Sie rannte lachend und laut vor Freude grinsend den Hügel allerdings stolperte sie und rollte den Rest hinunter. Die Kleine lachte noch mehr und grinste am Ende. Auf dem Boden blieb sie ruhig liegen und betrachtete die Wolken. "Die eine sieht aus wie ein kleines Häschen", dachte sie erfreut.

Das kleine braunhaarige Mädchen konnte stundenlang im hohen Gras liegen und den Himmel anschauen.

Die weiße Wolkenfront wurde in gelbes Licht getaucht und erstrahlte regelrecht. Der Duft von Lavendel wehte von den riesigen Feldern herüber. Der lange Feldweg, der zu den großen violetten Feldern führte, war von den Eseln nieder getrampelt worden, da diese Tiere von einem Hof zum anderen Ware transportieren. Pferde waren auch häufig dabei, da der Herr dieser Lavendelfelder oft Besuch von gut ausgestatteten und wohlhabenden Menschen erhielt.

Dieser Feldweg war für das Kind verboten. Sie war nur einmal auf den Lavendelflächen gewesen und sie hatte es genossen ihre Hände durch die violetten, wohlriechenden Pflanzen gleiten zu lassen. Sie musste lächeln bei dieser Erinnerung. Das erinnerte sie immer an schöne, entspannte Tage im Sommer.

Ein Holzzaun versperrte den Feldweg, sodass das braunhaarige Mädchen nicht die Möglichkeit hatte ohne die Erlaubnis ihrer Eltern die Landschaft zu betreten.

Außerdem trennte, der schon leicht angeschlagene, Holzzaun das Territorium des Vaters von einer ausladenden Grasfläche, auf der ein mickriges Gebäude für Waisenkinder stand.

Die klugen, grünen Augen der Kleinen sahen oft andere Kinder spielen, die schmutzige und teils auch zerschlissene Kleidung trugen. Sie fragte sich häufiger, wieso ihr Vater ihr verbat mit diesen Kindern zu spielen.

Ein Junge war ihr besonders aufgefallen. Er war nicht so wie die anderen. Der schwarzhaarige Junge stand immer abseits von den anderen Jungs und spielte nicht mit ihnen. Er lag gerne im Heu und betrachtete sowie sie selbst gerne den Himmel.

Das Waisenkind war wirklich anders als die anderen. Manchmal veränderte sich die Augenfarbe des Kindes oder Schatten waberten um seine Schultern. Dies passierte wenn er aufgeregt oder wütend war. Das erschreckte die Aufseherin und Erzieherin des Waisenhauses für Jungen.

Die anderen Kinder fürchteten sich vor dem Jungen mit den durchdringenden, tiefen Augen. Er verbrachte seine Zeit gerne alleine. Es gefiel ihm, dass die Waisenkinder vor ihm Angst hatten. Dadurch fiel ihm einiges leichter.

Eines Tages hatte er dieses eine kleine Mädchen gesehen. Dort, auf der anderen Seite des Zauns. Er war wie verzaubert. Ihr Anblick war einfach magisch. Der Junge konnte das Mädchen nicht vergessen. Seitdem begann er immer am Zaun zu stehen, in der Hoffnung sie wiederzusehen, bis sie eines Tages wirklich näher kommen würde.

Sie hatte sich vorher nur einmal an den Zaun getraut. Ihr Bedürfnis ihre Neugier zu befriedigen, hatte sie dazu gebracht an den Zaun erneut heranzutreten.

Der Junge hatte wunderschöne Augen. Solche hatte sie noch nie gesehen. Seine Augen erinnerten sie an einen Tannenwald, dessen Bäume vom Sonnenlicht bestrahlt wurden.

Er hatte eingefallene Wangenknochen und sah ausgehungert aus. Das Mädchen trat noch einen Schritt näher. Sie war neugierig und auch aufgeregt, da sie etwas tat was ihr eigentlich verboten war. Irgendwie... gefiel ihr das Gefühl.

Der Junge betrachtete die Kleine eingehend. Sie erwiderte das Verhalten. Ihr fiel auf, dass trotz des mageren Aussehens, der Junge hübsch war. Hélène verbrachte gerne Zeit hübsche Menschen oder Gegenstände zu beobachten und anzusehen. Nach einer Zeit der Stille fragte sie ihn nach seinem Namen. „Etienne Chevalier", antwortete er mit einer etwas heiseren Stimme, so als würde er nicht oft mit Menschen sprechen. Sein Name brannte sich in ihren Kopf ein. So schnell würde sie ihn nicht vergessen. „Und du?"; fragte er. „Helene de Fontaine." Die Beiden freundeten sich nach einer Weile an und unterhielten sich.

Eine Besonderheit an Etienne war, dass er zaubern konnte. Es war unfassbar, es schien surreal, doch es stimmte! Anders konnte sie sich diese Phänomene nicht erklären. Er zeigte ihr einige wunderbare Künste, wie zum Beispiel ließ er ein Gänseblümchen sich rot färben. Das kleine Mädchen war sehr begeistert und schwer beeindruckt.

Nach einiger Zeit, es wurde langsam dunkler, der Himmel färbte sich rosa und später orange, kletterte Etienne wieder zurück auf die Seite des Waisenhauses. Auf seine Seite. Dann blieb er stehen und wartete darauf, dass Helene vor ihm stehen blieb. Die Beiden waren nur noch durch den Zaun getrennt. Es war ein mit Spannung gefüllter Moment.

