Fünfzehn Stunden.

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,,Im Fahrradgeschäft?", fragte Jin leise und fuhr sich mehrmals durch das Haar ehe er sich über die Lippen leckte und dann müde ins Leere starrte.

,,Ich schätze ich bin nicht der Einzige, der das Gefühl hat, dass Alles hier keinen Sinn mehr ergibt?"

,,Keinen Sinn mehr? Ich hab seit der ersten Sekunde hier keine wirkliche Bedeutung in den ganzen Geschehnissen gesehen", meinte Taehyung nur und lies den Kopf in den Nacken fallen.

Wir wiederholten uns immer und immer wieder. Wir drehten uns im Kreis. So kam es mir jedenfalls vor. Und das die ganze Zeit. Jeder Atemzug, jede Bewegung, jeder dämliche Gedankengang, der dem Hinterfragen unseres irsinnig verstörendem Schicksals golt, war ja schon zur Routine geworden. Und diese Routine, eine Selbstverständlichkeit vom Wiederholen solcher eigentlich gravierend verletzenden und zerstörenden Erfahrungen, wie es diese grotesken Tode waren...das sorgte für eine moralische innere Unruhe.

Man konnte einem jeden von uns ins Gesicht schauen, würde nur sehen, wie wir alle mit uns kämpften. Jeder von uns war am Denken, am Überarbeiten unserer eigenen Art und Weisen zu leben. Und noch niemand von uns kam bisher zu einem Ergebnis.

,,Dann los. Wer weiß, wer diesmal leidet", räusperte sich Namjoon und stand auf. Ich bewunderte den Chirurgen für seine Kraft, seine Willensstärke. Ich fragte mich, wie er es schaffte, auch die tragende Stütze für uns Andere zu sein. Hatte vermutlich mit seinem Job zu tun. Aber so oder so, im Großen und Ganzen war es einfach nur traurig. Denn dies befand sich im direkten Zusammenhang mit dem kontinuierlichen Ableben der Menschen. Andererseits auch bemerkenswert. Denn die Hoffnung nicht aufzugeben, auch wenn die Hoffnung bereits mehr als nur verloren schien.. diese Tatsache zeugte von wahrer innerlicher Stärke. Eines Privilegs, den ihn leider nicht besaß.

,,Wenn er oder sie nicht bereits tot ist", grummelte Hoseok leise und kassierte einen wütenden Blick von Yoongi.

,,Nein er hat Recht, lasst uns los. Wie müssen es versuchen-"

,,Müssen tun wir gar nichts", stellte Hoseok klar, der dann tief durch atmete: ,,Aber wir haben nichts, was wir sonst tun könnten."

Mit Ausnahme von Aufgeben. Verzweifeln. Sterben. Alle dachten daran, doch niemand sprach es aus. Es war ein stummes Verständnis über die jetzige Situation.

,,Wir müssen eine Etage höher", räusperte sich Taehyung leise und wir schauten uns um, beschlossen zu der nächstgelegenen Rolltreppe zu laufen, diese dann nacheinander hoch zu steigen.

,,Ist euch eigentlich aufgefallen, dass wir seit längerem nicht mit den Leuten von Nathaniel zusammengeprallt sind?"

,,Halt die Fresse Jimin, sonst treffen wir gleich auf die. Das ist immer so. Das Schicksal kann es nicht lassen uns zu ficken", knurrte Jin leise und Namjoon seufzte genervt, sagte aber nichts. Denn irgendwie glaubten wir alle an den Aberglauben, wenn man danach nicht dreimal aufs Holz klopfe, tirtt der vorher genannte, noch nicht eingetretene Fall wie durch Zauberhand ein.

Doch als wir oben ankamen, uns vorsichtig vorarbeiteten, war niemand zu sehen. Keine Menschenseele befand sich auf dieser Etage, oder so schien es jedenfalls.

,,Da vorne", meint Taehyung leise und zeigte mit seinem Finger in eine bestimmte Richtung. Wir folgten seinem Arm und entdeckten ebenfalls den dunklen Fahrradladen, mit den vielen Reifen, die im Schaufenster ausgestellt waren. Konzentriert und mit geschärften Sinnen machten wir uns auf den Weg.

,,Wartet", erklärte Yoongi und zog dieses Strommessgerät vonvorhin aus seiner Jackentasche, hielt dieses an die Türklinke und nickte dann: ,,Man kann nicht vorsichtig genug sein."

Wir gingen nun in das Geschäft, hielten Ausschau nach allerlei Fallen oder sonst was. Doch weder Wasser am Boden, noch irgendwelche spitzen Gegenstände lagen hier rum, oder waren an der Decke festgebunden.

,,D-die haben hier Motorräder", lies mich der auferegte Aufschrei von Hoseok aufzucken und ich sah verwirrt zu ihm hin, während er seinen Helm mit den Handschuhen fallen lies und in seiner eigenen kleinen Welt war, als er sich der Maschine näherte und mit seinen Fingerspitzen und Augen so groß wie Billiardkugeln, den mattschwarzen Lack anhimmelte.

,,H-hoseok.. lass das Motorrad- wir müssen uns konzentrieren", zischte Jin leise. Namjoon oder Yoongi brachten es in jenem Moment nicht fertig, ihn von einer Leidenschaft zu trennen, die er in seinem Leben sonst immer ausgeübt hatte. Von der er denkt, sie niemals wieder ausüben zu können.

,,Nicht so schön wie mein Baby.. aber kommt schon nah dran. Heilige scheiße..", hachte der Rennfahrer wie in Trance, blinzelte dann perplex und fing sich wieder.

,,T-tut mir leid.. ich.. ja ", räusperte er sich und gesellte sich wieder zu uns. Ich musterte ihn fragend, auch Jimin schien diese charakter-untypische Handlung Hoseok nicht entgagen zu sein. Sich entschuldigen? Und dann dieser kleine Moment, in dem sein Blick leer gewesen war.. was hatte er zu verbergen?

In unserer kleinen Kolonne durchkämten wir das Geschäft, welches von außen viel kleiner ausgesehen hatte. Hier drinnen war es mer wie eine Halle aufgebaut, die Fahrräder systemathisch in Reih und Glied aufgestellt.

,,Hier ist Blut", rief Jin und deutete auf ein paar dunkle Flecken auf den hellen Fliesen. Die Spur aus Flecken führte uns durch ein Labyrinth aus Fahrrädern, bis hin zu einer Reihe an Fahrrädern, an welchen man schon von weitem zu stutzen anfing. Einige Fahrräder waren umgekippt, zerstörten somit die perfekte Symetrie des Geschäfts.

Als wir dann allerdings dem Grund dafür begegneten, war mir nach kotzen zu Mute. Bevor Jimin es sehen konnte, drehte Taehyung ihn grob weg und zog ihn direkt mit an den Anfang des Ladens.  Ein Mensch lag dort, wo ein Fahrrad stehen sollte. Und sein gesamter Körper war durchbohrt mit diversen Speichen von so einigen Fahrradreifen. Zwei der Speichen bhrten sich durch sienen Hals, einer schaute aus seinem Mund raus. Als Namjoon nach kurzer Schockstarre dann vor trat um den jungen Mann hoch heben zu wollen, stellte er fest, dass einige Speichen die Leiche wie Nägel an den Boden unter ihn fesselten. Diese grausame Art der Hinrichtung lies einem dementsprechend auch die Galle hoch kommen.

Ich hätte auf Holz klopfen sollen, denn in genau demselben Moment drehte sich Jin ruckartig weg, um sein Aufgestoßenes nicht direkt in unserem Sichtfeld zu zu verteilen.

,,Der Mann war 28 Jahre alt. Sein Name ist Yesung.. ich denke sein Nachname ist Park", flüsterte der Chirurg, der die durchlöcherte Ausweiskarte des Angestellten von einer der Speichen abzog und dem Toten dann mit einer Handbewegung die Augen schloss.

,,Wir sind immer zu spät"; flüsterte Yoongi und drehte sich um, ging zu Jungkook und Jimin. Jin wurde von Namjoon ebenfalls raus begleitet, während Hoseok seine Augen nicht von Yesung nehmen konnte.

Vorsichtig ging ich auf ihn zu und nahm seine Hand, drückte diese leicht und zog sanft an seinem Arm. Er erwiederte den Druck, ich sah auf. Ich sah ihn sein Gesicht.
Und ich sah Tränen. Er weinte. Und aus den stummen Tränen wurde ein leises Schluchzen. Ich wusste nicht, was zu tun war. Es war eher selten, dass ein Mann neben mir anfing zu weinen, während ich seine Hand hielt. Aber es war auch eher selten, dass ich so vielen Toten begegnete.

,,Fünfzehn Stunden sind jetzt rum. Die Sechzehnte beginnt nun. Drei Schlüssel habt ihr. Einer fehlt euch noch. Vielleicht habt ihr diesmal Glück? Eine 35 Jahre junge Frau wartet auf euch, direkt über euch~", kicherte die kranke Stimme verzerrt durch die Lautsprecheranlage, bevor die Übertragung endlich wieder endete.

Dann lag meine Konzentration wieder auf Hoseok. Dem knallharten Kerl, der nun so hart war wie ein Grashalm. Doch selbst die Großen knickten irgendwann ein, das war normal.. nur nicht wie es dazu kam, war normal.

,,Es ist alles meine Schuld", hauchte Hoseok leise.

24 HOURS || jjk.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt