Kapitel 17

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Ich sehe aus dem Autofenster, während Yusuf fährt. Meine Eltern kennen hier zum Glück nicht viele Leute, sonst wäre das mit Yusuf gerade unmöglich. "Du siehst so nachdenklich aus." höre ich plötzlich Yusuf. "Ich frage mich, wie es wäre, wenn meine Eltern mehr Bekannte hätten. Das mit uns würde gar nicht funktionieren.". "Liebe ist Liebe." sagt er einfach. "Du weißt, dass wir uns sowieso Mal kennen lernen werden." sagt er plötzlich und greift nach meiner Hand, die in meinem Schoß ruht. "Wie?" Irgendwie komme ich nicht mit. "Deine Eltern und ich. Wenn ich dann komme, um um deine Hand anzuhalten." grinst er. "Bitte wie meinen?!" frage ich aus dem Konzept gebracht. "Jetzt sei doch nicht so überrascht, ich liebe dich, dokhtar (Mädchen). Und wenn wir halt mal heiraten, muss ich deine Eltern ja vorher um Erlaubnis fragen." Ich habe selber nicht so weit gedacht. Überhaupt nicht. Ich bin froh, dass wir schon Mal gestehen konnten, dass wir uns lieben, natürlich ist der Junge den ich liebe hoffentlich auch mein Ehemann, also ja indirekt habe ich daran gedacht. Aber das nach einem Tag von einem Jungen wie Yusuf zu hören ist erstaunlich. Ich meine klar, er hat sich verändert, aber ... Jungen denken doch allgemein nicht an sowas. "Ich liebe dich schon etwas länger als einen Tag, das ist dir klar oder, da denkt man auch über sowas nach. Ich bin 18 und wenn ich weiß, dass du die Richtige bist, dann heiraten wir doch auch." sagt er locker. Ich sehe ihn einfach nur an. Trotzdem macht sich ein warmes Gefühl in mir breit. Das ist echt erstaunlich. Er löst Emotionen in mir aus, die ich so noch nicht kannte. Ich lächle und sehe ihn dann an. Er lächelt auch und irgendwann kommen wir dann auch an der Schule an.

Als wir aus dem Wagen steigen, ergreift Yusuf meine Hand und ich sehe zu ihm auf. Er lächelt bloß und wir laufen weiter, an allen vorbei, die uns ansahen, und wenn ich gewusst hätte, über was für ein Repertoire an Blicken Menschen eigentlich verfügen, hätte ich Yusuf nicht meine Hand ergreifen lassen. Doch als könnte er meine Gedanken lesen, drückt er meine Hand noch etwas fester. Ich sehe wieder zu ihm auf, doch er sieht nur nach vorne, mit einem wissenden Lächeln. Ich kann nicht anders als lächelnd wieder nach vorne zu sehen, doch mein Lächeln verflog wieder als ich sah, wie Can gerade aus dem Schulgebäude kam und mich plötzlich musterte. Sein Blick war der schlimmste von allen. Enttäuschung, Überraschung und vor allem Schmerz. Ich hab ihm gestern eindeutig zu viel Hoffnung gemacht und er... hat es auch noch ernst genommen. Ich bin ein schrecklicher Mensch.

"Hey, was ist los?" höre ich Yusuf fragen, der wohl gemerkt hat, dass jeder Muskel meines Körpers zum Zerreißen gespannt ist. Ich sehe nur geschockt zu Can der plötzlich auf uns zu kam. "Ich.." doch bevor ich irgendwas tun konnte, stand Can bereits vor uns, nicht mal außer Atem, obwohl er gerade in weniger als 10 Sekunden bei uns gewesen ist, ohne zu sprinten. Bei der Entfernung... ihm muss das jetzt wohl echt wichtig sein... was bin ich nur für ein Mensch?

"Na, Cano." grinst Yusuf und ich stoße ihm den Ellenbogen in die Seite. "Was denn?" fragt er einfach und legt einen Arm um meine Schulter. Besitzergreifender Mistkerl. Er weiß, dass ich Can als Freund behalten möchte, trotzdem zieht er jetzt so eine Aktion vor ihm ab. Natürlich, muss Can akzeptieren, dass nichts mehr mit uns in Richtung Liebesbeziehung passieren kann, jedoch ist das kein Grund ihm das unter die Nase zu reiben. "Kann ich mit dir alleine reden, Nila?" fragt Can nun angespannt, versucht Yusuf so gut wie möglich zu ignorieren. Gerade möchte ich für eine Antwort ansetzen, doch die Klingel unterbricht mich bei meinem Handeln. "Oh, sieht so aus, als wäre das jetzt schlecht, noch 10 Minuten bis der Unterricht beginnt." sagt Yusuf stattdessen mit den Schultern zuckend und zieht mich mit sich. Ich sehe ihn einfach nur mit zusammengepressten Lippen an. Das kann doch nicht sein Ernst sein. "In der Pause, in der Bibliothek." rufe ich Can noch zu. Im Gebäude angekommen zieht er mich an allen anderen Schülern vorbei in den Gang, wo der Raum für unsere nächste Stunde ist. Ich lehne mich an die Wand und seufze, lehne meinen Kopf an die Wand und sehe hoch, doch statt der Decke sehe ich Yusufs Gesicht. "Du wirst nicht mit Can reden." sagt er schlicht, während er auf mich hinab blickt. "Ich glaube das hast nicht du zu bestimmen." sage ich und streiche mir eine lose Haarsträhne hinters Ohr. Seine Augenbrauen ziehen sich zusammen, was ihm einen echt gut aussehenden ernsten Gesichtsausdruck aufs Gesicht zauberte. "Ich glaube schon." sagt er schlicht, auch wenn seine Gesichtszüge seine Angespanntheit preisgeben. "Yusuf, ich will das mit ihm klären, außerdem warst du gestern noch der Meinung, dass ich das mit ihm klären sollte." stellte ich fest. "Meine Meinung hat sich geändert." antwortet er stattdessen, mit dem gleichen Gesichtsausdruck. Ich verstehe nicht, wie schnell seine Stimmung umschlagen kann. Can hat nicht mal was gemacht, dazu war vorhin noch die Rede vom Heiraten, ich glaube er ist bipolar. "Du kannst deine Meinung nicht einfach ändern. Außerdem... hat Can eine Erklärung verdient.".

HIS~Nila&YusufWo Geschichten leben. Entdecke jetzt