Etienne streckte seinen Arm aus und strich mit seiner Hand eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht. Es schien, als würde die Zeit stehen bleiben. Eine leichte Brise wehte um die beiden und riss an den Haaren. Ein leichter Stromstoß fuhr durch Helene, als Etienne ihre Haut berührte, indem er ihre Wange mit dem Daumen sanft streichelte. Ihr gefiel das Gefühl auf der Haut. Sie war gezwungen in seine Augen zu sehen, weil sie sie fesselten. Dann war der Moment vorbei. Helene sah betreten zu Boden, ebenso wie Etienne.

Plötzlich erklang eine sanfte, aber bestimmte Frauenstimme: „Helene, rentre a la maison! Komm nach Hause!" Sie blickte nach hinten und wandte sich noch einmal Etienne zu. „Wir sehen uns doch morgen, oder?", fragte das Mädchen. „Ja", wisperte er. Sie lächelte breit und verabschiedete sich. Im Lauf drehte sich das braunhaarige Mädchen noch einmal um und wank dem Jungen zu.

Gemeinsam verbrachten sie wochenlang ihre Zeit miteinander und lernten sich somit besser kennen. An Etienne gefiel Helene am meisten, dass er so nett und sympathisch war. Allerdings war ihr auch aufgefallen, dass Etienne sehr groß gewachsen und äußerst attraktiv war. Ihr gefielen schöne Gegenstände oder Menschen. Der grünäugige Jüngling war in seiner Blütezeit und somit ein paar Jahre älter als sie, schätzte Helene.

Ebenfalls sind ihr die Schatten in seinen Augen oder um ihn wenn ihn etwas verärgerte aufgefallen, was sie ein bisschen ängstigte. Aber sie machte sich keine Gedanken darüber.

Sie trafen sich jeden Tag nach dem Mittagessen am Zaun, um Neuigkeiten auszutauschen oder um einfach im Gras zu liegen und den Himmel zu betrachten. Abends verabschiedeten sie sich. Es wurde zu einem Ritual, dass Helene Etienne einen Kuss auf die Wange gab. Dies geschah tagtäglich, doch trotzdem fühlte sie sich leicht und glücklich, voller Vorfreude auf den nächsten Tag, da sie Etienne wieder sehen würde.

Eines Tages, der Tag war genauso magisch verlaufen, wie die anderen, erwähnte Etienne bei der Verabschiedung, dass es der letzte Sommertag dieses Jahres war. Deswegen hätte er etwas Besonderes für sie, als Dank für die schöne Zeit. Das Mädchen klatschte vor Begeisterung in die Hände.

Etienne griff sich an die Brust, wo ein smaragdgrüner Anhänger hing. Grundsätzlich trug er dieses Schmuckstück versteckt, da es sehr wertvoll war und es ihm viel bedeutete. Der dunkelgrüne Edelstein, der Etiennes Augen farblich perfekt widerspiegelte, hing an einem schwarzen Lederband und war in seiner groben Form vorzufinden.

Anschließend zog er den Anhänger aus, nahm Helenes Hand und legte die Kette in ihre geöffnete Hand. Sie schaute ehrfürchtig auf ihre kleine Hand und fragte: „Bist du dir sicher, dass du mir das schenken möchtest?" Etienne nickte. Helene schaute ihn verblüfft in sein, schon leicht kantiges Gesicht. „Ich werde es mit Ehre tragen"; hauchte Helene.

Sie beugte sich vor und beide Gesichter näherten sich. Sein Gesicht war nur ein paar Zentimeter von ihrem entfernt. Etienne schaute Helene in die Augen und dann auf ihre leicht geröteten, vollen Lippen. Er war sich unsicher und schaute erneut in ihre Augen. Es schien, als könnte er eine Zustimmung in ihnen sehen. Dann küsste er sie.

Ein Feuerwerk explodierte in Etiennes Innerem. Es fühlte sich unglaublich schön an. Helene durchfuhr ein Stromschlag und ein flatterndes Gefühl machte sich in ihr breit. Das junge Mädchen fühlte sich wohl und geborgen. Etienne war ihr Beschützer.

Sie lösten sich voneinander und schauten sich lange an. Helene atmete heftig aus. Das Mädchen strich Etienne die pechschwarze Haarsträhne aus dem Gesicht, wie er bei ihrem ersten Tag, küsste ihn auf die Wange zum Abschied und ging.

Jeder Schritt war federleicht, als würde die Kleine auf Wolken laufen. Sie hatte die Sonne in sich, so sehr strahlte sie vor Glück.

Etienne stand währenddessen weiter am Zaun und konnte es nicht glauben. Er hatte seinen ersten Kuss mit dem wunderschönsten Mädchen, das er je gesehen hatte. Sie hatte das schönste Lachen, das oft glockenhell erklang, wenn er einen Witz gerissen hatte. Der dunkelhaarige Junge mit den juwelgleichen Augen verharrte für einen längeren Zeitpunkt noch am Zaun, bevor er sich in das Waisenhaus begab.

Damnare- Nur Magie vergisst nicht #JulyAward2019 #HolidayAward2019Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt