16. Kapitel - Discovery

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Lied: Brain Crain - Fire

Der Morgen ist wie an jedem anderen Geburtstag, nur Umgebung ist anders. Wir singen Jonny alle ein Ständchen. Sogar Billy und die anderen grölen mit. Dann werden Geschenke ausgepackt. Die Männer haben ihm einen großen Muffin mit Schokostückchen finanziert. Und, obwohl ich mich dagegen wehre, steigt Neid in mir auf. Müll zu essen und dann meinem Bruder beim verspeisen eines köstlichen Gebäcks zuzusehen ist nicht einfach.

Doch irgendwann am Vormittag ist das Gefühl eines außergewöhnlichen Tages dann doch vorbei. Wir sitzen, alle versammelt, vor unserem Geschenk für Jonny und spielen gemeinsam. Wir haben Teams gebildet, denn sonst hätten nicht alle mitspielen können. Für einen roten kleinen Plastikjungen sind Ron und ich verantwortlich, Billy und Jonny bilden die zweite Gruppe, Ryan und Jim gehört der gelbe Spielstein und Taylor bildet mit Mike das letzte Team. Eine Figur nach der anderen wechselt im Gassen-Labyrinth von Kimiko ihren Platz.

Einige Zeit später zieht der gelbe Junge als erstes aus dem Spielfeld und die Partie ist zu Jonnys Missfallen beendet.

Taylor und Mike haben sich überreden lassen, mit Jonny noch einmal zu spielen. Lina ist in ein Gespräch mit Billy verwickelt und ich beschließe, mit April eine Runde im Bahnhof zu drehen. Im Schlendergang spaziere ich mit ihr durchs ganze Gebäude. Mal rein, mal raus, am Bahnsteig entlang und den Leuten beim Ein- und Aussteigen zusehen. Ich bin bestimmt eine Stunde unterwegs, doch das ist mir egal, denn bei den anderen ist es bestimmt nicht interessanter als hier. Irgendwann komme ich auch an einem großen, mit Holz ausgelegten Innenhof des Bahnhofs vorbei, der mit einem Grasstreifen umgeben ist. Auch kleine Bäume und Hecken haben sie dort gepflanzt. Im Mittelpunkt der Terrasse führt eine Stufe zu einem etwas erhöhtem Podest. Die warme Frühlingssonne erwärmt den Hof angenehm und so beschließe ich, mich auf der Erhöhung etwas auszuruhen. Entspannt stelle ich meine Füße auf die Stufe, lege mich auf den Holzboden und genieße die Wärme der Strahlen.

Als ich meine Augen wieder öffne, steht die Sonne weit nicht mehr so steil wie vorher. Ich fühle mich gut und spüre ein zufriedenes Lächeln auf meinen Lippen. Dennoch habe ich ein komisches Gefühl im Bauch, irgendetwas beunruhigt mich. Die Ruhe vor dem Sturm, doch im Moment weiß ich noch nicht, welcher Sturm, doch mein Bauchgefühl hat mich noch nie enttäuscht. Und trotzdem trifft es mich Unerwartet, als ich es beim genaueren Hinsehen entdecke. Der Ärmel meines T-Shirts ist ein Stück nach oben gerutscht. Er ist blass, nur ein minimaler Farbunterschied zu meiner gebräunten Haut, doch er ist da. Und ich weiß, dass er sich noch verändern wird. Er wird dicker werden und das Rot wird in den Farbton des Blutes wechseln. Ich weiß noch genau, was wir vor ein paar Monaten in der Schule gelernt haben. Mit vierzehn beginnt es, erst ist er nur ein dünner, leicht rötlicher Faden um den Oberarm, doch spätestens nach zwei Monaten wird er in voller Dicke und Farbe deinen Körper zeichnen. Und er wird nie wieder verschwinden.

Der klassische Prozess bei einem Halbjuden.

Völlig entsetzt starre ich auf meinen Oberarm, doch mir wird klar, dass mir das in der Öffentlichkeit zum Verhängnis werden kann. Sofort stehe ich auf, deute der schlafenden April mit einem Zug an ihrer Leine an, dass ich gehen möchte und mache mich auf den Weg zur Männertoilette.

Ich vergewissere mich, dass niemand außer mir dort ist, schließe mich in einer der Kabinen ein und schluchze laut los, mit der Gewissheit, damit mein Todesurteil unterschrieben zu haben. Ich hatte immer die Hoffnung, dass Jonny dieses Maßacker überleben könnte, doch so richtig daran geglaubt habe ich noch nie – und nun bin ich selber dieser Gefahr ausgesetzt. Ich schäme mich dafür, hier zu sitzen, Rotz und Wasser weinend, doch es tut gut.

Kurz nachdem Kellon Machthaber über Germomy wurde ist mir eines Nachmittags der Gedanke gekommen, dass das Risiko besteht, auch ein Halbjambe zu sein, doch der Gedanke schien so absurd, dass ich ihn gleich wieder verworfen habe. Aber nun sitze ich hier, mit der schrecklichen Wahrheit, dass sich der Gedanke bewahrheitet hat. Ich wische in einer Handbewegung mehrere Tränen weg und überlege, was nun anders werden wird. Oberteile, die mindestens die Länge eines T-Shirts haben müssen, kein öffentliches Baden und Schwimmen mehr, nie Oben-ohne und vieles mehr, das mir aber spontan nicht einfällt. Dann taucht noch eine andere, wichtige Frage in meinem Kopf auf: Soll ich es Lina und Jonny sagen? Aber wie? Und wann? Doch darüber möchte ich mir jetzt aber nicht den Kopf zerbrechen, sondern lieber alles auf mich zukommen lassen.

Plötzlich vernehme ich ein schwungvolles Öffnen der Türe und schwere Schritte, die die Toilette durchqueren. Ich halte automatisch den Atem an und hoffe, dass April ebenfalls keine Geräusche macht, doch sie bleibt brav sitzen, sieht mir in die Augen und und gibt keinen Mucks von sich. Ich warte ab, bis der Mann wieder verschwunden ist, dann ziehe ich den Ärmel meines T-Shirts weiter runter, damit er den Ring ganz verdeckt und schließe die Kabine auf. Beim Verlassen der Toilette werfe ich noch einen prüfenden Blick in den Spiegel und versuche eine Mine aufzusetzen, die nicht von dem Vorfall geprägt ist. Ich atme einmal tief durch und gehe aus der Tür raus und zurück in die Öffentlichkeit.

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Hallo ihr da draußen :) Ist wieder nur ein kurzes Kapitel geworden, aber es ist irgendwie ja auch das wichtigste --> Der Teil aus der Kurzbeschreibung :) Und für alle, die es noch nicht wissen, ich habe einen neuen Trailer zusammengeschnitten :) Ist wieder beim Prolog zu finden. Viel Spaß beim Anschauen :) lg shining0star

Never again! Never again?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt