Vermasselt? / Kapitel 15

1.7K 26 10
                                    

Und wie immer genau dann, wenn ich kurz davor war, endlich zur Vernunft zu kommen, machte er wieder einen Schritt in die andere Richtung.

Es war ein Tag wie jeder andere auch. Das Wetter war normal, nicht sonderlich warm, aber auch nicht wirklich kalt. Ein Dienstag.

Nichts ahnend stieg ich Stufe für Stufe die breite Treppe in unserem Betonklotz, a.k.a. „Schule", hinab. Ich wusste genau, dass er sich momentan in dem Klassenzimmer zu meiner Rechten befand. Bei Mr. Fosten mal wieder. Mein Weg führte mich allerdings ins andere Schulgebäude. Ich vernahm das Lärmen der Neuntklässler, und dann ein Kreischen.

„STELLA!!" (Mein Spitzame)

Ich drehte mich gerade noch rechtzeitig um, um Louisa auf mich zustürzen zu sehen. Gott, was ist denn mit der passiert? WAS IST LOS?! MAEL MAEL MAEL

Ich sah Louisa erwartungsvoll an, die inzwischen vor mir zum Stehen gekommen war, und versuchte gleichzeitig nach rechts in Richtung Mael zu schielen. Ihre Haare waren ganz zerzaust und hatten sich mit ihren Ohrringen verhakelt, wegen dem Sprint, den sie gerade hingelegt hatte, nur um so schnell wie möglich bei mir zu sein.

„Schiess los!" Ihre Aufregung war ansteckend.

„Also..." begann sie mit ihrer bedeutungsschwangersten Stimme. „Gestern hab ich mit Mael gechattet."

Sie machte eine dramatische Pause, um mich noch etwas mehr auf die Folter zu spannen.

„Und du wirst nicht glauben was ich erfahren hab!!! Er hat gesagt ihm geht's nicht so gut..." ihre Mundwinkel waren so weit hochgezogen, dass man ihre Augen mit denen einer Asiatin hätte verwechseln können.

„...und ich hab gefragt, warum, und dann er so..." sie quietschte schon fast.

„Weiss auch nicht so recht, ich vermassel's mir irgendwie mit allen Frauen..."

„UND DANN???"

„...das mit Stella hab ich auch total verkackt.."

„OMG!" ein kleines Quietschekreischen konnte ich mir nicht verkneifen, obwohl mein Unterbewusstsein mir sagte, dass er keine 20 Meter entfernt war und mich hören konnte. Louisa erstickte fast an meiner Umarmung.

„Du musst mir alles bis ins kleinste Detail erzählen! Aber wenn wir Pause haben. Ich muss jetzt, sonst rastet Moni aus!" Unsere Englischlehrerin wurde von uns „liebevoll" Moni genannt. Ja, sie hat auch einen Nachnamen, aber das tut nichts zur Sache.

Selia war schon vorgegangen. Ich tänzelte ihr hinterher. Während der Englischstunde laberte ich sie pausenlos voll, über Mael, und dies und das, und wie er jetzt darauf gekommen war, und vor allem was ich jetzt tun sollte und so weiter und so fort. Naja, irgendwann wurde es Moni zu blöd und sie setzte uns auseinander, was uns aber nur in einen Lachflash ausbrechen liess.

Meine Konzentration wurde durch den Einzelplatz, an dem ich jetzt sass, nicht gesteigert.

Das ständige Ignorieren hat sich also ausgezahlt. Anscheinend fühlt er doch mehr, als er zeigt. TRIUMPH! Ruhig bleiben. Ist das nicht ziemlich unrealistisch? Erst vor ein paar Monaten sagt er mir noch, dass er nichts von mir will und jetzt heult er rum? Hmmm.

Ich vertraute Louisa zwar - doch was, wenn sie es einfach nicht mehr ausgehalten hatte, mich so verletzt zu sehen? Wenn sie das nur erfunden hatte, um mich aufzuheitern?

Meine Hochstimmung wurde ein wenig gebremst.

Nein. Komm schon - sie weiss genau, dass du fertig mit ihr wärst, wenn du rausfändest, dass sie dich angelogen hat.

Sie würde niemals eure Freundschaft riskieren, oder?

Die letzten Minuten bis zur grossen Pause waren die reinste Qual.

Als es endlich klingelte, sprang ich auf und stopfte meinen Krimskram in meine Schultasche. Gerade hastete ich aus der Tür hinaus, als -

„ESTELLE AND SELIA, would you please stay here for a minute, I'd like to talk to you two!"

Ich stöhnte theatralisch und gab mir keine Mühe zu verbergen, dass ich genervt war. War doch sowieso logisch, warum also die Anstrengung?

Nachdem Moni uns eine kurze Predigt über das Geschnatter während des Unterrichts gehalten hatte, liess sie uns ziehen. Students these days. *Sigh*

Louisa lief schon auf mich zu, als ich den Pausenhof mit den Augen abscannte um sie ausfindig zu machen.

„Also. Wort für Wort. Was hat er genau gesagt." Dramatisch tief schaute ich ihr in die Augen.

„Okay. Also, er hat „hei" geschrieben, und dann ich so „hei" und dann hat er gefragt wie's mir geht, und ich hab gesagt „gut, und dir?" und dann hat er gesagt „geht so". Dann hab ich gefragt „Wieso geht so?" und dann hat er gesagt...warte ich versuch es genauso zu sagen wie er es geschrieben hat..."Ach keine ahnung irgendwie vermassel ich's mir einfach mit allen Frauen, weil ich viel zu vorsichtig bin. Mit Stella hab ich's mir auch total versaut." Sie grinste.

„Und was hast du dann geantwortet?," fragte ich.

„Ich hab gesagt, dass ich nicht denke, dass er es verkackt hat mit dir."

„Okay," ich lächelte vor mich hin. Wenn das mal kein Fortschritt war. Ein kleines Stückchen meines Stolzes war wiederhergestellt. Doch dann dachte ich wieder klarer und mir schossen Fragen über Fragen durch den Kopf.

Wenn er es jetzt echt bereut, dass er mich hat gehen lassen, warum erzählt er dann, ich sei nichts Besonderes und zu klein und all das? Warum steht dieses Arschgesicht nicht einfach dazu? Oder stimmt es am Ende doch nicht?

Aber wenn es stimmt, soll ich ihn jetzt einfach weiter ignorieren, oder den nächsten Schritt auf ihn zumachen? Blamier ich mich dann nicht noch mehr?

Eins war klar, wenn es um meinen Ruf ginge, müsste ich ihn einfach vergessen und so tun als wäre nie irgendwas gewesen. Aber scheiss auf mein Image. Ich wollte ihn einfach. Und - was, wenn sich etwas Ernstes daraus entwickeln würde? Es konnte doch nicht alles umsonst gewesen sein. Wenn schon so eine Chance kam, dann musste ich auch zupacken. Aber wie? Wie sollte ich diesem Vollpfosten zu verstehen geben, dass ich ihn immer noch wollte?

Mann, warum war nur alles so kompliziert?

Wenn man es genau nahm, war ich wieder so weit wie vor der Aufwenstehstdu-und-sieistnichtsbesonderes-geschichte. Ich vermutete irgendeine Gefühlsregung bei ihm und wusste nicht damit um zu gehen.

„Was sollen wir jetzt machen? Ich kann doch nicht einfach zu ihm sagen „Nein, du hast es dir nicht vermasselt mit mir"! Obwohl das die unkomplizierteste Variante wäre..."

„Nein. Die Sache ist die, du weißt ja eigentlich gar nichts davon. Er hat gesagt ich dürfe es niemandem erzählen."

„Hmm, eigentlich logisch. Na toll. Ich muss ihm jetzt also irgendwie weismachen, dass ich auf ihn stehe, ohne dass er bemerkt, dass ich was weiss, was ich nicht wissen sollte..."

„Genau. Gar nicht so einfach. Vielleicht hat Piper ja eine Idee." Und schon hatte sie mich am Arm gepackt und mich in Richtung Piper geschleift.

„Ach komm schon. Weißt du, wenn wir ihn fragen, wie er dich findet, und dann erzählt er es uns, dann können wir ihm sagen „Vielleicht mag sie dich ja doch" und dann Piff-Paff-Puff kommt er zu dir."

War das jetzt ironisch gemeint? Das letzte Mal, als Piper eine ähnliche Idee gehabt hatte, endete das wie noch mal? Tränen?

„Ja klar, fragen wir ihn am besten noch mal. Ganz toll, da wird er mir bestimmt 'ne Liebeserklärung machen." Der Sarkasmus tropfte an meinen Worten herunter.

„Nein, jetzt echt. Schau mal, er hat es doch schon fast zugegeben, er braucht nur noch einen kleinen Anstubser," Piper grinste, zuversichtlich wie eh und je.

„Hmm... lass mal lieber. Uns fällt bestimmt noch was anderes ein."

Fehler zu machen ist zwar menschlich, aber übertreiben muss man es jetzt auch wieder nicht.

So, ich hoffe das Kapitel gefällt euch. Wenn ja dann voted oder kommentiert doch, it means a lot to me. Verbesserungsvorschläge sind auch willkommen. :)

Sein Ego und ichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt