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Schon von weitem konnte James erkennen, dass es sich bei der Person die da neben der Straße stand um Rosalie Franklin handelte. Warum stand sie da? Garwood wich doch sonst nicht von ihrer Seite? Er hatte sie doch etwa nicht hier steht lassen? Allein?
"Ich bring diesen Wixxer um", murmelte James während er langsamer wurde und dann neben der jungen Frau zum stehen kam. Er ließ die Scheibe runter.
"Mrs. Franklin, warum steht sie hier mutterseelenallein auf einer Straße, im Wald, in der Dunkelheit?", seine Stimme war weich und freundlich. Sie weinte. James stieg aus dem Wagen und stellte sich vor die junge Frau.
"Mrs. Franklin?", sie reagierte nicht. Sie hielt sich lediglich die Hände vors Gesicht und schluchzte. Hätte sein Herz noch geschlagen, es hätte sich in diesem Moment zusammengezogen. James legte vorsichtig einen Arm um Rosalies Schulter. Franklin hob ihren Kopf und wischte die Tränen weg.
"Mr. Black ...", ihre Stimme brach ab. Sie schniefte. "Was ist passiert?", zischte James mit zusammengebissenen Lippen. "Ich...", weinte sie.
"Beruhigen sie sich.", James streichelte behutsam über ihren Rücken, "Sie werden sich jetzt in meinen Wagen setzten. Ich kann sie doch hier nicht allein stehn lassen."
Er hatte mit Gegenwehr gerechnet, dem war aber nicht so. Er führte sie zur Beifahrerseite und öffnete die Autotür. Sie setzte sich und er begab sich in Richtung Fahrerseite.
Er fuhr los und sein Blick wanderte immer wieder zu seiner Beifahrerin. Sie hatte ihren Kopf an die Scheibe gelehnt und schaute gedankenverloren geradeaus.
"Sagen sie mir was passiert ist, Rosalie?", sagte James so einfühlsam es ging und sprach sie absichtlich beim Vornamen an.
"Ich hab mich mit Mathew gestritten und ihn dazu gebracht zu halten damit ich aussteigen kann. Zufrieden?!", Rose Worte waren nicht mehr als ein Hauchen. Wieder kullerte eine Träne ihre Wange hinunter.
"Ruhen sie sich aus und beruhigen sie sich erst mal. Ich bring sie nach hause, ja?"
"Nein! Wenn ich ihn heute nochmal sehen muss bring ich ihn um.", letzteres hatte sie wohl eher zu sich selbst gesagt, "Halten sie einfach bei irgendeinem Hotel. Wäre mir das Liebste."
"Mach ich. Ruhen sie sich jetzt aus."
Nach kurzer Zeit war sie eingeschlafen. Sie war schön wenn sie schlief. Blonde Strähnen hatten sich aus ihrer Frisur gelöst und fielen ihr jetzt ins Gesicht.

Er wollte sie nicht aufwecken, also brachte er sie in sein Penthouse. Irgendwie hatte er das Verlangen sie in seiner Nähe zu haben ... aber das wollte er sich nicht wirklich eingestehen. Mitleid mit einer Sterblichen.
Er hatte Rose in sein Bett gelegt. Er schief nicht, nie, seit dem 13. September 1645 nicht mehr.
Sein Blick wanderte wieder zu der jungen Frau in seinem Bett. Sie sah so zerbrechlich aus, so verletzlich.
Das erinnerte ihn an sich selbst als er noch nicht das war, was er jetzt war, ein Monster.
Ursprünglich stammte seine Familie aus England. Sie waren englischer Adel gewesen. Sein Vater war Alexander Black, Lord of Pinford gewesen. James erinnerte sich noch daran als wäre es erst vor kurzem gewesen, dass seine Eltern Britannien mit ihm und seiner kleinen Schwester, Kathrin, verlassen hatten. 12 war er da gewesen. James hatte nie erfahren warum sie ihre Heimat verließen und in die neue Welt aufbrachen. Er hatte nur Spekulationen. Er war sich aber recht sicher, dass sein Vater diesen Plan auf drängen des Königshauses hatte. Anders könnte er sich nicht erklären das eben dieses Königshaus alle Spuren der Familie Black in England vernichtete, als hätten sie nie existiert. Die Überfahrt nach Amerika war eines der schlimmsten Dinge die James jemals widerfahren war. Nach kurzer Zeit auf See erkrankte seine Schwester. Sie war zu klein und zu schwach gewesen als das sie den Kampf gegen die Krankheit hätte gewinnen können. Kathrins Tod hatte die ganze Familie verändert. Das Herz seiner Mutter zerbrach in tausend Teile und das seines Vaters verwandelte sich in Stein. In Amerika angekommen errichtete sein Vater bald ein neues Heim für seine Familie, ein neues Black-House. Das stattliche Herrenhaus befand sich immer noch in James Besitz. Als er 15 was verstarb dann auch seine Mutter nach einer Totgeburt im Kindsbett. Im selben Jahr schon nahm sich sein Vater eine neue Frau. Patrizia. Sie hatte zwei Töchter. Beide nicht besonders schön oder schlau. Bald waren die Erinnerungen seines Vaters die alte Familie, an seine verstorben Frau und Tochter, vergessen. Nur noch sein neues Leben zählte. Alexander war zum Händler geworden und handelte im großen Stiel mit Kostbarkeiten wie Seide oder Schmuck. Vom Lord zum Händler hatte sich James immer verächtlich gedacht.
Irgendwann trat dann Aro in sein Leben. Er hatte ihn verwandelt. Als Aro ihm das angeboten hatte dachte er erst, er sei ein Dämon, ein Diener des Teufels. Er musste über sich selbst schmunzeln. Aro war ganz sicher niemanden verpflichtet aus sich selbst. Sein ältester und treuster Freund.
Wenn er jetzt so darüber nachdachte, war es das Beste was ihm damals passieren hätte können. Er war noch nicht bereit gewesen zu sterben, vor allem nicht unschuldig.

Rose wachte langsam auf. Sie musste erstmal zwinkern um sich an das helle Licht im Raum zu gewöhnen.
"Na schau mal einer an. Sie sind wach."
Sofort saß Rose kerzengerade im Bett. "Was machen sie hier?!"schrie sie hysterisch als sie Mr. Black im Raum entdeckte.
Er saß lässig mit einem Glas Rum im der Hand auf einem antiken Sessel neben dem Bett und beobachtete sie sichtlich amüsiert. Er hatte sich seit dem gestrichen Abend kaum verändert. Er trug noch den selben schwarzen Anzug, lediglich die Fliege und die obersten Knöpfe seines Hemdes hatte er geöffnet.
"Sie liegen in meinem Bett, dass in meiner  Wohnung steht. Ich glaube da hab ich doch ein recht darauf hier zu sein.", antworte er lachend.
Rose sammelte ihre Gedanken und erinnerte sich was gestern alles vorgefallen war.
"Habe ich ihnen nicht gesagt, dass sie mich in einem Hotel absetzen sollen?!", zischte sie wütend.
"Joa... . Sie haben geschlafen da wollte ich sie nicht unnötig aufwecken.", er zuckte mit den Schultern. Rose sprang aus dem Bett und war heidenfroh darüber, dass er nich auch auf die Idee gekommen war sie auszuziehen.
"Ach ficken sie sich doch!"
"Mr. Franklin, also wirklich. Doch nicht vor ihnen. Wir wollen ja unser gutes Arbeitsverhältnis nicht zerstören."
"Sie sind widerlich, James!"
Sie ging aus den Raum.
"Heute so kratzbürstig. Wenigstens ein Danke wäre nett."
Er hatte sie in Windeseile eingeholt und stand nun neben ihr.
"Ich hab ihnen Frühstück gemacht. Setzen sie sich doch erstmal. Ich glaube ihr Arbeitgeber hat nichts dagegen wenn sie heute etwas später kommen."

Rose kam ihm nun verführerisch nahe. Sie stellte sich auf Zehenspitzen. Er konnte ihren Atem an seinem Ohr spüren.
"James,", hauchte sie seinen Namen, was ihn regelrecht verrückt machte, "sie sind so... so... ein unbeschreiblich eingebildestes Arschloch. Ich weiß nicht was sie sich erhofft haben aber sie müssen sich eine Andere suchen die sie Vögeln können. Wobei bei dem Ego kann das schwierig werden. Holen sie sich lieber selber einen runter, James!"
Mit diesen Worten stieg sie in den Aufzug und war verschwunden.

James hatte ja schon viele Frauen getroffen, doch diese war einzigartig. Ihr Selbstvertrauen gefiel ihm. Sie war heiß, wenn sie sauer war.
Er hatte Blut geleckt.

CupidoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt