Vier Stunden.

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Der Tod war grausam. So schrecklich und schmerzhaft, wie es noch nicht mal der Betrug in einer langjährigen Beziehung sein konnte. Zumindest aus meiner Sichtweise. So sehr ich es auch verleugnen wollte, auch ich hatte unheimliche Angst vor dem Tod. Es war ein Fehler von mir, zu versuchen die Leiche hinter dem Thresen zu identifizieren. Die Tatsache, dass ich diesen Kerl nicht gekannt habe, machte das Ganze jedoch nicht unbedingt einfacher. Denn trotz, dass ich mir vor wenigen Stunden geschworen habe, so selbstsüchtig zu sein und nur noch an mich zu denken- desto stärker musste ich darüber nachdenken, was der Tote wohl für ein Leben gehabt hatte.

An seiner Hand war kein Ring. Also war er nicht verheiratet oder hat das Schmucksstück für seine Arbeit abgenommen. Ob er vielleicht sogar geschieden war?

Hatte der Mann Kinder? Geschwister? Eltern, für die er sorgte Freunde, die auf ihn warteten. Besonders alt war er nicht, allerhöchstens Anfang Vierzig.

Egal was nun von dem zutreffen würde, eines war sicher: Der Mann hat nicht sterben wollen. Sein Gesichtsausdruck, mit dem er gestroben war erzählte die wenigen, letzten Momente seines Lebens von ganz alleine. Den Mund zu einem erstickten Schrei so weit aufgerissen, dass seine Mundwinkel bluteten, seine Augen zeugten von einer Panik, als würde er dem Tod ins auge blicken. Und dann waren da noch die drei Einschussöcher in seinem Oberkörper, durch die er an inneren Verletzungen sowie zu hohem Blutverlust erlegen ist.

Ob er gelitten hatte? Ob der Tod durch eine Schusswaffe anders ist als der durch beispielsweise ein Messer? Macht es überhaupt einen Unterschied, wenn man vor seinem Ende litt? Denn wenn es vorbei war, dann war es vorbei. Ganz gleich wer du warst und wie du die Welt verlassen hast oder musstest. Und genau diese Gleichheit machte mir auch Angst. Ich glaubte nicht, an einen Himmel oder eine Hölle. Ich glaubte nicht, dass es ein Jenseits gab, indem die Seelen der Menschen weiterlebten. Ich hatte die Hoffnung, das Ende wäre wie schlafen. Denn dann würde ich nicht einmal bemerken, dass ich Tod war und die Last, die auf meinen Schultern läge, wäre für alle Ewigkeit verschwunden, wie sie es während der Nächte auch immer für einen kurzen Moment war.

Appropos Schlaf. Langsam sah man uns an, dass wir allmählich wirklich ein Bett brauchten. Ich war nun bereits 20 Stunden auf den Beinen. Namjoon als Chirurg der Gruppe meinte er habe bevor er ins Einkaufzentrum kam zwei siebenstündge Operationen hinter sich gehabt. Seine Augenringe waren sogar noch tiefer als die von Taehyung, der über die letzte Woche hinweg immer ein wenig mehr Zeit fürs Lernen geopfert hat, wie er auf die Frage seines zerknautschten Gesichtes geantwortet hatte.

Die Einzigen, die hellwach waren, waren Yoongi und Hoseok. Yoongi, welcher die Leiche in ein Tischtuch gewickelt und in den Abstellraum getragen hat, um es dem völlig verstörten Jimin leichter zu machen, da dieser ununterbrochen am Weinen war. Und Hoseok ... der Kerl war der Adrenalinjunkie, wie man ihn sich nunmal Vorstellte. Frei und ignorant, sogar ein wenig arrogant. Auch wenn Empathie nicht zu seinen Stärken zählte, gab er sich größte Mühe, ebenfalls den kleinen Lehrer zu trösten und die Gruppenstimmung vor dem Kippen zu bewahren, falls es dort noch was zum Kippen gab.

Seokjin war der Einzige der teilnahmslos in der Sitzecke saß und auf sein ausgeschaltetes Handy in seinen Händen starrte. Seitdem wir hier waren, hat er kein Wort mehr von sich gegeben, sondern sich einfach abseits von der Gruppe niedergelassen.

Und ich? Ich presste meine Lippen weiterhin feste zusammen, als würde ein unsichtbares Siegel auf ihnen liegen und mich daran hindern, auch nur einen Mucks von mir zu geben. Mit meinem Schweigen scheinen sich die Anderen jetzt abgefunden zu haben. Es gab weitaus wichtigeres, als einen Fremden zum Sprechen zu bewegen.

,,Ich hab auch in der Kühlkammer nachgesehen, viel mehr als das war dort nicht übrig"; seufzte Namjoon und hielt zwei Schinkenwürste in die Höhe, ehe er sich in der kleinen Runde ebenfalls zu Boden sinken lies und Yoongi ihm mit einem Taschenmesser beim Aufteilen half.

24 HOURS || jjk.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt