Nach dem ereignisreichen Schlittschuhlaufen war Kyle sehr nachdenklich nach Hause gegangen. Sein Vater schien zufrieden, weil Kyle nicht mit Stan auftauchte und ihn auch nicht erwähnte. Sheila schwebte auf Wolke sieben, weil ihre Lehren im Kindergarten offenbar Früchte trugen und sie gelobt wurde. Ike hingegen war jeden Tag schweigsamer und mürrischer geworden, was Kyle nicht wunderte; je begeisterter ihre Mutter war, desto schlimmer war es meist für ihre Kinder. Kyle hatte jedoch seine eigenen Sorgen und konnte sich mit seiner herrischen Mutter im Moment wirklich nicht befassen.,Ich habe Stan geküsst...' Kyle wurde rot, als er an den Kuss auf dem Eis zurückdachte. All die Vorwürfe seines Vaters kamen ihm wieder in den Sinn...als ob er es gewusst hätte. Kyle warf sich auf sein Bett und vergrub den Kopf in seinem Kissen. Gern hätte er mit Stan geredet und alles geklärt...immerhin hatte Stan ihn zurückgeküsst. Er hatte ihn nicht von sich gestoßen, beschimpft und war geflüchtet, er hatte den Kuss erwidert. Dies hatte Kyle deutlich gespürt. Aber was hatte es zu bedeuten? Für ihn und Stan und ihre Freundschaft? ,Ich bin doch nicht schwul...' Dennoch klopfte Kyles Herz, wenn er an den Kuss zurückdachte. Offenbar ging es nicht um das Geschlecht, sondern um Stan...wenn Kyle so darüber nachdachte, war Stan immer schon der Mittelpunkt seines Lebens gewesen, seit der Vorschule. Mit niemandem verbrachte er so viel Zeit und mit keinem hatte er so viel erlebt. Ihm war wichtig, was Stan über ihn dachte und seit jeher hatte er Stan beweisen wollen, dass er kein Feigling oder Schwächling, sondern ein ebenbürtiger Freund war. ,Aber ihn knutschen...oh man...' Kyle vergrub das brennende Gesicht noch fester in seinem Kissen. Es hatte sich weder unnatürlich, noch eklig angefühlt...es war gar nicht anders als bei einem Mädchen, nur das Kyle kein Mädchen, das er je geküsst hatte, derart viel bedeutet hatte wie Stan. Dieser erste Kuss war der Schönste gewesen, den Kyle je gehabt hatte...und je länger er darüber nachdachte, desto wohler fühlte er sich. Genoss die Hitze, die seinen ganzen Körper wohlig ausfüllte und ihm klar machte, dass er Stan nicht nur aus Dankbarkeit ob seiner Rettung geküsst hatte. Der Grund war viel bedeutsamer und tiefliegender.
,Ich bin in ihn verliebt...'„Was ist denn Schatz? Du siehst so blass aus."
„Es ist nichts, Mum." Stan senkte den Kopf noch etwas tiefer über seine Cornflakesschüssel. In Wahrheit hatte er eine furchtbare Nacht hinter sich. Ständig hatte er daran denken müssen, wie Kyle und er sich am Vortag geküsst hatten. Er war danach ziemlich schnell geflüchtet, weil er nicht darüber hatte reden wollen, aber auch jetzt, einen Tag später, wusste Stan nicht, was er von dem Erlebnis halten sollte.
Seinen besten Freund und auch noch einen Kerl küssen...Stan hatte nichts gegen Schwule, aber selbst hatte er sich niemals an dieses Ufer gestellt. Er war immerhin mit Wendy zusammen gewesen und auch Kyle hatte bisher nur Mädchen interessant gefunden. Vielleicht war der Kuss nur aus der Situation heraus entstanden...Kyle wäre fast ins Eis eingebrochen, sie waren beide aufgeregt und erleichtert gewesen und dann war es eben passiert. Nichts, dem man mehr Bedeutung zumessen musste. ,Ja, so muss es sein...' Stan nickte heftig, als wolle er sich selbst von seinen Gedanken überzeugen und löffelte seine Schüssel aus.Der Weg zur Bushaltestelle erschien Stan trotzdem wie der Gang zum letzten Gericht. Kyle wartete bereits dort und Stan sah sofort, dass ihm die gleiche Anspannung ins Gesicht geschrieben stand.
Kaum entdeckte er Stan, lächelte er jedoch. Es war ein aufrichtiges und vertrauensvolles Lächeln, das Stan sofort erwidern musste. Es war ein wenig wie nach Hause kommen.
Eilig schob Stan diese wirren Gedanken zur Seite und riss sich zusammen. „Hi Kyle."
„Hi Stan." Kyle lächelte noch etwas mehr, dieses Mal eine Spur nervös. „Das war ja...seltsam gestern."
Wie immer kam Kyle gleich zur Sache und redete nicht darum herum. Sonst schätzte Stan diese Präzession an seinem besten Freund, nun war sie ihm leider alles andere als recht. „Ja..das war mal...was anderes", stammelte Stan. Er ärgerte sich, dass er sich benahm wie ein kleiner Junge, aber trotz aller Kreaturen, Aliens und Mörder, die sie schon besiegt und zur Strecke gebracht hatten – mit solch einer Situation war Stan noch nie konfrontiert worden und nichts hatte ihn je darauf vorbereitet. Da war sein Vater, dessen schlimmste Befürchtungen offenbar berechtigt gewesen waren, natürlich keine Hilfe gewesen.
„Ja..." Kyle wippte mit den Füßen. „Wir sollten vielleicht darüber reden."
„Ach weißt du, ich glaube, das ist nicht nötig", sagte Stan schnell. „Ich meine, es war...es war eben, wir sollten es vielleicht einfach vergessen."
„Vergessen?" Nun wich der Anspannung in Kyles Gesicht dem altbekannten Funken, der einen baldigen Wutausbruch ankündigte. „Heißt das...dass du es eklig fandest?"
„Was?! Nein! Ich meine..."
„Wir haben uns geküsst", sagte Kyle mit Nachdruck. „Darüber MÜSSEN wir reden."
„Also erst einmal hast du MICH geküsst", stellte Stan klar, obwohl er gar nicht wusste, wieso. Er wusste überhaupt nichts, außer, dass er mit Karacho in ein Fettnäpfchen getreten war, denn Kyles Gesichtsausdruck nach hatte er nicht gesagt, was der jüdische Junge erwartet hatte.
„Wie bitte?!", fuhr Kyle auf und stemmte die Hände in die Hüfte. „Du hast den Kuss doch erwidert! Wenn du es so abstoßend fandest..."
„Das hab ich doch gar nicht gesagt!", verteidigte Stan sich. Ein Streit mit seinem besten Freund würde ihm nun gerade noch fehlen. Eigentlich hatte der Kuss ihm gefallen, aber das konnte er doch nicht zugeben.
„Was willst du denn dann sagen?!", fauchte Kyle, dessen Augen vor Zorn glühten. Stan hatte es geschafft ihn mächtig in Rage zu versetzen. Dies gelang sonst nur Cartman in derart kurzer Zeit.
„Das weiß ich doch auch nicht!", fauchte Stan hilflos zurück. In diesem Moment kam Cartman angewalzt.
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Seltsame Visionen-Style/Creek
FanfictionEigentlich ist alles wie immer...die Jungs schauen Terrence und Phillip, Kenny stirbt, Cartman streitet sich mit Kyle...doch diesmal artet es dermaßen aus, dass Stan dazwischen gehen muss. Und plötzlich wird er von seltsamen Visionen heimgesucht, di...