Mum wollte schon wieder mit mir über Jungs reden. Ich roch es schon im dritten Stock und als ich im vierten Stock vor unserer Tür stand, gab es keinen Zweifel mehr. Zu unverkennbar roch es nach gebratenen Pilzen. Mum liebte Pilze. Manchmal hatte sie sogar die Anwandlung, diese selbst zu sammeln. Da sie aber noch nie eine gute Botanikerin gewesen war - na gut sie war Floristin vielleicht war sie doch ganz passabel. Aber bei den Pilzen, die sie so anschleppte war ich mir da halt nicht immer so sicher. Vorsichtshalber ließ ich sie deshalb verschwinden, bevor meine Mum sie braten konnte. Da sie im Allgemeinen ziemlich schusselig war, zuckte sie dann meist nur mit den Schultern, wenn die Pilze nicht zu finden waren und besorgte sich dann die wesentlich ungefährlichere Variante aus dem Supermarkt.
Ich suchte in meiner Tasche nach dem Schlüssel. Vielleicht sollte ich ihn doch mal in ein extra Fach tun. Aber irgendwie schmiss ich ihn dann doch immer mitten rein. Ich hatte mich schon durch halbwegs alle Hefte und Ordner gewühlt, als die Tür mit einem leisen Klicken aufsprang.
„Katharina, Schatz da bist du ja. Dacht ich mir doch, dass das deine Schritte waren."
„Hey, Mum", murmelte ich und schob mich mit einem Lächeln an ihr vorbei, in unsere kleine aber gemütliche Dreizimmerwohnung. Mum schloss die Tür und strahlte mich an. Sie besaß das, was man wohl allgemein als eine Wahnsinns-Ausstrahlung bezeichnete. Denn obwohl ihre braunen Haare in alle Richtungen aus ihrem unsauber gebundenen Pferdeschwanz abstanden, sah sie einfach atemberaubend aus.
„Ich hab Pilze gebraten, isst du welche mit?", fragte sie und rauschte schon wieder in die Küche. Wahrscheinlich, um die Pilze zu wenden.
Ich hingegen war im Flur in der bestialisch stinkenden Nebelwolke aus Pilzausdünstungen gefangen und hatte Mühe, einen klaren Gedanken zu fassen. Ich hasste Pilze schon seit ich denken konnte. Vermutlich weil meine Mum sie mir schon als Baby in die Gläschen gemischt hatte. Dabei waren Pilze ja bekanntlich Gift für Babys. Mmmh vielleicht kam daher auch meine Physikschwäche, wer weiß. Nachdem sich meine Geruchssinne langsam an den Gestank gewöhnt hatten, brachte ich meine Tasche in mein Zimmer und ging zu meiner Mum in die Küche. Ignorieren war sowieso zwecklos. Meiner Mum entkam keiner. Außer mein Dad. Der drückte sich jetzt schon geschlagene vier Jahre und tourte mit Greenpeace durch Amerika. Was ich ziemlich cool fand, auch wenn ich ihn gern öfter in meiner Nähe gehabt hätte. Mum stand noch am Herd und wendete fleißig ihre Pilze.
„Ich glaub, ich mach mir lieber die Lasagne von gestern warm", sagte ich im Vorbeigehen und fing an den Kühlschrank zu durchstöbern.
„Wie du meinst. Aber du weißt gar nicht, was du hier verpasst. Ich hab eine ganz neue Soße entwickelt." Während sie das sagte, balancierte sie die Pfanne schwungvoll Richtung Tisch. Und was für eine Soße das war, mit leichtem Grünstich und noch am Blubbern sah sie nach einem noch lebenden Schleimgebilde aus. Ich war mit meiner Lasagne definitiv besser bedient. Ich nahm die Auflaufform aus dem Kühlschrank, zog die Alufolie ab und stellte sie in die Mikrowelle. Mum hinter mir gab geräuschvolle mmmh-Laute von sich, um mich von meinem großen Fehler zu überzeugen. Ich versuchte möglichst ruhig zu bleiben, doch die Laute schwollen immer mehr an. Ich biss mir auf die Lippe, um nicht laut loszulachen. Mum konnte als erste nicht mehr an sich halten. Sie lachte lauthals los; über sich selbst. Damit hatte sie noch nie ein Problem gehabt. Ich stimmte schließlich auch mit ein. Als die Mikrowelle schellte, hatten wir uns gerade einigermaßen beruhigt. Zusammen setzten wir uns an den Tisch. Mum wischte sich eine Lachträne weg und schaufelte sich eine Riesengabel grüne Pilzmatsche in den Mund. Dann sah sie mich mit großen Augen an.
„Und, wie ist Physik gelaufen?", fragte sie, während sie ihre zweite Gabel belud.
Ich stocherte ein bisschen in meiner Lasagne herum. Mum war nie böse, aber es war mir trotzdem immer unangenehm, ihr eine schlechte Note zu beichten.

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Pilzlasagne
Comédie„Macht es dir eigentlich Spaß mich in unangenehme Situationen zu bringen?", fragte ich wütend. Jonas überlegte. „Hmm, vielleicht ein bisschen", gab er zu und nahm einen Schluck aus seinem Glas. Ich nahm auch einen, allerdings einen großen, so aufgeb...