Kapitel Zwei ─ ,, Wenn wir in Kolumbien sind, suchen wir Hilfe."

180 9 0
                                    


LINNEA │ Ohne einen Gedanken darüber zu verschwenden, setzte ich mich auf meinen Koffer und versuchte den Reißverschluss zu zuziehen. Meinen Koffer hatte ich natürlich schon eine Woche vorher gepackt, dennoch musste meine Mum unbedingt eine Koffer Kontrolle durchführen— Kein Alkohol, keine möglichen Drogen und ordentliche Klamotten. Adeu, bauchfreie Tops!
Bauchfreie Tops werden heutzutage total überbewertet. Lieber ein Basic T-Shirt und Jeans, die meinen Hintern nicht betonten.. Sie wollte sich sicher gehen, dass mich auch bloß keine Menschenseele ansatzweise attraktiv fand. Nun musste ich herumlaufen, als hätte ich seit zehn Jahren in kein Magazin geschaut, um mich auf den Stand zu halten! Ich liebe meine Mutter wirklich über alles, aber das konnte sie mir nun wirklich nicht antun.

,,Ich hoffe, du bist glücklich.", murmelte ich leicht hörbar und stand wieder von meinem Koffer auf. Der Reißverschluss ließ sich glücklicherweise sehr schnell schließen, was ich an der Menge meiner Klamotten gar nicht geglaubt hatte. Immerhin konnte ich mich für ein Outfit mit Basic Shirt und einer normalen Hose entscheiden. ,,Ich bin mehr als nur glücklich. Im Nachhinein wirst du mir dafür danken, dass ich die ganzen Crop Tops aus dem Koffer geschmissen hab.", erwiderte sie und grinste mich tückisch an. ,,Ich möchte nicht, dass du übertreibst." ,,Ich und übertreiben?", harkte ich sarkastisch nach und suchte in meinen Schubläden nach meiner Kamera. Für alle Fälle, falls mein iCloud Speicher gerade keine Lust für mehr Bilder hatte. Ich bin tatsächlich zu geizig, um neunundneunzig Cent für eine Erweiterung zu zahlen. Für überteuerte Mascara schon, für Speicherplatz leider nicht.

,,Linn, ich meine es ernst. Ich möchte nicht in den Medien lesen, dass Louise Teasdale's Nichte sich die Kante gegeben hat.", sagte sie mit einem gewissen Druck in der Stimme und räusperte sich, damit ich ihr auch ins Gesicht sah. ,,Du lernst dreimal wöchentlich für das neue Thema für die nächste Stufe. Weil ich nicht anwesend bin, heißt es nicht, dass ich nichts mitbekomme. Louise spielt meine Augen und Ohren." ,, Louise hat dein ganzes Gesicht. Ich stell mir einfach vor, Louise wär' nicht meine Tante, sonder du.", sagte ich und erinnerte sie daran, dass sie und Tante Louise Zwillinge sind— Louise und Mum dachten zwar nicht gleich, dennoch teilten sie das selbe Gesicht. ,,Linnea.", sagte sie mahnend und sah mir in die Augen. Seufzend nickte ich mit dem Kopf und schmiss meine Kamera in meinen Rucksack. ,,Schon verstanden, Mum."

Ich hatte tatsächlich einen Tag gebraucht, um meine Klamotten wieder in meinen Koffer zu schmeißen, meinen Rucksack flugsicher umzupacken und nebenbei fünf Folgen "Shadowhunters" zu schauen. Das nenne ich Multitasking. ,,Du hast drei Versuche. Zwei Verwarnungen und bei der dritten fliegst du wieder zurück nach Hause. Lass es bitte nicht soweit kommen, sonst hat dir das Betteln zu nichts gebracht.", erinnerte sie mich noch an unseren Deal und seufzte hörbar, als es an der Haustür klingelte. Tante Lou, die mich abholen kam. Innerlich flippte ich schon aus, während ich äußerlich noch die Fassung behielt und normal schaute. Ein zufriedenes Grinsen hatte sich auf meinen Lippen breit gemacht, was natürlich zu mir passte. Den restlichen Kram stopfte ich einfach in meinen wunderschönen Adidas Rucksack, ehe ich meinen Koffer nahm und ihn förmlich nach unten zerrte. Nur noch beten, dass mein Koffer nicht aufging und mich bereuen ließ, dass ich einen Tag verschwendet hatte. ,,Hi, Louise.", begrüßte ich meine Tante mit einem Wangenkuss links und einen Kuss rechts.

Motiviert sah sie noch nicht aus, aber das störte mich nur ziemlich wenig. Solange ich durch die Welt reisen konnte, nahm ich auch gern ihre schlechte Laune hin. ,,Wie kommt's, dass meine Nichte gutgelaunt ist?", fragte sie mich überrascht und schaute kurz zu ihrer Schwester, die nur mit den Schultern zuckte. ,,Es geht heute nach Kolumbien, Lou.", erklärte ich ihr und tauchte meine flauschigen Hausschuhe gegen Slipper von Vans aus. Sollten eher als Badeschlappen dienen, was natürlich der heutigen Mode widersprach. Slipper und Tennissocken, die man schon zu den Knien ziehen konnte.. Sowas trugen nur die Amerikaner! Aber, in Jogginghose, einem angenehmen Pulli und Slipper ließ es sich prima leben— Und ein Dutt! Ich bin absolut im Penner Modus drin. ,, Freu dich nicht zu früh. Wir sind zwei Tage zu früh da. Das heißt, du wirst mir schön helfen.", sagte sie und lachte leicht. ,,Verabschiede dich von Val und deiner Mum. Unser Fahrer wird sonst ungemütlich, wenn wir ihn länger warten lassen.", fügte sie noch hinzu und umarmte Mum, bevor ich es tun konnte. ,,Sag Val, dass ich sie jetzt schon vermisse.", sagte ich zu ihr und nahm sie schon ziemlich lang in den Arm. ,, Sie wird dich hassen, weil du dich nicht persönlich von ihr verabschiedet hast." ,,Ach, damit kann ich leben.", erwiderte ich und lachte leicht.

Nach fünf Minuten hievte irgendein Mann mein Gepäck in den Kofferraum und lief einfach an mir vorbei. Seinen Namen wollte ich sowieso nicht wissen! Gähnend setzte ich mich auf die Rückbank, auf der es sich Lux schön bequem gemacht hatte und seelenruhig schlief. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich meine Schlafenszeit verpasst hatte— mein Schlaf ist mir heilig! ,,Ich kann es kaum abwarten, endlich im Flieger schlafen zu können.", sagte Lou erleichtert und setzte sie nach vorne. ,,Kannst du jetzt auch noch machen." ,,Ich schlafe nicht gerne im Auto ein." Was für ein Zufall.. Meine Mum ebenfalls nicht. Ich sah ihr öfters an, dass sie gegen die Müdigkeit ankämpfte — schlug oftmals total fehl.

Da ich keine passende Antwort darauf wusste, ließ ich das Thema fallen und schnallte mich schnell an, bevor der ältere Mann losfuhr. ,,Wissen deine Affen eigentlich, dass ich ihnen für drei Monate Gesellschaft leisten werde?", fragte ich sie und konnte die grausame Stille im Auto nicht ausstehen. ,,Bist mein Spezialgast. Sie wissen nur, dass eine weitere Person uns begleiten wird.", antwortete sie und lachte leise auf. ,,Louis und Harry sind mir beinah um den Hals gefallen, als ich nicht erzählen wollte, wer uns für drei Monate begleiten wird." Louis und Harry. Perfekte Namen für problematische Kinder. ,,Solange sie mir nicht um den Hals fallen ist alles im grünen Bereich.", kommentierte ich und schaute aus dem Fenster. ,,Vielleicht klingt es gemein, aber ich kann es kaum noch abwarten, wieder in Jaqueline's Gesicht zu schauen und ihr zu erzählen, dass ich in drei Monaten durch die halbe Welt gereist bin.", sprach ich leicht diabolisch zu Louise und konnte mir das böse Lachen nicht verkneifen.

,,Wenn wir in Kolumbien sind, suchen wir Hilfe auf. Sowas könntest du langsam echt gut gebrauchen.", meldete sich Lou zögernd und lachte auf, als ich nur leicht lustlos stöhnte und die Bäume in der Dunkelheit beobachtete. Genauso, als würde ich im Dunkeln nach einer Nadel suchen, die in ein Heuhaufen geschmissen wurde. ,,Es geht mir ausgezeichnet, Lou. Ich brauche keine Hilfe.", versicherte ich ihr. ,,Ja, komm. Wer's glaubt, wird selig."

British Rogue *Forever on Hold* Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt