~12~ Vertrauen

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,,Aber jetzt sollten wir alle schlafen. Morgen würde ich mich persönlich früh auf den Weg machen. Denn der wird anstrengend." meinte ich in einem autoritären Ton und ging ohne ein weiteres Wort zu meinem Schlafplatz. Das hatte ich bis jetzt noch niemandem erzählt. Nicht ein mal meinen drei engsten Freunden. Dazu bin ich gar nicht gekommen. Und dass ich das jetzt den Zwergen erzählt habe, welche ich erst seit ein paar Wochen kannte, war... naja, eigentlich ganz gut. Endlich hatte ich meine Erfahrung ein klein wenig teilen können.

,,Danke, Fenna, dass du uns das gestern Abend anvertraut hast. Dass du uns ein Teil deiner Geschichte erzählt hast." sagte Thorin, der plötzlich vorne am Boot neben mir auftauchte. Er schaute voller Sehnsucht auf den Erebor. ,,Weißt du, Thorin, ich sollte dir danken." ,,Mir? Warum das? Ich habe rein gar nichts für dich getan. Warum solltest du gerade mir danken?" Er verstand mich einfach nicht. ,,Als ihr aufgetaucht seid, habe ich mich verändert. Und gerade du mit deiner beruhigenden Art hast mich zu etwas anderem, besseren gemacht. Endlich konnte ich mich jemandem öffnen. Auch, wenn das noch nicht alles war." hauchte ich in die kalte Luft hinein. Eine Atemwolke bildete sich und verschwand glitzernd vor mir. Darauf antwortete er mir nicht, blieb einfach still. Doch ich spürte seinen aufmerksamen Blick auf mir.
Ich konnte es nach wie vor nicht fassen. War von mir selbst... naja, schockiert, beeindruckt, überwältigt. Dass ich jemandem so vertrauen könnte, wie ich Thorin jetzt vertraue. Natürlich ist dieses Vertrauen noch nicht so tief, so ausgereift. Aber alleine die Tatsache, dass ich seine Anwesenheit in diesem einen Augenblick und in schon manchen anderen so unglaublich genoss... Das sollte schon was bedeuten.

,,Ich will auch die anderen Kontinente sehen." jammerte Fili beneidend, als wir vom Strand aus los gingen. Abrupt blieb ich stehen. ,,Liebst du deine Heimat? Deine Familie?" wollte ich von ihm wissen. Ein geringer Hauch Traurigkeit schwebte in meiner Stimme mit. ,,Ja. Wieso?" fragte er irritiert. ,,Dann hast du es nicht nötig, über See zu reisen. Erkunde erst einmal Mittelerde." riet ich ihm tonlos, drehte mich dann doch zu ihm um und schenkte ihm ein fröhliches Lächeln. Ich versuchte er jedenfalls. Bevor er etwas sagen konnte ging ich weiter.

Als es dunkel wurde schlugen wir unser Lager auf. Bombur machte wieder das Essen, während die anderen angeregt miteinander redeten. Nur ich saß schweigend da und beobachtete alles. Die kurze Trauer von vorhin war wieder verflogen. Die Trauer darüber, dass alle die hier saßen, eine Familie, eine Heimat hatten, bloß ich nicht. Aber diese ausgelassene Stimmung heiterte mich wieder auf. Machte mich glücklich. Ließ mich meine Sorgen vergessen. ,,Sag, Fenna, warum hast du mich gerade eben gefragt, ob ich meine Familie und Heimat liebe?" kam Fili auf gerade eben zu sprechen.
,,Das kannst du nicht verstehen. Dafür bist du noch zu j... Ach, vergiss es." winkte ich ab. ,,Versuchs. Erkläre es uns, Kind." bat Balin mich. Auch die anderen wurden nun still und schauten mich erwartend an. Nachgiebig seufzte ich. ,,Na gut, wie ihr wollt. Sagen wir mal so, ich hatte damals genug... Das geht euch eigentlich nicht an. Lasst gut sein. Okay?" bat ich sie flüsternd, erhob mich und legte mich auf meine Decke. Irgendwie wurde mir das gerade zu viel.

In der Nacht wachte ich auf. Irgend wer hatte mich getreten. Vermutlich Nori. Da ich eh nicht mehr einschlafen können würde, ging ich etwas spazieren. Ein Bisschen Abstand von den schnarchenden Zwergen bekommen.
Etwas weiter weg, in der Nähe eines Baches legte ich mich ins Gras, die Hände hinterm Kopf verschränkt.
Der Himmel war wolkenbehangen und man konnte nur ahnen, wo der Mond gerade stand.
Plötzlich hörte ich Schritte, gefolgt von einem leisen ,,Fenna?" Es war Thorin, ich hatte ihn schon gespürt. ,,Hier." antwortete ich ihm. Er legte sich einfach neben mich. Ich spürte seinen Blick auf mir, auch, wenn ich ihn nicht sehen konnte. ,,Warum warst du heute Abend so traurig?" wollte er wissen, in seiner Stimme hörte ich tatsächlich Besorgnis. ,,Ich beneide euch. Euch alle. Um eure Verbundenheit, eure Freundschaft. Ihr habt alle eine Familie, Personen die euch lieben, euch vertrauen. Ihr habt alle eine Heimat, einen Ort, wo ihr euch wohl fühlt, wo ihr hingehört. Und ich? Wo gehöre ich hin? Das frage ich mich schon mein Leben lang..." gab ich offen und ehrlich zu. Und in diesem Moment erkannte ich, dass ich Thorin doch mehr vertraute als gedacht. Sonst hätte ich ihm das gerade niemals offenbart. ,,Aber du hast doch bestimmt auch eine Familie, eine Heimat. Oder nicht?" Bitter lächelte ich in die Nacht. ,,Nein, leider nicht." ,,Hm... aber du hast doch uns... du hast doch mich."

Das Geheimnis um FennaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt