... Stille ...

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Leo's Argo lag still und bewegungslos im Wasser. Die Venti hatten es stark beschädigt, die Besatzung wusste nicht wie man es genau reparieren sollte. Sie wussten überhaupt nichts mehr. Clarisse hatte die Aufgabe übernommen, dem Camp von dem Vorfall zu berichten. Man sah ihr an, dass es selbst sie mitnahm, was geschehen war. Sie gab sich selbst die Schuld, fühlte sich unangenehm an Silena Beauregards Tod erinnert. Deshalb sah sie es auch als ihre Pflicht an, Chiron die Misere mitzuteilen. Während sie also unter Deck eine Iris-Botschaft versendete, versuchten die anderen sich abzulenken. Denn Clarisse war nicht die Einzige mit Schuldgefühlen. 

Auch Jason, der die Lage, in der sich Josephine und Stephanie befunden hatten, nicht bemerkt hatte, fühlte sich schuldig. Und wütend. Er war wütend auf sich selbst, auf Stephanie und auf Clarisse. Doch am Schlimmsten war diese Trauer, die ihn jedes Mal schmerzlich durch den Körper schoss, sobald er Josephine, die weinend und zitternd am Mast gelehnt dasaß, betrachtete. Sie hatte kein Wort gesprochen, nachdem er sie von dem Seil weggeholt und sie ihm weinend angeschrien hatte, er müsse Stephanie helfen. Er hatte sie nicht schnell genug verstanden. So war es bereits zu spät gewesen, als er im Sturzflug hinter dem Mädchen her war. Er hatte sie nicht mehr finden können, weder tot noch lebendig. 

Trainer Hedge half dem kleinen Harley bei einigen Reparaturen, vermutlich wussten beide nicht, was sie sonst machen sollten. Harley selbst war immerhin erst zehn und hatte für dieses Alter schon viel mehr miterlebt, als man meinen sollte, doch jemanden für tot zu halten, den man kannte, würde für ihn wohl immer etwas schreckliches, unbegreifliches bleiben. Es war immerhin auch schrecklich. 

Lacy, Pipers Halbschwester, hatte sich vorne im Bug verkrochen, die Hände in den Haaren vergraben und stumpf vor sich hin starrend, während sie die ganze Zeit über murmelte, dass alles gut werden würde. Eine Hoffnung, von der jeder wusste, dass sie nicht wahr werden konnte. Fakt war immerhin, dass niemand solch einen Sturz überlebt hätte. Nicht mal ein Halbgott.

Piper schien die Einzige zu sein, die es erfolgreich schaffte, Stephanies Verlust beiseite zu schieben. Sie starrte schon seit geraumer Zeit auf eine Landkarte, murmelte unverständliches Zeug vor sich hin und fuhr Linien auf dem Papier nach. Ihre Stirn war dabei vor Anstrengung gerunzelt. Jason traute sich nicht, sie anzusprechen, stattdessen versuchte er sein Möglichstes, um die Segel und die Takelage wieder in Stand zu setzen. Schweigend, so wie die meisten anderen auch, machte er sich an die Arbeit.

Nach ungefähr fünf Stunden, die nach der Notlandung auf irgendeinem See vergangen waren, war das Schiff zumindest in der Lage, kurze Strecken zu fliegen und sich ansonsten auf dem Wasser sicher fortzubewegen. Niemand machte sich daran, den Motor anzuwerfen. Stattdessen saßen sie alle trübsinnig auf dem Deck herum, während die Sonne am Horizont langsam unterging. Sie wussten, was gerade im Camp geschah. Bei dem Abendessen würde Stephanie als verschollen und vermutlich tot erklärt. >Den Göttern sei Dank. Leute, kommt mal alle her<, rief Piper so plötzlich, dass alle, abgesehen von Josephine, die gar keine Regung außer stumme Tränen, die ihr die Wangen hinunter liefen, in den letzten Stunden gezeigt hatte, vor Schreck zusammen zuckten. Ansonsten machte sich jedoch keiner die Mühe, zu ihr zu kommen. Nur Jason, der neben ihr saß, rückte etwas näher an sie ran. >Nun bewegt euch schon!< Pipers Charmsprech war so effektiv wie immer. In nur wenigen Sekunden saßen sie alle um sie herum, nur Josephine, die Piper nicht gehört zu haben schien, saß noch an genau demselben Fleck wie zuvor. Was Jason allmählich großen Anlass zur Besorgnis gab.

>Was gibt es denn?<, mürrisch sah Clarisse Piper an. Diese legte die Karte in die Mitte des Kreises, der sich gebildet hatte und zeigte auf einem bestimmten Punkt. 

>Ungefähr da wurden wir angegriffen. Stephanie ist also hier von Bord gegangen-<

>Das wissen wir!< Josephines kratzige Stimme, die so plötzlich hinter Clarisse ertönte, ließ die Tochter des Ares wie ein Kind, das mit der Hand im Süßigkeitenglas erwischt wurde, herum fahren. Mit großen Augen sahen alle das verweinte, blonde Mädchen an, die in diesem Moment wieder stärker anfing zu weinen. >Sie ist da runtergefallen, weil ich zu schwach bin. Sie ist meinetwegen tot!< Zitternd schlug sie sich die Hände vors Gesicht, kurz bevor ihre Beine sie nicht mehr trugen und sie auf das Deck sank. Ihr Schluchzen hallte in der abendlichen Luft wieder wie in einem schlechten Film. Lacy war es, die es schaffte sich zuerst aus ihrer Starre, in die jeder gefallen war, zu befreien. Zögernd stand sie auf und ging zu Josephine herüber, nahm das Mädchen, das unglaublich jung und zerbrechlich wirkte, vorsichtig in die Arme. Das Schluchzen wurde nur noch lauter. 

>Ich bin schuld, dass sie tot ist. Ich hätte sie sofort zurückbringen sollen, als ich sie entdeckt habe< Jasons Stimme klang unglaublich müde und niedergeschlagen. Schnaubend wandte sich Clarisse ihm zu.

>Wenn wir danach gehen, bin ich die Schuldige. Immerhin habe ich ihr erlaubt mitzukommen und hab ihr sogar geholfen sich an Bord zu verstecken. Wenn hier also jemand Schuld hat, dann ich<, meinte sie. 

>Es ist ja ganz toll, wie ihr euch gegenseitig die Schuld gebt, wenn nicht mal klar ist, ob sie wirklich tot ist<, unterbrach Piper die anderen.

>Pipes, so einen Sturz-<, begann Jason, doch seine Freundin ließ ihn nicht ausreden.

>Jaja, ich weiß. Sowas überlebt niemand, zumindest nicht wenn man auf den Boden aufprallt. Aber wer sagt denn, dass sie das auch ist?< Nun hatte sie die Aufmerksamkeit von jedem, selbst Josephine sah sie durch tränennasse Augen an. 

>Was meinst du damit?<, fragte Harley leise. 

>Ganz einfach. Seht ihr hier diese Linie?< Sie zeigte auf eine blaue Linie nicht weit von der Stelle entfernt, die sie zuvor angezeigt hatte. Jason begriff wesentlich schneller als die anderen, was Piper meinte. >Das ist ein Fluss. Stephanie ist die Enkelin des Poseidon. Wenn sie darin gelandet ist, hat sie mit Sicherheit überlebt<

>Und wie wahrscheinlich ist das?<, wollte Jason sofort wissen.

>Ziemlich. Durch den Windeinfluss auf ihren Körper ist es sogar sehr wahrscheinlich, dass sie darin gelandet ist. Falls sie durch irgendwelche Umstände bewusstlos geworden sein sollte, wurde sie mit Sicherheit mit der Strömung mitgerissen. Es hat also kein Sinn, sie zu suchen. Wir würden sie niemals finden. Mein Vorschlag ist, dass wir im Camp deswegen Bescheid sagen und die Naturgeister nach ihr suchen lassen. Sie werden Stephanie finden als es wir es je könnten< 

>Also lebt sie?<, hoffnungsvoll sah Josephine Piper an. Diese lächelte beruhigend.

>Ja, ich bin mir sicher, dass sie lebt. Sie ist immerhin mit Percy und Jason verwandt< Sie war ihrem Freund einen Blick zu. >Und die haben schon oft genug bewiesen, wie schwer sie zu töten sind< Sie wandte sich wieder an die anderen. >Ich werde Chiron eine Iris-Botschaft senden und vorsichtshalber auch in Camp Jupiter Bescheid geben. Vielleicht leben irgendwelche Halbgötter ja da in der Nähe, die helfen könnten bei der Suche. Aber wir müssen weiter. Das Camp zählt darauf, dass wir die entführten Halbgötter finden und wenn die Venti uns angreifen, muss das bedeuten, dass wir auf den richtigen Weg sind. Okay?< Die anderen nickten und machten sich sofort an die Arbeit, um das Schiff in Bewegung zu setzen. Jason gab Piper noch einen Kuss auf die Stirn, ein stummes Danke an sie für ihre Mühe. Dann ging er los, um den anderen zu helfen. Piper für ihren Teil verschwand unter Deck, um die Camps zu benachrichtigen. Sie hoffte nur, dass sie mit ihrer Vermutung richtig lag und Stephanie tatsächlich noch lebte. Denn so sicher wie sie auch vor den anderen geklungen hatte, so sicher war sie sich auch, dass sie die Wahrscheinlichkeit für Stephanies Überleben maßlos übertrieben hatte. Die Chance war minimal, aber es war eine Chance. Und die würde sie nicht unbemerkt verschwinden lassen.

Für den Olymp - Die Familiaris (slow updates)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt