Lied: Snow Patrol - Chasing Cars
„Was?“, flüstere ich völlig entgeistert. Sofort öffne ich meine Augen und sehe gerade noch ein Schild mit der Germomy-Flagge vorbeiziehen. Verzweiflung breitet sich in mir aus. Zur Zeit ist für mich das Wort „Germomy“ mit dem Wort „Hölle“ gleichgesetzt und wie würdest du dich fühlen, wenn du geradewegs in deinen schlimmsten Alptrum fahren würdest. Am liebsten würde ich augenblicklich geräuschvoll anfangen zu Weinen und die ganze Angst aus mir herausschreien. Allein die Nähe zu den Grenzwärtern hält mich davon zurück. Ich will meine Familie wieder haben, in unserem Haus wohnen, zwar Geldprobleme haben, aber leben, keine Angst vor Kellon haben müssen und auf der Flucht sein. Ich will einfach nur mein altes Leben zurück!
Jetzt darf ich nicht die Fassung verlieren, nicht neben Jonny und Ron. „Was machen wir denn jetzt? Wir können doch nicht wieder in die Gefahrenzone zurückfahren, da ist es ja in Polano noch sicherer.“, frage ich mit leicht brüchiger Stimme in die Runde. „Jetzt auszusteigen wäre viel zu gefährlich.“, antwortet Ron leise.
„Die Grenzwärter würden uns sofort schnappen. Es ist eh schon ein Wunder, dass wir es bis hierher geschafft haben. Ich möchte das Schicksal jetzt nicht unnötig herausfordern.“ „Also Warten bis zur Endstation?“, frage ich weiter. „Das ist das beste“, stimmt Ron mir zu.
Bis jetzt ist noch keiner der Polizisten aufgetaucht, nur unser Zugführer ist kurz nach dem Anhalten in das Haus gegangen, aber bis jetzt noch nicht zurück gekommen. Gespannt warten wir ab, dass unsere Fahrer wieder einsteigt und gerade als mein Bruder erneut anfängt zu Husten, kommt er aus der Tür heraus. Jonny verstummt sofort. Ein misstrauischer Blick in unsere Richtung ist jedoch seine einzige Reaktion, dann setzt er seinen Weg fort. Kurz darauf fährt unsere Zug dann wieder an und wir rattern in Germomy weiter. Wir setzen uns wieder auf. „Unser Fluchtversuch ist ja nicht ganz so gelungen, wie wir uns das vorgestellt haben. Aber wie um Himmelswillen kommen wir auf einen Zug nach Germomy, unsere Route nach Paris sollte eigentlich ganz woanders entlang gehen.“, Ron schüttelt verwirrt den Kopf. Ich lasse mir den noch jungen Tag nochmal durch den Kopf gehen: Wir haben auf der Bank gewartet, sind zu Gleis sieben gerannt, dann sind die Soldaten gekommen und wir sind hinten auf den Zug geklettert... der Zug! Am letzten Wort bemerke ich, dass ich meine Gedanken wohl ausgesprochen haben muss, denn das Wort „Zug“ steht noch einige Sekunden später in der Luft. „Anders kann es ja auch gar nicht sein, denn diese Hightech-Züge verfahren sich nicht. Unserer sieht vielleicht ziemlich alt aus, aber trotzdem enthält er dieselbe Technik, wie seine Kollegen. Aber jetzt können wir auch nichts mehr ändern.“, ist Rons Erwiderung, Jonny nickt beistimmend und sogar April bellt. Ich muss grinsen und nehme sie auf den Schoß. Meine kleine April, die muss man einfach lieb haben. Mir fällt auf, dass generell meine Liebsten hier um mich herum sitzen, denn wer weiß, ob meine Eltern noch leben. Ich reise mit meiner Familie und dem nettesten Jungen auf der ganzen Welt. Wie lange wir wohl noch fahren werden? Und vor allem wohin? Auf die beiden Antworten werde ich wohl noch etwas warten müssen und bis dahin kann ich mich ausruhen, um Kraft für unsere Ankunft und die weiteren Abenteuer zu tanken.
Etliche Stunden und Bahnhöfe weiter taucht dann endlich eine reisige Stadt am Horizont auf, bei der die Möglichkeit groß ist, dass sich unsere letzte Station dort befindet. Inzwischen geht es langsam auf den Abend zu und wir wären froh, endlich vom Zug runterzukommen. Jonny hat die vielen Häuser zuerst erblickt, wie als wäre sie etwas Heiliges ist er aufgesprungen. Aber er hat Recht, sie sieht schon gewaltig aus. Ich habe noch nie so eine große Stadt gesehen, Renau kann man eher mit einem Kaff vergleichen. Doch das ist jetzt vorbei, wir sind weg von diesem langweiligen Dorf, leben ab jetzt wahrscheinlich in einer Großstadt. Wir saßen lange genug nur zu Hause und haben das Gras wachsen gehört, nun werden wir den Lärm von unzähligen Menschen zu Ohr bekommen. Noch vor einer halben Woche habe ich von einem Tag auf den anderen gelebt. Nach all den Jahren kann ich endlich dem Alltagstrott entwischen, ein Gefühl wie Weihnachten und Geburtstag zusammen. Und wenn ich ganz ehrlich bin, bin ich sogar ein ganz klitzekleines Stückchen froh, dieses Abenteuer erleben zu dürfen.
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Never again! Never again?
Aventura-- Mit Trailer -- Wir haben geschworen, dass so etwas nie wieder passiert, doch es ist wieder geschehen. Und so ist Linas Leben auf ein Mal nicht mehr das, was es immer war. Deutschland ist im Ausnahmezustand. Im Jahr 2542 ergreifen ehemalig genannt...