Teil 1

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*Sicht Manuel*

Aufgeregt saß ich, neben meinem besten Freund Claus, im Bus. Wir fuhren schon 4 Stunden und bald würden wir in Hamburg ankommen. Dann lebe ich eine Woche bei einer fremden Familie. Claus sah das als große Chance, neue Leute kennen zu lernen. Auch wenn die Leute so weit entfernt wohnen. „Entspann dich mal", lachte Claus neben mir. „Du stellst dich ja an, als würdest du gleich den Typen deines Lebens treffen." Ich schlug ihm mit dem Handrücken auf die Brust. „Sei ruhig", zischte ich. Ich wollte nicht das meine Klasse wusste, dass ich Schwul war. Auf dumme Kommentare konnte ich verzichten. Claus gluckste in sich hinein. Genervt starrte ich aus dem Fenster.

Wir fuhren auf der Autobahn und die Bäume zogen schnell an uns vorbei. In meinem Kopf waren so viele Gedanken. Wie wird meine Austauschfamilie wohl sein und wie war die Klasse, mit der wir zusammen Unterricht hatten und in den Sommerferien in die Freizeit fahren. Und wie war mein Austauschkollege. Hoffentlich war das nicht so ein obercooler Typ, der sich für was Besseres hält. Solche Menschen mochte ich gar nicht. Tom aus meiner Klasse war so einer. Er prollte immer damit, dass er so viele teure Klamotten hat und schon seinen Führerschein. Er trug sogar eine Rolex. Die Mädchen fanden ihn total toll und stritten sich regelrecht darum, wer in den Pausen bei ihm sein durfte. Um mich wurde nie so ein Wind gemacht. Ich war eher der Schüler, den keiner bemerkte. Dessen Noten auch nicht sonderlich gut waren und der, der öfter mal zu spät kam. Meine Klasse ignorierte mich die meiste Zeit.

„Freust du dich echt so sehr?", wollte Claus wissen, als wir die Koffer aus dem Bauch des Busses hievten. „Ne eigentlich gar nicht. Bin eher aufgeregt", antwortete ich und schulterte meine Tasche. „Das wird schon nicht so schlimm.", lächelte Claus zurück und nahm seinen Trolli. Wir gingen zu unserem Lehrer und warteten, bis der Rest der 20 Schüler kamen. Die Mädchen kicherten und wirkten noch aufgeregter als ich. Ich versuchte es nämlich so gut es ging zu verstecken. Zwar blieb mir die Luft weg und mein Herz schlug viel zu schnell, jedoch wollte ich nicht als Pussy dastehen. Nachdem wir einmal durchgezählt wurden und festgestellt wurde, das alle da waren, gingen wir in die fremde Schule. Es war Sonntag und somit war nichts los. Bis auf die Aula. Dort tummelte sich die andere Klasse. Ich ließ meinen Blick durch die Halle streifen. Eine Gruppe von Mädchen, eine kleinere von drei Jungs und eine größere mit beiden Geschlechtern. Zwei Lehrer standen an der Seite und unterhielten sich. Als der eine uns bemerkte, grinste er sofort los. „Da sind ja die Schüler der Adelkampschule. Schön, dass sie gut angekommen sind.", begrüßte er uns. Sofort sahen uns alle Schüler an und in mir stieg ein starkes Unwohlsein auf. Ich wusste, das sie nicht nur mich anstarrten. Aber es fühlte sich so an. Gedemütigt senkte ich meinen Blick auf den dreckigen Fliesenboden. „Was denkst du, zu wem du kommst?", fragte Claus mich. Ohne ihn anzusehen, zuckte ich mit den Schultern. „Das wird bestimmt gleich bekannt gegeben.", fuhr er fort. „Euer Gepäck könnt ihr hier stehen lassen. Und dann folgt mir bitte alle!", rief der mir noch immer fremde Lehrer zu uns. Ein Gewirr aus Leuten und Stimmen entstand und hektisch stopften alle ihr Gepäck an die Wand. Seufzend stellte ich meins als letztes daneben und schlürfte neben Claus hinter den anderen her.

Wir wurden in einen Klassenraum geführt, wo wir uns setzen sollten. An der Tafel stand unser Lehrer mit den zwei Fremden. Der, der vorhin schon gesprochen hatte, musterte uns. Dann trat er ein schritt nach vorne uns räusperte sich laut, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. „So meine Lieben. Willkommen an der Rudolf Steiner Schule. Ich bin Herr Jetschiny. Ich hoffe ihr hattet eine angenehme Reise. Ich werde jetzt immer zwei Namen aufrufen. Jeweils einer von dieser Schule und einmal jemanden aus der Adelkampschule. Das wird dann euer Austauschpartner sein. Alles soweit verstanden?", erklärte Herr Jetschiny. Die Menge brummte zustimmend. „Ich will dann, das ihr euch kurz vorstellt. Euren Namen, alter und vielleicht noch eure Hobbys.", hing er noch hinten ran. Ich sackte in den Stuhl hinein. Sowas hasste ich. Wir waren bestimmt um die 40 Leute. Unangenehmer konnte es ja nicht mehr werden. Zuerst wurde ein Mädchen aufgerufen. Sie hatte lange blonde Haare und eine niedliche Stupsnase. Sie stellte sich als Melanie vor. Dann wurde dazu Lisa aus meiner Klasse aufgerufen. Und so ging es weiter und weiter. Claus bekam einen etwas dicken Jungen als Austauschpartner namens Justus. Die beiden saßen jetzt zusammen und schienen sich echt gut zu verstehen. Claus kam immer gut mit jedem aus. Manchmal fragte ich mich, wie er das machte. Jeder mochte ihn. „Manuel Büttinghaus.", erklang die Stimme von Herr Jetschiny. Ich schaute auf, in sein Gesicht, was mich auffordernd ansah. Zögerlich stand ich auf und schritt nach vorne. Meine Hände fingen an zu schwitzen. „Ehm, ich bin Manuel. Bin 17 Jahre alt und ehm, hobbys habe ich eigentlich keine so wirklich. Ich spiele Klavier aber mehr auch nicht.", stammelte ich fast schon unter schnappatmung. Claus lächelte mir Mut machend zu. „Gut, gut. Dann Patrick Mayer.", sagte der Lehrer. Ich schaute auf einen Jungen, der vielleicht ein Kopf kleiner war als ich. Er ging breit grinsend auf mich zu und gab mir die Hand. „Moin.", sagte er nur zu mir. Ich nickte etwas verwirrt. Das war also mein Austauschpartner. Er drehte sich zur Klasse. „Ich bin Palle, bin 18 und spiele Fußball in einer Mannschaft und bin dort Torhüter." „War so klar, dass du das erzählst.", rief ein Mädchen aus seiner Klasse. Ich hörte Patrick leise lachen. „Setzt euch dahinten hin.", befahlt uns Herr Jetschiny und wir beide taten was er sagte. Ich setzte mich auf einen Stuhl und Patrick auf den Tisch vor mich, sodass er mir die Sicht nach vorne versperrte. Augen verdrehend stützte ich mein Kinn auf meine Hand und lauschte weiter den Geschehnissen. 

Der Austauschschüler /eine Kürbistumor fanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt