Alles für ein Handy?

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Mittwoch - 04.10.2017

Die nächsten Tage hatte ich wirklich viel zu tun. Ich war oft bei Henry und seine Mutter schien sich nicht über meine Anwesenheit zu ärgern. Seinen Vater sah ich soweit nie. Aber ich hatte schon gehört das Ärzte oftmals viel arbeiteten, vielleicht hatte dieser Nachtschichten und verließ das Haus kurz bevor wir kamen? Oder hatte eine kleine Wohnung in der Nähe des Krankenhauses? Immerhin hatten wir in der kleinen Stadt – wenn es überhaupt schon zur Stadt reichte – kein Spital. Heute war ich wieder bei Henry und der Kleinere hatte ein sehr heikles Thema angesprochen, meine Großeltern. Das ich auf Vaterseite darauf verzichten konnte, war mir klar, aber meine Mum musste auch Eltern haben und von diesen hatte ich bis jetzt noch nichts gehört.

„Es muss lange her sein das sich deine Großeltern und deine Mutter das letzte Mal gesehen haben." Schlussfolgerte Henry.

„Das muss noch vor meiner Geburt gewesen sein oder kurz danach. Daher schätze ich es sind in etwa auf zwölf bis vierzehn Jahre."

„Vierzehn Jahre sind eine lange Zeit, vielleicht bereuen sie es? Ich meine sie war doch ihre Tochter und deiner Mutter würde es sicherlich auch gefallen von ihren Eltern ein wenig Unterstützung zu bekommen? Hast du noch nie mit dem Gedanken gespielt sie zu besuchen?" fragte der Blonde mich dann ganz offen und ich kratzte mich leicht verlegen am Kopf.

„Nein." Musste ich ehrlich zugeben, mit diesem Gedanken hatte ich noch nie gespielt.

„Immerhin kennen sie dich nicht einmal, vielleicht mögen sie dich ja?" warf der Dicke ein und ich musste sofort auflachen.

„Sie mich mögen? Ach Henry du bist einfach köstlich." Murmelte ich leise. „Vielleicht hätten sie mich gemocht wie ich letztes Jahr gewesen war, aber jetzt? Ich rauche, ich trinke ab und an und gekifft habe ich auch schon. Das sind alles nicht gerade Sachen die man sich von seinem lieben Enkel wünschen würde."

Mein neuer Freund schaute mich mit großen Augen an. „Du kiffst?" fragte er überrascht.

Verlegen kratzte ich mich schon wieder am Kopf. „Nur ab und an, wenn ich mit meinen anderen Freunden zusammen bin und sie was zum Rauchen haben. Selbst besorge ich mir das niemals."

„Oh das sollten deine Großeltern wirklich nicht erfahren und meine Eltern am besten auch nicht. Das mit dem Alkohol brauchen sie auch nicht zu wissen, solange du nicht mit einer Flasche vor ihnen auftauchst, werden sie es auch nicht merken. Das mit dem Rauchen wird nicht zu verbergen sein. Du schmeckst schon so wie ein Aschenbecher und sobald du den Mund öffnest, riechst man es sehr deutlich."

Stolz war ich auf meine Leistung nicht, aber ich konnte mich einfach nicht gegen die Älteren durchsetzen und das zweite was er sagte schockierte mich noch viel mehr. Man konnte es riechen? Das mit der Kleidung war mir klar, aber stank ich so stark aus dem Mund nach Rauch? Entsetzt pustete ich aus, konnte aber nichts feststellen.

„Kaugummi." War die kurze Antwort von Henry. „Das Überdeckt fast alles."

In diesem Moment musste ich wieder an die Worte von Mrs. Sharp denken. Sie musste es meiner Mutter nicht sagen das ich rauchte, wenn sie aufmerksam wer, würde es ihr auch so auffallen. Vermutlich spielte sie da auf Henrys Worte an. Meine Klassenlehrerin ließ mich die letzten Tage in Ruhe, es schien ihr fürs Erste wohl zu reichen das ich gemeinsam mit Henry unterwegs war und wir so etwas wie Freunde wurden. Ob sie diesen wohl auch ein wenig ausfragte? Ich wusste es nicht und wollte es auch gar nicht wissen. Die Frage war nur, wusste es Mr. Porter auch? Hatte er es gerochen? Immerhin stand das Treffen mit meiner Mum noch aus, denn sie hatte es verschoben und würden sie mich wegen so etwas gleich von zu Hause wegholen? Es gab so viele offene Fragen in meinem Kopf und ich hatte auf keine eine Antwort, so dass ich mich lieber einem ganz anderem Thema widmete.

„Wie soll ich meine Großeltern überhaupt finden?" es war mir gerade lieber über dieses Thema zu reden als mein unsägliches Verhalten noch zu vertiefen.

„Deine Mutter wird irgendwo Dokumente haben, wo es sicherlich draufsteht, wer ihre Eltern sind. Urkunden oder so etwas. Im Archive sollten wir so etwas sicherlich finden. Wohl kaum mit einer Adresse, aber ihre Namen, würde für eine Suche sicherlich schon Hilfreich sein."

Eines musste ich Henry lassen, er war wirklich intelligent und hatte gute Einfälle, ich wer niemals auf eine solche Idee gekommen, aber der Blonde, war einfach genial.

„Gehen wir doch Morgen nach der Schule zum Archiv und fragen nach, dann wissen wir es genau, ob sie irgendwelche Informationen haben oder nicht. Weil selbst mit dem Namen, am Computer irgendwelche nützlichen Infos heraus zu finden, ist oftmals nicht ganz leicht."

Auch einen PC hatten wir zu Hause an sich nicht. Meine Mutter hatte einen Laptop und ihr Handy, aber mich ließ sie damit nie spielen. Dies war auch wieder etwas wo ich meinen Mitschüler hinterher hinkte. Sie hatten ihre Tabletts, ihre Handys und ich hatte nichts. Vielleicht war es Zeit einmal wieder bei meinen anderen Freunden vorbei zu sehen? Brav blieb ich den Abend noch bei Henry und wir beredeten alles was es noch zu tun gab. Ob es klug war oder nicht, dies würde ich wohl erst später herausfinden.

Später:

In Thomas Wohnung herrschte ein reges Treiben als ich gegen neun Uhr abends vorbeikam. Greg und James waren auch da und saßen schon auf der Couch. Thomas hantierte etwas in der Küche.

„Sehen wir dich auch mal wieder." Kam es lachend von James und er erhob sich vom Sofa. „Ich dachte schon, du würdest dich lieber mit deinem neuen Freund abgeben als mit uns."

„Ich mag Henry sehr, aber ich würde euch doch niemals ersetzen." Entfuhr es mir leicht entsetzt. „Aber ich hätte eine Frage, könntet ihr mir ein Handy besorgen?" fragte ich dann ganz offen.

„Damit du mit deinem Freund telefonieren kannst?" wollte James gleich von mir wissen.

Was ich darauf antworten sollte, war mir nicht ganz klar und so sagte ich nichts. James lachte wieder und legte mir eine Hand auf die Schulter. „Sicher können wir das tun, die Frage ist eher, wie willst du uns diese Gefälligkeit bezahlen?" langsam schob er mich voran und wir traten in die Abstellkammer. Immerhin war diese nicht wirklich groß und der Ältere machte das Licht an. „Aber ich brauche jemand der für mich etwas Testet." Er kramte ein Säckchen heraus und hielt es mir unter die Nase. Darin war nicht viel zu sehen, nur einige Kristalle und sofort trat ich einen Schritt von ihm weg.

„Ich nehme kein Cristal Meth!" ich machte einige Dummheiten, aber damit würde ich nicht anfangen. Nicht für ein Telefon und auch nicht für irgendetwas anderes.

„Riley, du musst es doch nur für mich testen." Versuchte es James. „Eins, zwei Mal reicht schon."

„Nein, ich nehme keine harten Drogen, ich tue vieles, aber selbst ich weiß, dass dieses Zeug gefährlich ist."

Dass meine Antwort ihm ganz und gar nicht gefallen hatte, bemerkte ich sofort. Das Gesicht des Älteren wurde zornig und er trat einen Schritt auf mich zu, packte mich am Hals und drückte mich einfach gegen die Wand.

„Weißt du was du bist Riley? Du bist der Sohn einer Hure und nichts weiter! Also führ dich nicht auf als wärst du was Besseres! Nur weil dein kleiner Freund dir ein paar Flausen in den Kopf gesetzt hat bist du noch immer derselbe Mensch! Ich weiß wie es in deinem Herzen aussieht Riley, ich weiß wie viel Bitterkeit sich darin verbirgt. Warum gibst du nicht einfach auf, ergibst dich deinem Schicksal? Wieso willst du weiter kämpfen, wenn dich niemals etwas Gutes erwartet?" säuselte James.

„Wer aufgibt hat niemals eine Chance. G-R-E-G!" schrie ich laut nach der einzigen Person, die mich vielleicht aus dieser Lage retten konnte.

Wirklich öffnete sich nur einige Sekunden später die Tür und der brünette Junge schaute hinein.

„Was ist?" wollte er wissen und James ließ mich wieder los.

„Kleine Petze!" war alles was dieser zischte und sich dann abwandte zuseinem Freund. „Nichts." Dies war für mich das Zeichen zu gehen und so schnellwürde ich sie nicht mehr um Hilfe bitten. So wichtig war mir ein Handy auchwieder nicht.    

Riley - im dunklen Zwielicht #IceSplinters18Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt