III

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*Bing*

Ich lief in den kleinen Flur und suchte auf den Türschildern seinen Namen. Da, Evans.
Vorsichtig drückte ich die Klingel und strich mir noch ein letztes Mal durch die Haare. Was mache ich hier überhaupt? Doch auch nach circa dreißig Sekunden öffnete noch keiner die Tür, weswegen ich nochmal klingelte.
Kein Moment später wurde sie aufgerissenen.

"Hey, ich ähm wollte mich nur kurz umziehen. Sorry, dass du warten musstest"

"Kein Problem", erwiderte ich lächelnd und musste schlucken. Er trug nur eine eng anliegende, schwarze Jogginghose und eine Art Trainingsjacke von Nike.

"Machen Sie Sport?", fragte ich vorsichtig, um die Stimmung etwas aufzulockern.

"Ja naja ich war noch kurz trainieren, hatte ja nur fünf Stunden Schule"

"Oh okay"

Er geht also ins Fitnessstudio. Also wenn er da kein Sixpack hat?

"Ähm willst du was trinken oder so?"

"Ich dachte wir wollten Mittagessen?"

"Oh... Ja, das hab ich ja ganz vergessen. Schlimm?"

Ich schüttelte nur lächelnd den Kopf und bat ihn, mir ein Wasser zu bringen.

"Achtest du auf deine Figur oder warum willst du Wasser?", fragte er belustigt, als er mir ein Glas aus der Küche holte.

"Bisschen", gab ich zurück und setzte mich auf die riesige Couch.

"Hier, bitte"

"Dankeschön"

"Gut... Holst du dann dein Buch und so?"

"Ja, einen Moment"

Ich lief von der Couch aus in Richtung Flur, als ich seine Blicke auf meinem Körper liegen spürte.

"Ist irgendwas?", fragte ich und drehte mich um.

"Nicht, dass ich wüsste, Chloé"

Bei meinem Namen betonte er nicht wie immer die erste Silbe, sondern das E am Ende, was mich zum kichern brachte.
Im Flur nahm ich nun mein Buch aus der Tasche, die ich vorhin auf dem Boden abgelegt hatte und betrachtete mich skeptisch im großen Wandspiegel.

Generell achte ich nicht nur ein bisschen auf meine Figur, sondern doch schon sehr. Ich gehe joggen, mache Muskelaufbau und beschäftige mich fast schon übertrieben sehr mit Ernährungsplänen und esse zeitweise vegan. Sagen wir, ich bin ziemlich speziell und mein Freundeskreis hält sich in Grenzen.

"Was machst du da? Du bist schon hübsch genug" Zum Ende hin war es nur noch ein Flüstern, was ich neben mir vernahm.

Als hätte er mich bei etwas Verbotenem ertappt, wendete ich meine Blicke vom Spiegel ab und lief an ihm vorbei zum Esstisch.

"Chloe?"

"Hm?" Und da mich keine Antwort erreichte, setzte ich ein etwas lauteres "JAAA?!" hinterher.

"Kannst du kurz kommen?"

Ich schob langsam meinen Stuhl nach hinten und stand auf. Schnellen Schrittes ging ich dorthin, von wo ich seine Stimme vernommen hatte.

"Ja, was wollen- Oh ähm" Ich kniff reflexartig meine Augen zu und drehte seinem halbnackten Oberkörper den Rücken zu.

"So schlimm?", lachte er.

"Was? Ähm nein, ähhhm ich bin das nur niiicht sooo gewoooohnt... Schon okay", antwortete ich verlegen und drehte mich wieder zu ihm um. Aber nicht, ohne nochmal meine Blicke über seinen durchtrainierten Oberkörper schweifen zu lassen, der nur noch in die geöffnete Jacke gehüllt war.                                                                                                                                                                                  "Ja dann ähm also was wollten Sie nochmal?"

Sich räuspernd verschränkte er beide Arme vor seiner Brust und verdeckte meinen Traumblick mit seinen Oberarmen. Mit großen Augen schaute ich in sein mich skeptisch musterndes Gesicht.

"Achso ja, sorry. Willst du jetzt noch was essen? Du kannst ja Chinesisch oder irgendwas holen, hier. Ich geh solange duschen", sagte er und drückte mir zwanzig Euro in die Hand.

"Wie Sie wollen", antwortete ich und lief zum großen Wandspiegel, um mich ein letztes Mal zu begutachten. Ich sah darin aber nicht nur mich, sondern auch ihn, der gerade im Bad ein Handtuch von der Heizung abnahm. Gerade wollte ich gehen, da nahm ich einen Schatten im Hintergrund wahr und stellte fest, dass das seine Jacke war, die er eben zu Boden geworfen haben muss. Und das hieß was? Die Badezimmertür war gerade so weit geöffnet, das ich noch hindurch gepasst hätte. Ich drehte mich um, schaute direkt in die Richtung, als er plötzlich die Tür aufstieß und wie versteinert in seiner Bewegung inne hielt, als er mich sah.

Er trug nur noch seine Jogginghose und stand mit seinem nackten Oberkörper, der, was ich dazusagen muss, sehr vornehmlich aussah, vor mir.

"Ähhh... Ich geh vielleicht besser?", flüsterte ich kaum hörbar, senkte meinen Blick, huschte zum Wohnzimmer und legte das Geld auf den Tisch. Dort  packte ich auch schon mein Buch und den Block zusammen und wollte mir die Schuhe anziehen gehen, als er mir den Weg versperrte.

Sein Handy klingelte. Genervt und ein undeutliches Fluchen abgebend schaute er kurz auf das Display, ehe er abnahm und sich direkt vor die Wohnungstür stellte, was es mir unmöglich machte, auch nur irgendwo hin zu gehen.

"JAAA was hab ich denn gesagt?... Nein!... JA MAN, wie dumm bist du bitte?... ALTER HABT IHRS DANN BALD?!..."

Ich weiß nicht, was mich mehr zum Verwundern brachte. Entweder diese Wortwahl, die ich nie dachte, jemals von ihm zu hören oder aber die Tatsache, dass ich wieder umgekehrt bin und nun auf seinem Sofa saß. Als ob jemand einfach zwei solche krassen Seiten haben konnte und in der Schule einen auf gebildet macht und jetzt hier irgendwelche Schimpfwörter in mehr oder weniger Jugendsprache um sich warf.

"Soo, los los, wir sind hier nicht zum rumsitzen, sondern, um Mathe zu üben. Also Buch raus, Seite 45 Nummer 5 und 6, das müsste so ziemlich all das beinhalten, was du nicht verstehst"

F*cking TeacherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt