Chapter 5

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Mittlerweile haben alle fertig gegessen und ich werde sofort zu Coles Zimmer geschickt, ich hätte auch Angst, dass ich in letzter Sekunde kneife.

Einige Minuten später stehe ich mit einem Tablett, auf dem ein Teller Spaghetti und etwas zu trinken stehen, vor Coles Zimmertür und klopfe an.

Und siehe da, sofort ertönt ein genervtes „Was denn jetzt schon wieder?!"

„Eigentlich nichts, aber die anderen dachten, du könntest vielleicht Hunger haben und dann haben sie mal mich geschickt." Plötzlich wird die Tür schwungvoll aufgerissen und Cole steht mir direkt gegenüber.

„Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?!" schleudert er mir entgegen und seine Augen funkeln gefährlich. Was mich allerdings nicht wirklich einschüchtert.

„Sicher kann ich. Ich will aber nicht. Einfach aus dem Grund, dass du deine Freunde wie ein Stück Scheiße behandelst. Das haben sie nicht verdient und das weißt du. Also nimm wenigstens das Essen."

„Misch dich verdammt nochmal nicht in meine Angelegenheiten ein! Wieso kannst du nicht einfach wieder verschwinden?!" seine Stimme wird mit jedem Satz ein bisschen lauter und aggressiver. Ich lasse mich aber davon nicht provozieren.

„Den Grund dafür habe ich dir gerade erklärt. Also, nimmst du jetzt das Essen oder sollte ich warten, bis du dich wieder beruhigt hast? Das Essen wird dann eben kalt."

Dann endlich nimmt er das Tablett und stellt es auf einen Tisch in seinem Zimmer. Als sich unsere Hände berühren, merke ich, wie verkrampft er eigentlich ist.

Und gerade, als ich ihm den Rücken zuwende und wieder gehen will, ruft er nach mir.

„Hey, warte!" da ich nicht sofort reagiere, packt er mein Handgelenk und zieht mich zu sich.

Ich drehe mich in der Bewegung um und so stehen wir uns gegenüber, nur einige Zentimeter voneinander entfernt.

Er sieht mir in die Augen, und ich erwidere seinen Blick, der nebenbei bemerkt ziemlich intensiv ist.

Etwas zu intensiv.

Die Zeit scheint stillzustehen und ich verliere mich schon fast in seinen grünlich-blauen Augen. Sie haben die gleiche Farbe wie das britische Meer letztes Jahr, als ich an den Klippen war.

Ich spüre schon förmlich den leichten Wind und kann wieder sehen, wie die Wellen immer und immer wieder an den steilen Felsen zerbrechen.

Weißer Schaum bildet sich auf der Oberfläche des Wassers.

Der Himmel ist grau, von unzähligen Wolken bedeckt und nur vereinzelte Sonnenstrahlen finden den Weg durch diese dichte Decke, die alles zu umhüllen scheint.

Ich höre das Lachen meiner Cousine und meiner Freunde und ein unglaubliches Glücksgefühl macht sich in mir breit, als wir schon fast übermütig über das satte Grün gehen und einfach nur die Anwesenheit der anderen genießen.

Möwen schreien laut, doch ihre Schreie werden von den Winden verweht.

Manche Vögle kreisen in unzähligen Schlaufen am Himmel, andere sitzen nur auf den spitzen grauen Klippen.

Coles Augen strahlen wahrhaftig eine unglaubliche Lebendigkeit aus, doch gleichzeitig scheinen sie etwas getrübt, so als würde sich ein Schleier über die ganzen Erinnerungen legen und sie würden alle verblassen.

Er kommt mir noch ein bisschen näher, so nahe, dass fast kein Platz mehr zwischen uns ist und ich irgendeine Art von Elektrizität schon fast zwischen uns spüre.

Unsere Gesichter bewegen sich langsam, mit einer kaum merklichen Bewegung aufeinander zu.

Mein Blick wandert von seinen stürmischen Augen über seine Nase zu seinen Lippen und wieder zurück und ich bemerke, dass seine Augen ähnliche Wege gehen.

Immer kleiner wird der Abstand zwischen uns und ich glaube schon, seinen Geruch wahrnehmen zu können, weil wir uns so nahe sind.

Er riecht herb und trotzdem frisch, nach Gras und nach der Brandung, genauso wie es letztes Jahr an den Klippen roch.

Vielleicht bilde ich mir das alles auch nur ein, aber jetzt gerade scheint er die wahrscheinlich schönste Erinnerung meines Lebens zu verkörpern und ich will ihm nahe sein, so als würde ich diese Erinnerung noch einmal erleben dürfen, nur dieses Mal mit ihm.

Wir kommen uns näher,

immer näher

und ich schließe langsam meine Augen,

um mich vollkommendem Moment hinzugeben.

Als endlich etwas Warmes, Weiches, meine Lippen berührt, erstarre ich zuerst, doch dann kommt wieder Bewegung in meinen Körper.

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