor Jahrhunderten gestohlen", führte Julien seine Überlegungen aus und sah sich in der Nähe um, auf der Suche nach weiteren Vertiefungen.
„Vielleicht reicht ein Imitat", murmelte ich vor mich hin.
„Selbst wenn es reichen würde, wo sollen wir jetzt bitte ein Imitat herbekommen?", warf Julien ein.
Ich lächelte ihn nur an.
„Ein Glück, dass ich die Hüterin des Westens war."
Auch wenn ich nicht wusste, ob meine Kräfte ausreichen würden einen falschen Brillanten zu erschaffen, ich musste es wenigstens versuchen.
Ich steckte all meine verbleibende Energie in das Erschaffen eines perfekten Brillanten.
Glücklicherweise hatte ich eine Schwäche für teuren Schmuck, weshalb ich wusste, wie Brillanten geschliffen waren. Ich selbst besaß einen Zuhause, eingefasst in eine wunderschöne Goldkette. Auch wenn dieser um einiges kleiner war als der, den ich jetzt erschaffen würde, konnte ich trotzdem die exakten Maße nehmen und anschließend nur vergrößern.
Voll konzentriert blendete ich alles um mich heraus. Julien, der ganz nah neben mir kniete, die Wellen, die gegen den Strand schlugen und den Regen, der immer noch unaufhörlich niederprasselte.
Langsam wurde der Brillant sichtbar. Erst ganz blass, dann immer heller und kräftiger, bis der etwa zahngroße Edelstein mit einem leisen „Plonk" auf den Boden der Höhle fiel.
„Du hast es geschafft", rief Julien freudig und zog mich in eine Umarmung. Perplex kniete ich da und genoss die Wärme, die von ihm ausging.
Ich hatte kaum noch die Energie aufrecht zu sitzen und so lehnte ich mich gegen ihn.

*

„Morgause, was hast du getan?", wollte Morighan wissen und Morgause hörte die Verzweiflung, die in ihrer Stimme mitschwang.
„Ich habe mich mit Merlin verbunden", erklärte sie und schaute ihre Schwester an.
„Aber warum? Was bringt es dir an einen Hüter gebunden zu sein, den du hasst?", wollte die Brünette wissen.
Morgause ging einige Schritte zu dem weit geöffneten Fenster, durch das bereits ein kühler Herbstwind in ihr Zimmer wehte.
„Ich habe mich an ihn gebunden, um ihn zu kontrollieren", erklärte sie schließlich und drehte sich weg von dem Ausblick, über den ihr Blick noch Sekunden zuvor gewandert war.
„Hat er keinen Verdacht geschöpft?", fragte Morighan ihr Schwester und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Eindringlich und mit ernstem Blick sahen sich die beiden Frauen in die Augen.
„Nein hat er nicht. Er mag mich", erwiderte Morgause und strich sich eine ihrer blonden Locken aus dem Gesicht.

*

Ich schreckte auf. Dieser Traum. Er hatte sich so real angefühlt. So echt. Was sollte er mir sagen?
Es gab eine Verbindung von Merlin und Morgause. Aber wieso? Und was hatte das mit dem Fluch zu tun?
Erst da fiel mir auf, dass Julien verschwunden war. Ich lag allein auf einer Pritsche, deren Laken zwar sauber, aber trotzdem alt waren. Hastig stand ich auf.
Ich wollte meinen Sachen nicht weiter beschmutzen als ohnehin schon.
Misstrauisch ließ ich meinen Blick durch den Raum gleiten. Es war eine dürftige Schlafkammer, geradewegs in den Fels eingebaut.
Auf leisen Sohlen schlich ich durch den Raum zu der einzigen Tür und dankte im Stillen meinen unzähligen Ballettstunden, denen ich es zu verdanken hatte, dass ich mich so lautlos bewegen konnte.
Vorsichtig öffnete ich die Tür einen Spalt und lugte hindurch.
Auf der anderen Seite sah ich Julien, der in ein Buch vertieft war. Erleichterung durchströmte mich, als ich ihn sah.
Neben ihm stand ein alter Holztisch, auf dem eine Versuchsreihe aufgebaut war. Direkt vor ihm ein Bücherregal, bis obenhin gefüllt mit Büchern, die uralt aussahen.
Ich zog die Tür ein Stück weiter auf
„Julien", begrüßte ich ihn. Meine Stimme klang ganz kratzig, so, als hätte ich stundenlang geschrien.
Er schaute auf und lächelte.
„Geht es dir besser?", wollte er wissen, legte das Buch beiseite und kam direkt auf mich zu.
„Wie lange habe ich geschlafen?", stellte ich die Gegenfrage und trat die erste der beiden Stufen nach unten, die in den Raum führten.
„Und wo genau sind wir?", fragte ich weiter.
„Setz dich erst einmal, dann kann ich dir alles erzählen", forderte er mich auf und zog einen Stuhl herbei.
Unsicher setzte ich mich auf den Stuhl. Er sah schon ein wenig instabil aus.
„Nachdem du den Brillanten herbeigezaubert hast, wurdest du ohnmächtig", fing er an und nahm ebenfalls auf einem Stuhl direkt mir gegenüber Platz.
„Ich habe dann einfach den Brillanten eingesetzt und als nichts passiert ist, habe ich ein wenig Blut auf den Diamanten getropft."
Wie zum Beweis hob er seinen Finger hoch. An seiner Fingerkuppe war ein kleiner Schnitt zu sehen, über dem sich bereits ein Grind gebildet hatte.
„Tja und dann hat es funktioniert. Ich nehme an, dass es so eine Art Schutzmechanismus war, damit hier niemand eindringt. Ich, als Nachfahre von Arthur habe sein Blut in meinen Adern, also denke ich, dass ich deswegen durch die Barriere gekommen bin", fuhr er fort.
„Danke, dass du mich hierher gebracht hast."
Ich lächelte zaghaft.
„Das war selbstverständlich." Julien erwiderte mein Lächeln.
Ich ließ meinen Blick erneut durch den Raum schweifen.
„Hast du irgendetwas herausgefunden?", wollte ich von ihm wissen.
„Ja", antwortete er. „Ich weiß jetzt, wie genau man den Fluch brechen kann, das Problem ist nur, dass es nicht Claire ist, die ihn brechen muss."

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Überraschung. 🎉🎉
Ein Kapitel. Sontagabend. Obwohl morgen erst der Uploadtag ist.
Freut euch. (Oder tut zumindest so)

Gibt es einen Grund dafür?
JA. Ich bin zehn Monate bei Wattpad. *Jubel*
Außerdem wollte ich wissen, ob ihr den Traum richtig interpretiert, oder ob ich ihn verbessern muss und ob mir der Cliffhanger gelungen ist.

Man ließt sich.

Hüter der HimmelsrichtungenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt