P. o. V. Eva
Ein Koch stellt vor mir eine Pfanne mit Spiegelei und Brot ab. Überrascht sehe ich ihn an. „Das wäre jetzt wirklich nicht nötig gewesen, aber trotzdem danke, das ist so süß von dir." Der Koch, er ist ein schon etwas älterer Mann, lächelt freundlich.
„Natürlich, mache ich doch gerne, außerdem ist es mein Job." Ich nicke und lächle ihn mit meinem herzlichsten Lächeln, das ich aufbringen kann, an. Darauf esse ich mein Frühstück und ich muss schon sagen, kochen kann er wirklich.
Doch plötzlich verstummen alle Gespräche und alle Augen richten sich zur Tür. Auch ich drehe mich um und sehe Cole, der gerade die Küche betritt. „Guten Morgen, habt ihr vielleicht irgendwo etwas Essen herumliegen, das ihr nicht unbedingt braucht?" Der Koch, der mir vorher das Spiegelei gemacht hat, überlegt kurz und nickt dann.
„Ja, im Schrank sollte noch etwas Brot sein und draußen Essbereich sind Dinge wie Marmelade. Bedien' dich." Dann wendet er sich ab und Cole tut, wie ihm aufgetragen wurde. Als er die Küche wieder verlässt und draußen Platz nimmt, scheinen alle aufzuatmen.
Er scheint sich wohl wirklich nicht allzu großer Beliebtheit zu erfreuen. Fast bekomme ich schon Mitleid, weil er so einsam dasitzt, doch das verfliegt relativ schnell wieder. Ab diesem Zeitpunkt werden die Gespräche in eher gemäßigter Lautstärke weitergeführt.
Würde ich auch machen, immerhin, wer weiß wie viel er schon gehört hat? Nachdem ich mit meinem Frühstück fertig bin, rede ich noch ein bisschen mit den anderen, doch als sie beginnen, das Mittagessen vorzubereiten, beschließe ich, Camila und alle anderen erst einmal aufzuwecken.
Also tue ich auch genau das und amüsiere mich über die verkaterten Gesichter der anderen. Trotzdem helfe ich, nett wie ich bin, mit Kopfschmerztabletten aus und versuche, weder zu laut noch zu viel zu reden. Nach einer guten Viertelstunde sind dann auch endlich alle wach und nachdem auch alle geduscht sind, ist der Großteil der Horde irgendwie in unserem Zimmer.
Einige sind zwar auch jetzt immer noch kurz davor, einfach weiterzuschlafen, aber der Rest unterhält sich relativ gut. In gedämpfter Lautstärke, versteht sich. Ich höre ein wenig mit, ohne selbst etwas zu sagen, und bekomme so den Eindruck dass es wieder um unser Problemkind geht.
„Ich glaube, er hat einen Grund, warum er sich so verhält." „Nein, weißt du, er macht das zum Spaß." „Tut mir leid, ich versuche hier nur, produktiv zu sein und vielleicht eine Lösung für unser Problem zu finden." Okay, ich glaube, dass das das erste Mal ist, dass ich Lili genervt erlebe. Um ganz ehrlich zu sein, habe ich sogar daran gezweifelt, dass das überhaupt jemals passieren könnte. Und ja, Camila ist auch dezent verkatert und nicht unbedingt gut gelaunt.
„Themawechsel. Wir haben jetzt ja eine Woche frei. Bleibt irgendwer von euch da?" frage ich in die Runde. Die meisten schütteln nur den Kopf.
„Nein, tut mir leid, ich fahre zu meinem Freund." Lässt mich Madelaine wissen. „Ich fahre zu meiner Familie." „Ich muss wieder einmal nach meinen Hunden sehen." „Nein, sorry." So geht das noch einige Zeit weiter, bis letztendlich alle verneint haben. „Bleibst du denn hier?" fragt Cami. „Ja, ich weiß nicht, ob es sich auszahlt, für die paar Tage nach Europa zu fliegen. Außerdem würde ich jetzt sowieso keinen Flug mehr bekommen." Ich zucke mit den Schultern.
„Cole bleibt auch da." Sagt nun Lili. Oh nein. „Vielleicht taut er ja irgendwann ein bisschen auf?" sie scheint die Hoffnung immer noch nicht aufgegeben zu haben. „Falls das wirklich der Fall sein sollte, wovon ich jetzt eher nicht ausgehe, werde ich alles versuchen. Aber ich kann leider nichts versprechen." Antworte ich ihr.
„Du musst auch wirklich nicht mit ihm reden, wenn du nicht willst. Ich würde es an deiner Stelle auch nicht tun." Fügt nun Camila hinzu. Ich nicke. Aber ich werde es zumindest versuchen. Versprechen zu brechen ist nicht meine Art. Meistens jedenfalls.
Einen Tag später stehe ich mit den anderen in der Lobby. Sie warten alle auf einen Bus, der sie zum Flughafen bringt. Als dieser dann auch bald ankommt, verabschiede ich mich von allen mit einer Umarmung.
Obwohl wir uns wirklich noch nicht lang kennen, habe ich diese Truppe schon irgendwie ins Herz geschlossen. Als auch der letzte die Eingangshalle verlässt, sehe ich ihnen noch nach, doch als der Bus abfährt, gehe ich wieder hinauf in mein Zimmer. Ich schließe die Tür wieder hinter mir und drehe mich zu meinem Bett, mit der Absicht mich gleich hineinzulegen und weiterzuschlafen.
Überrascht zucke ich zusammen, als ich jedoch eine andere Person auf meinem Bett sitzen sehe. „Was willst du hier?" frage ich, meine Stimme ist kühl und emotionslos.
„Reden."
Fragend ziehe ich eine Augenbraue hoch und verschränke die Arme vor der Brust.
„Dazu hattest du meiner Meinung nach schon genug Gelegenheiten."
„Bitte, lass mich. Immerhin sitzen wir die nächsten Tage gemeinsam hier fest, also wäre es von Vorteil, wenn wir uns wenigstens halbwegs verstehen würden." Das leuchtet ein, aber ich will nicht einfach so nachgeben. Zu lange hat er die anderen nur mit seinem abweisenden Verhalten beschäftigt.
„Ich könnte die paar Tage auch ohne dich leben." Ich versuche, so arrogant wie möglich zu klingen, aber bleibe dennoch mehr oder weniger höflich.
Eben den Umständen entsprechend.
„Bitte. Ich versuche wirklich, mich ein bisschen zu bessern. Und ich werde jetzt nicht länger betteln. Entweder du lässt es mich dir erklären oder wir lassen es. Ich bin auch nicht dein größter Fan."