Am nächsten Morgen hatte Stan noch immer nicht ganz begriffen, was gestern Abend passiert war. Obwohl er sich alle Mühe gegeben hatte, mit seinem Vater ein vernünftiges Gespräch zu führen, um herauszufinden, warum er Kyle plötzlich so hasste, war nichts dabei herausgekommen. Wenn man sich vor Augen hielt, dass sein Vater Randy Marsch und für abgedrehte Aktionen mehr als bekannt war, war dies eigentlich nicht weiter verwunderlich. Dennoch war Stan zutiefst frustriert, als er zur Bushaltestelle trottete. ,Und dann ist es auch erst Dienstag...scheiß Woche.'
Der einzige Lichtblick war das große Stadtfest, dass am Freitag beginnen würde. Dort konnte man sich den Bauch mit Süßkram vollschlagen, sein Glück an den Ständen versuchen und allerlei Fahrten machen, die ordentlich Adrenalin in den Blutkreislauf schütteten. Stan würde nicht behaupten, dass er Nervenkitzel brauchte, um sich zu amüsieren, aber bisweilen empfand er ein wenig Aufregung als durchaus...anregend.Zu Stans Überraschung tauchte Kyle nicht an der Bushaltestelle auf. Stattdessen musste er sich die Zeit, bis der Bus kam, mit Cartman vertreiben, der natürlich voller froher Hoffnung war, Kyle könnte innerhalb der letzten 24h an Aids, Krebs, Hepatitis oder jüdischer Gier gestorben sein, was der fette Rassist allen Ernstes für eine reale Krankheit hielt.
Stans Laune hatte sich dementsprechend weiter verschlechtert, als er endlich im Klassenzimmer ankam.
„Kyle." Verwundert setzte er sich auf den Platz neben seinem besten Freund, der bereits da war und in einem Buch las. Stans Auftauchen ließ ihn den Kopf heben.
„Oh...hi Alter."
„Wieso warst du denn nicht an der Haltestelle?"
Kyle verzog das Gesicht zu einer genervten Grimasse. „Mein Vater hat meine Mutter gezwungen mich mitzunehmen – und weil sie sowieso in den Kindergarten gefahren ist, war es nicht einmal ein Umweg für sie."
„Aha...stimmt, Kindergarten." Bisher hatte noch keines der Kindergartenkinder versucht Kyles Mutter zu ermorden, obwohl sie schon über einen Tag dort unterrichtete. Stan betrachtete dies als ausgesprochen beeindruckende Bilanz.
Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander, doch es war keine angenehme Stille. Stan war, als sei etwas nicht in Ordnung.
„Alter...ich muss dir was sagen", begann Kyle plötzlich. Er schien eine Weile mich sich gerungen zu haben, denn auch jetzt sah er zu Boden.
Besorgt legte Stan den Kopf schief. „Was? Was ist denn los?" So ernst kannte er Kyle nicht, zumindest nicht grundlos.
„...mein Vater hat mir den Kontakt zu dir verboten."Einen Moment war Stan wie erstarrt. Das drängende Gefühl, diese Worte schon einmal gehört zu haben, verhinderte, dass er sofort reagieren konnte.
„Aha", rang er sich endlich zu einer wenig intelligenten Erwiderung durch.
Kyle sah auf und verengte die Augen zu Schlitzen. „Mehr hast du dazu nicht zu sagen?"
„Doch...ich meine...was?! Deiner auch?!"
„Was soll das denn heißen?", fragte Kyle und starrte Stan verwirrt an.
Da Stan schon wusste, was er nun antworten würde, musste er gar nicht lange nachdenken. „Mein Vater hat mir gestern auch gesagt, ich soll mich nicht mehr mit dir treffen. Aber ich hatte nie vor es einzuhalten. Du natürlich auch nicht", nahm Stan Kyles Antwort vorweg. Er hatte wieder eine dieser seltsamen Visionen gehabt...dieses Gespräch hatte er sich bereits gestern führen sehen, es war ihm nur entfallen. Je mehr Visionen er hatte, desto besser und schneller schien er sich auch wieder an sie erinnern zu können. ,Wenn ich nur mal von einer Mathearbeit träumen würde, das wäre wirklich praktisch.'
„Wirklich nicht zu fassen", murmelte Kyle, was Stan wieder auf sein momentanes Problem aufmerksam machte. Nur, weil man etwas vorhersehen konnte, hieß dies nicht, dass man leichter damit zurechtkam oder gar eine Lösung für Probleme parat hatte.
„Ja, was ein Scheiß." Stan kratzte sich frustriert am Kopf. „Was unsere Alten wohl für ein Problem haben?"
Kyle zuckte, wie erwartet, hilflos mit den Schultern. „Keine Ahnung, aber ich glaube nicht..."
„...dass es an mir liegt", beendete Stan den Satz für seinen besten Freund. „Komm, du hast doch einen Verdacht. Was glaubst du ist los?"
Kyle wurde ertappt rot und sah Stan an. „Woher weißt du das, verdammt nochmal?"
Nun war Stan an der Reihe in Verlegenheit zu geraten. Vielleicht sollte er nicht ganz so deutlich zeigen, dass er die Worte und Reaktionen seines Gegenübers genau kannte.
„Äh...na, du bist doch der klügste Junge in der Klasse", bekam Stan gerade noch so die Kurve. „Wenn jemand weiß, was unsere Väter geritten hat, dann ja wohl du."
Kyle sah Stan noch einen Moment an, nickte aber schließlich. Mit dieser Antwort schien er zufrieden.
Stan unterdrückte ein erleichtertes Seufzen und räusperte sich. „Nun?"
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Seltsame Visionen-Style/Creek
FanfictionEigentlich ist alles wie immer...die Jungs schauen Terrence und Phillip, Kenny stirbt, Cartman streitet sich mit Kyle...doch diesmal artet es dermaßen aus, dass Stan dazwischen gehen muss. Und plötzlich wird er von seltsamen Visionen heimgesucht, di...