Eine Stunde später sitze ich gerade bei den Lichttechnikern, mit denen ich mich immer mehr verstehe, als der Regisseur mit einem sichtlich zornigen Cole im Schlepptau hereinkommt.
Ersterer klatscht nun jedoch motiviert in die Hände.
„Okay, die Dreharbeiten können jetzt fortgesetzt werden. Bitte alle mal auf ihre Posten und den Dreh vorbereiten!"
Also tue ich wie mir gesagt und stelle mich auf denselben Platz wie vorhin. Wenn Blicke töten könnten, dann würde ich jetzt wahrscheinlich leblos am Boden liegen. Nochmal Glück gehabt, dass Cole nicht irgendwelche geheimen Superkräfte hat.
„Ich hätte nicht gedacht, dass du eine kleine Petze bist" vernehme ich nun leise von meiner rechten Seite.
„Bin ich auch nicht, nur wenn das Verhalten anderer Personen die Dreharbeiten, bei denen mehrere Menschen beteiligt sind, stört, muss ich leider etwas zur Behebung des Problems beitragen." Gebe ich höflich zurück.
„Aber es ist wirklich ein Vertrauensbruch, auch wenn wir nicht befreundet sind, geschweige denn uns eigentlich kennen." Sagt er nun.
„Anscheinend differieren unsere Ansichten, inwiefern etwas vertraulich behandelt werden muss, stark. Übrigens habe ich den Vorfall gestern nicht genauer erwähnt, wofür du mir eigentlich dankbar sein müsstest." Das Klatschen des Regisseurs unterbricht unser Gespräch.
„Alle auf ihre Plätze! Bild? Ton? Und bitte!" gibt er uns das Signal, zu beginnen. Wie immer spreche ich meinen Text fehlerfrei, zwar gebe ich zu, dass ich etwas mehr Emotionen einbauen hätte können, aber das Gesamtergebnis ist viel besser als bisher. Was natürlich auch daran liegen könnte, dass Cole beginnt, sich zu konzentrieren.
Einige Stunden später sitzen wieder alle beim Abendessen. Und wer hätte es gedacht-Cole ist wieder einmal nicht anwesend. Heute scheint aber keiner ernsthaft darüber nachzudenken, ihm sein Essen zu bringen.
Ich bin wohl nicht die einzige, die sich keine Spaghetti in den Haaren wünscht.
Obwohl es heute auch keine Spaghetti mehr wären, sondern Hühnerfilet mit Reis und Erbsen, wobei das grün sicherlich farblich zu meinen Haaren passen würde.
„Eva? Hörst du mir zu?" ich schaue auf und sehe, wie Camila mich fragend ansieht.
„Tut mir leid, was hast du gesagt?" „Wir würden übermorgen in einen Club hier in der Nähe gehen. Ich habe dich gefragt, ob du mitkommen willst." Ich überlege kurz. Eigentlich kann es nie schaden, etwas mit den anderen zu machen, da wir immer noch in dieser Kennenlernphase sind. Andererseits weiß ich auch nicht, ob das so eine gute Idee ist, denn ich trinke keinen Alkohol und würde deshalb wahrscheinlich schnell als Spaßbremse gelten.
„Ich weiß es nicht. An sich würde ich schon mitgehen, ich trinke nur keinen Alkohol." Antworte ich ihr.
„Wirklich? Ich hätte dich nicht so eingeschätzt." Sagt sie nachdenklich. „Ja, sagen wir mal, ich habe es in meiner Teenagerzeit etwas übertrieben. Da gibt es so einige lustige Geschichten... unter anderem eine mit einem Pizzakarton." Allein beim Gedanken an diese Story zieht sich in mir alles zusammen, aber ich bekomme gleichzeitig das dringende Bedürfnis auf der Stelle los zu lachen.
„Abgesehen davon bin ich mit der Zeit irgendwie alkoholresistent geworden, falls es so etwas überhaupt gibt. Ich werde nur durch Alkohol einfach nicht betrunken, egal wie viel ich konsumiere."
Camila schaut mich aber nur skeptisch an. „Okay... ich weiß nicht, ob ich das mit dem Pizzakarton jemals hören will. Aber du kannst sonst gern mitkommen, Lili oder Madelaine bleiben auch oft nüchtern."
Ich nicke. Dann wäre ich wenigstens nicht die einzige. Wir essen alle fertig und ich beteilige mich nur mäßig an den Tischgesprächen. Auch wenn es vielleicht nicht so ausgesehen hat, war der Dreh heute ziemlich anstrengend. Also verabschiede ich mich schon recht früh von den anderen, immerhin müssen wir morgen auch wieder verdammt früh aufstehen.
Als ich nun gerade die Treppe hinaufgehe und in den Korridor abbiege, laufe ich mit voller Wucht gegen jemand anderen.
„Ey, pass doch auf!" meckert mich die andere Person sofort an.
Ich schaue hoch und darf voller Freude Cole erblicken.
Nicht.
„Nicht du schon wieder." Seufzt er genervt, als er mich auch erkennt. „Kann ich nur zurückgeben." Sage ich, als ich wieder mehr oder weniger elegant aufstehe.
Okay, weniger elegant.
Anmerkung: Erst einmal ein herzliches Willkommen an alle, die sich hierher verirrt haben. In dieser Anmerkung will ich für LeserInnen, die mich nicht persönlich kennen, nur einmal klarstellen, dass viele der plötzlich (ohne erkennbaren Zusammenhang) vorkommenden Handlungen auf Ereignissen aus meinem Leben basieren (zum Beispiel die Lateinlehrerin und er Lateinzug im Kapitel davor). Falls jemand Fragen zu irgendetwas haben sollte, stehe ich gerne zur Verfügung.