Kapitel 25

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Ryland

Fynnia  hatte ihren MP3-Player an der Musikanlage angedockt und das Apartment wurde von den unterschiedlichsten Musikrichtungen beschallt. Von Pop hin zu Soul, von Rock zu Latino-Rhythmen und sogar Dance und Jazz. Wie viele Song hatte sie denn auf diesem kleinen Ding? Unfassbar! Gerade schallte Shania Twains That don't impress me muchaus den Boxen und ich konnte mehr als deutlich hören, wie meine Schwester lauthals mitsang. Nicht das sie nicht singen konnte, aber besonders gut hörte es sich nun wirklich nicht an. Duschte sie etwa immer noch? Nein, wohl eher nicht, denn dann würde sie die Musik nicht so deutlich hören können.

Seit einer halben Stunde saß ich nun schon auf dem Sofa und blätterte in der Cosmopolitan. War das zu glauben? Ich blätterte tatsächlich in einer Frauenzeitschrift. Unglaublich, mit welchen sinnfreien Themen sie es schafften, eine ganze Zeitung zu füllen. Wie wird man in dreißig Tagen berühmt? Gesunde Bräune! Die neusten Farbtrends in Sachen Nagellack!  Oh. Mein. Gott. War ich froh, dass ich keine Frau war. Okay, auf dem Cover war Nicole Scherzinger und ich hatte den Artikel über sie gelesen, denn sie war schon ein heißer Feger. Außerdem hatte ich noch die 44 Sex-Tipps, die Ihnen einen heißen Sommer bescheren gelesen – es konnte ja nie schaden, sich ein bisschen Inspiration zu holen -, aber den Rest konnte man ja echt vergessen.

„Fynnia", rief ich und sah in den Gang hinüber, der vom Wohnzimmer abging.

„Ja", kam die Antwort in gedämpftem Ton.

„Wie lange dauert das noch? Ich wollte eigentlich auch noch schnell duschen, ehe die Gäste eintrudeln."

Die Badezimmertür wurde geöffnet und meine Schwester kam in nichts weiter als einem großen Tuch eingewickelt heraus, welches gerade so ihren Po bedeckte. Ein weiteres Tuch war um ihren Kopf gewickelt. „Bitteschön! Beeile dich, ich muss noch meine Haare machen." Damit entschwand sie in ihrem Zimmer.

Ich erhob mich vom Sofa und marschierte ins Bad. Die Luft war heiß und feucht und ich kippte erst einmal das Fenster an. Irgendein blumiger Geruch hing in der Luft und ich schüttelte unweigerlich den Kopf. Fynnia war schon immer so ein Blumenmädchen gewesen. Früher hatte sie ständig irgendwelche Blumen im Garten gepflügt – zum Leidwesen unseres Gärtners Raimond – und Blumenkränze geflochten oder sie in der Küche und in ihrem Zimmer in Vasen gestellt. Auch ihre Parfüms hatten immer eine blumige Note. In ihrem eigenen Apartment in Montreal standen nicht nur immer frische Blumen in allen Räumen, nein, sie war auch noch absolut verrückt nach Duftkerzen und Duftölen, die überall einen Hauch von Frühling oder Sommer verbreiteten. Ein Glück, dass wir nicht mehr unter einem Dach wohnten, denn das war mir alles zu penetrant. Hin und wieder ein Hauch von Blumen war okay, aber nicht stets und ständig. War Nica etwa auch so? Bisher hatte ich davon noch nichts gemerkt. Ihr Parfüm war nicht aufdringlich gewesen und auch ihre Haare hatten nicht nach Jasmin oder was weiß ich für einer Pflanze gerochen. Es bestand also noch Hoffnung, dass es in ihrer Wohnung nicht roch wie in einem Blumenladen oder auf einer Sommerwiese.

Aus dem Regal neben dem Waschbecken nahm ich mir das letzte Badetuch heraus und hing es über die Duschkabine. Schnell schälte ich mich aus meinen Klamotten und legte sie ordentlich zusammen, ehe ich unter die Dusche trat. Das lauwarme Wasser sprudelte aus dem Duschkopf und prasselte auf meinen Kopf nieder. Ich schloss die Augen und stand für ein paar Sekunden einfach nur reglos da und ließ mich berieseln. Meine Haut war heiß und so war die Abkühlung eine wahre Wohltat.

In einer Stunde würde ich sie wiedersehen. In einer Stunde konnte ich sie wieder in meine Arme schließen und ihre vollen weichen Lippen auf meinen spüren. Sie fühlen, riechen und schmecken. So sehr ich die Gesellschaft meiner Schwester und meiner Freunde auch genoss, und egal wie viel Spaß wir auch zusammen hatten, so vermisste ich Nica doch mehr, als ich jemals geglaubt hatte jemanden vermissen zu können. In Rekordgeschwindigkeit hatte sie sich einen festen Platz in meinem Herzen erschlichen, sich tief unter meine Haut gegraben. Wahrscheinlich war auch ihr Duft schon in meine Zellen übergegangen. Aber war das nicht immer so, wenn man die Eine oder den Einen fand? Die eine Person, die für einen bestimmt war? Wurde man dann nicht unweigerlich zu einer einzigen Person? Zu einem Ganzen? In meiner Vorstellung würden Nica und ich genau das werden. Nicht nur Liebende sondern auch beste Freunde. Partner fürs Leben.

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