Sechzehn Stunden.

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Träne um Träne lief dem jungen Mann über die Wange, er machte sich nicht die Mühe, diese aufzuhalten. Er scluchzte hemmungslos, weinte einfach immer weiter. Und ich stand daneben und wusste nicht, was ich tun sollte.

,,Es ist alles meine Schuld. Einfach alles. Es tut mir so leid. Oh Gott", schluchzte er und schüttelte immer wieder den Kopf.

,,Hey, Jungs, was braucht ihr so-", Namjoon verstummte als er uns sah und ich warf ihm einen hilfesuchenden Blick zu. Hoseok drückte meine Hand noch immer verdammt feste.

,,Ich.. ich hab damals einen riesigen Fehler begangen. Es tut mir so leid.. bitte verzeiht mir, vergebt mir doch.. ich kann diese Schuld, die Last kaum noch ertragen", rief er verzweifelt, doch ich war davon überzeugt, wir waren nicht diejenigen, die er meinte.

,,Wow.. beruhig dich erstmal, lass uns hier raus und dann können wir in Ruhe über alles rede-"

,,KÖNNEN WIR NICHT! DENN SIE SIND TOT!", schniefte er laut und wand sich heftig. Sein Kopf sank tiefer zwischen seine Schultern und er schloss die Augen.

,,Sie sind alle tot. Da gibt es nichts zu reden, denn ich habe sie alle umgebracht."

,,Wen Hoseok? Wen hast du umgebracht?", fragte Namjoon dann und legte ihm eine hand auf die Schulter, schaute von unten in sein Gesicht.

Der Rennfahrer schluchzte leise und richtete sich dann auf, leckte sich über die Lippen: ,,Eine  fünfköpfige Familie."

Bei Namjoons und meinem verwirrten Blicken, seufzte er leise und seine Schultern fingen wieder an zu beben. Ihn irgendwie weiter auszufragen erschien mir fehl am Platz, so gebrochen wie er bereits war.

,,E-es ist gar nicht so lange her, ein paar Monate vielleicht", flüsterte er und rieb sich dann endlich über die Augen.

,,Es ist Nachts passiert. Ich bin mit meinem Motorrad durch das Gebirge gefahren, habe mir das Adrenalin in jeder Kurve aus den Ohren schießen gespürt. Es war großartig, die ganze Gefahr und das alles. Als es anfing zu regnen.. ich dachte mir nichts dabei. Größeres Risiko, mehr Glücksgefühle. So war es auch anfangs."

Er dückte meine Hand ein Stückchen fester. Er hielt sie die ganze Zeit fest umklammert. Als wäre ich sein letzter Halt, das Letzte, was ihn an seine Menschlichkeit band. Das Letzte, was ihn daran erinnerte, noch am Leben zu sein.

,,Doch irgendwann, da habe ich die Kontrolle über mein Bike verloren. Es war früher Winter, ziemlich kalt also. Durch den Regen haben sich gerade in den Kurven verdammt glatte Stellen gebildet. Irgendwann.. als ich mich wieder tief in eine Kurve geneigt habe, bin ich weggerutscht."

Namjoon und ich hörten ihm gedulig zu. Wir machten keine Anstalten, nervös oder hektisch endlich weiterzugehen. Jeder Mensch hatte das Recht dazu, gehört zu werden. Egal was er getan hat oder in welcher Situation man sich gerade befand.

,,Ich habe es gerade so noch geschafft von meinem Bike zu kommen, welches einfach weiterrutschte und durch die Berüstung krachte. Ich war auf dem Weg nach unten gewesen.. das Motorrad flog also einige Meter weiter nach unten."

Ich schluckte feste, als ich zu wissen glaubte, was jetzt kommen würde. Und ich wollte es nicht hören, denn irgendwie würde es nur erneut beweisen, wie schrecklich die Zufälle des Schicksals sein können.

,,Die Maschine.. krachte geradewegs in das Auto von einer Familie, die gerade auf dem Weg zu Verwandten waren. Die Kinder.. waren 13, sieben und fünf. Zwei von ihnen waren direkt tot, das Jüngste erlag seinen Verletzungen binnen weniger Minuten. Die Mutter starb, als man sie von dem Motorrad zog, welches sich durch ihren Nacken und die Schulter gebohrt hatte."

Er holte tief Luft. Scheinbar erzählte er zum ersten Mal jemand anderem von seinen qualvollen Schuldgefühlen. Die Worte schienen wie eine zähflüssige Masse über seine Lippen zu komme.

,,Der Fahrer.. der Familienvater.. er schaffte es schwerverletzt ins Krankenhaus, wo er in einer Operation für hirntoterklärt wurde."

,,Oh verdammt", fluchte Namjoon lise und Hoseok lachte leise auf, sah ihn mit tränenüberströmten Wangen an: ,,Das ist nicht einmal das schlimmste von allen."

,,Ich bin sofort zu dem Auto gerannt, ich war der einzige Zeuge. Ich habe den Vater gehört.. er hat gesungen. Er hat geweint, gelächelt und ein scheiß Schlaflied gesungen für seine verreckten Kinder. Seine Frau hat geschrien, war nicht mehr sie selbst. Doch der Mann.. er hat einfach.. einfach gesungen"; hauchte Hoseok und ich bekam eine Gänsehaut.

,,Jedes Mal wenn ich mich aufs Motorrad setze, jedes Mal wenn ich einschlafe, wenn ich extrem glücklich mit meinem Leben bin oder richtig scheiße gebaut habe, sehe ich dieses Auto vor mir. Ich sehe die Gesichter der toten Kinder, das ganze Blut. Ich höre im Hintergrund das schmerzerfüllte Kreischen der Frau. Und immer und immer wieder, wie in einer Dauerschleife, das Schlaflied, dass dieser Mann gesungen hat."

,,Hoseok, dich trägt keine Schuld", versuchte Namjoon doch Hoseok hob einfach seine Hand und schüttelte den Kopf.

,,Es IST meine Schuld. Ich bin an dem Tag dort gefahren, vie zu schnell gefahren. Ich habe nicht nur mich sondern ach diese Familie damals in gefahr gebracht."

,,Aber du hast es nicht wissen können, du dachtest du wärst alleine. Außerdem war es ein Unfall, du hast es nicht mit Absicht getan."

,,Und wenn schon", flüsterte Hoseok und atmete tief durch, schien sich beruhigt zu haben.

,,Wir sollten endlich weiter machen oder nicht", meinte er leise und lies dann meine Hand los, ging in Richtung Ausgang. Namjoon und ich folgten ihm.

Kurz vor dem Ausgang trafen wir auf unsere restliche Gruppe, deren Gesichter alle von tiefem Mitleid und Bedauern geprägt waren. Sie hatten anschneinend gelauscht.

,,Was ist? Ich habe auch meine Probleme. Ich habe auch Dinge mit denen ich zu kämpfen habe. Ich bin ein Mensch, genauso wie ihr. Also hört auf mich so anzustarren", meinte er, klang bereits fast wieder so wie der Hoseok, den wir zu Anfang kennenlernten.

,,Also.. falls nicht noch jemand sein Herz ausschütten will, würde ich gerne weitermachen."

,,Wieso hast du das getan? Wieso hast du uns allen davon erzählt?", fragte Yoongi dann gerade heraus.

,,Warum fragst du?", mente Hoseok und drehte sich zum ehemaligen Soldaten.

,,Weil ich das Gefühl habe, nicht mehr besonders lange zu Leben. Und ich habe es nie öffentlich zugegeben geschweigedenn mich entschuldigt. Ich kann es nicht wieder gut machen und ich werde mit Sicherheit auch nicht mehr in den Himmel kommen, doch bevor ich jetzt demnächs abdanke, wollte ich mir das Privileg vorbehalten wenigsten einen kleinen Teil meines Gewissens zu entlasten."

Die Erklärung war nicht schlecht. Nein, ich konnte sie sogar sehr gut nachvollziehen. Ich würde es am liebsten ihm gleichtun, hätte ich nicht geschworen bis ich jemand anders war zu schweigen.

,,Also, hast du noch was was du sagen möchtest?", fragte Hoseok mit etwas Nachdruck und Yoongi starrte einfach ins Leere.

Eine Weile passierte einfach gar nichts. Wir standen einfach da und warteten, fragten uns,  ob noch was folgen würde.

,,Ich habe zwei meiner Kameraden auf dem Gewissen", meinte er dann mit fester Stimme.




Die Sünden der Jungs werden langsam erklärt, fehlt nur noch wie genau es bei Yoongi passiert ist und dann das große Mysterium um Jungkook.
Gibt es irgendwelche Meinungen, Fragen, Spekulierungen oder Kritikpunkte bisher? Ich würde mich gerne ein wenig mit euch unterhalten ;)

24 HOURS || jjk.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt