Geheimnisse

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Als die Schüler das Klassenzimmer betraten, war der Mathelehrer noch nicht da.
,, Klasse, wozu hab ich mich dann im Bus abgemüht das Zeug abzuschreiben", grummelte Stan und warf seine Tasche mürrisch neben seinen Platz.
Jetzt hätte er das in aller Ruhe erledigen können. Inzwischen sollte er eigentlich wissen, dass Mr. Kay immer zu spät war.
Aber für den unwahrscheinlichen Fall, dass er einmal doch pünktlich war, musste man schließlich immer vorbereitet sein...
,, DAS ärgert dich?", fragte Kyle tadelnd, wobei in seiner Stimme der Vorwurf mitschwang, dass Stan seine Hausaufgaben ziemlich oft abschrieb.
,, Hey, wenigstens hab ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich keine Hausaufgaben mache", erwiderte Stan und ließ sich an seinem Pult nieder.
,, Stimmt..."
Es gab auch Leute, wie Cartman, die ihre Aufgaben schnell während der Stunde zusammen kritzelten. Kyle hatte keine Ahnung, wie der Fette es durch die Grundschule geschafft hatte, geschweige denn in die fünfte Klasse.

Geschäftig kramte Kyle in seiner Tasche, um seine Unterlagen rauszuholen, als er plötzlich etwas entdeckte und erschrocken die Augen aufriss.
,, Ah! Was zum...?!"
Neugierig beugte Stan sich nach vorne.,, Was ist...Alter...!"
Kyle hatte das Pornoheft aus der Tasche geholt, das sein Vater ihm gestern überstürzt in die Hand gedrückt hatte. Auf die Vorderseite war eine kleine Hand gekritzelt, die den Mittelfinger zeigte.
Auch ohne diese Unterschrift hatte Kyle gewusst, dass Ike ihm das Heft in die Tasche gesteckt haben musste.

Kein Wunder, dass der kleine Kanadier so lange gebraucht hatte um seine Tasche von oben zu holen. Er musste das Heft im Müll entdeckt haben und hatte sich wohl entschieden sich für Kyles unsensibles Verhalten in Bezug auf die Kindergartensache zu rächen.
Hey, er hatte am Morgen noch andere Sorgen gehabt als seine Mutter, die wieder eine ihrer einsamen Schlachten schlug!
,Das wird Ike mir büßen...!'

,, Seit wann stehst du denn auf sowas?", fragte Stan entgeistert, begutachtete die nackte Frau auf der Vorderseite skeptisch.
,, Tu...tu ich nicht...!", beeilte Kyle sich zu versichern, als wolle er verhindern, Stan bekäme einen falschen Eindruck von ihm.
,, Mein Vater hat nur...er dachte...ach keine Ahnung, ich schmeiß das scheiß Teil weg!" Hoffentlich würde es diesmal auch im Mülleimer bleiben!

Zielsicher ging Kyle zum Mülleimer genau neben der Tür und hob die Hand, um das Heft endgültig darin zu versenken, als es ihm jemand von hinten aus der Hand riss.
,, Hey, sag bloß, du willst das wegwerfen?! Was bist du denn für ein Jude?"
,, Gib das her Cartman!", fauchte Kyle wütend, als er sich zum Ursprung der Stimme herum gedrehte hatte.
Doch Cartman achtete nicht auf den Rothaarigen.,, Jetzt bleib locker, du willst es doch eh loswerden oder? Also, wer hat Interesse, ein garantiert versautes Heft, nicht für Minderjährige geeignet!"
,, Cartman...!"
,, Komm schon, wir teilen uns die Kohle Hälfte Hälfte."
,, Ach, mach doch was du willst", knurrte Kyle, gab es auf mit Eric ein vernünftiges Gespräch zu führen und schlurfte zu seinem Platz.
,, Schön", rief Cartman selbstzufrieden.
,, Behalt ich die Kohle eben für mich!"
Manchmal fragte er sich echt, wieso Kyle sein Schicksal als raffgieriger Jude nicht einfach hinnahm und dazu stand. Dass er dauernd so tat, als ginge es ihm nicht um Geld und Wohlstand und Macht...

,, Was ist los, will denn niemand erstklassige Ware?", fragte Cartman empört, wedelte mit dem Heft vor Clydes Gesicht herum.,, Komm schon Clyde, du stehst doch auf sowas."
,, Hau ab Cartman", murrte Clyde mürrisch, selbst voll und ganz mit den Matheaufgaben beschäftigt, die er freundlicherweise von Token abschreiben durfte.,, Ich hab kein Geld."
,, Frag doch Craig", schlug Token vor, dem Erics Geschrei gleichermaßen auf die Nerven ging.,, Der steht doch sicher auf solche Sachen."
,,Hm...keine schlechte Idee für einen Schwarzen. Hey, hey Craig!"

Mit blinkenden Augen drehte Cartman sich zu dem Schwarzhaarigen herum, der gerade durch die Tür getreten war, Tweek im Schlepptau.
Es hatte sich als nicht ganz einfach erwiesen den Blonden zu überreden, aus dem Bus auszusteigen und ins Freie zu treten.
Prinzipiell wäre es Craig ja egal gewesen, aber da er an dem Blonden vorbei gemusst hatte, um den Bus zu verlassen, hatte er ihm wohl oder übel gut zureden müssen.
Und da der Schwarzhaarige ohnehin kein Schüler war, der es nicht erwarten konnte sich in den Unterricht zu setzen, hatte er diese kurze Verzögerung als nicht besonders störend empfunden.

Seltsame Visionen-Style/CreekWo Geschichten leben. Entdecke jetzt