XIV

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Während Michael in den Schultoiletten verschwunden war, sah sich Lucifer nach einem Ort um, an welchem er auf eben jenen warten könnte. Als er seinen Blick herum schweifen ließ, entdeckte er eine Bank, etwa drei Meter entfernt von ihm. Die Hände in den Jackentaschen verbergend ging er auf diese zu und setzte sich auf die metallene Armstütze, während er nachdachte. Was hat Michael wohl so fertig gemacht? Ich werde ihn zwar nicht fragen, aber diese Frage beschäftigt mich trotzdem ... Er zeigt selten, bis nie schwäche auf irgendeine Art und Weise – mit Ausnahme von den Momenten in denen er absolut verlegen wird und hofft, dass seine Überspielungskünste gut genug sind, damit ich es nicht bemerke – aber ansonsten zeigt er sie nie. Bis auf eben jetzt. Der blonde Teenager ließ sich vorsichtig, damit er sich nicht weh tat, nach hinten sinken, sodass sein Rücken auf der metallenen, kühlen Sitzfläche lag und schaute in den klaren Himmel; die Arme hielt er hinter seinem Kopf verschränkt und die Beine hingen ab Knie höhe noch immer über die Armlehne. Ich denke aber Aufjedenfall, dass Mike Ablenkung benötigen wird. Wenn ihn irgendetwas wirklich so aus der Bahn geworfen hat, dann wird ihn das noch länger beschäftigen, damit werde ich ihn nicht alleine lassen, außer er will es so, weil ich ihn eventuell doch nerve ... Ich hoffe, dass ich das nicht tue. Das will ich nicht, das will ich nie. Trotzdem tue ich es andauernd. Tja, Lucifer Nerv-mich-nicht Shurley. Ich wette drauf, das steht garantiert so in meiner Geburtsurkunde ... Okay, back to topic, Luce. Womit könntest du Michael ablenken? Serien? Filme? Bücher? Neue Bücher? Geschichten? Rausgehen? Kino? Irgendwas anderes außerhalb der Internatsmauern? Ja, ich denke, dass das alles eine recht gute Idee wäre. Muss ich sie nur noch in die Tat umsetzen ... Der wievielte ist heute überhaupt? Lucifer zog sein Handy aus der Jackentasche und sah drauf. Shit ... Naja, dann muss ich das halt absagen. Auch wenn man mich dafür hassen wird. Mir egal, Michael sollte gerade nicht alleine sein, finde ich.

Als Michael einige Minuten später wiederkam sah er sich leicht verwirrt nach Lucifer um, da er ihn auf dem ersten Blick nicht fand. Als er dann jedoch zwei Schritte weiter ging, konnte er den blonden Jungen auf der Bank sehen. Noch immer demotiviert – was nach den heutigen Neuigkeiten auch kein sonderliches Wunder war – ging er auf eben jenen zu. Dieser hielt die Augen geschlossen und der dunkelhaarige war sich nicht sicher ob dieser eingeschlafen oder nur vollkommen in seinen eigenen Gedanken vertieft war. Als er dann vor ihm stand räusperte sich der ältere leise, während er zu dem anderen Teenager hinunter sah. Dieser Schlug daraufhin auch sofort die hellblauen Augen auf, geschlafen hatte er also nicht. „Fertig?" Michael nickte nur, während er leicht betäubt vor ihm stand. Er fühlte sich innerlich leer, so als wäre alles aus ihm herausgesogen worden. Nicht einmal die Trauer die er hätte spüren sollen war noch da. Das wiederum sorgte dafür, dass in ihm ein schlechtes Gewissen aufkam.
Lucifer setzte sich derweil auf und drehte sich so um, dass er dem stehenden Jungen gegenüber saß. „Okay, Michael. Ich habe absolut keine Ahnung was vorgefallen ist – und wenn du mir das nicht erzählen willst ist dies vollkommen in Ordnung – jedoch sollst du eins wissen: Ich nehme an, dass dich das ziemlich getroffen hatte und es dich noch eine Weile belasten wird, von daher solltest du eins Wissen: Ich höre dir zu, wenn du es brauchst und ich werde für Ablenkung sorgen, wenn du dies willst, ja?" Michael wirkte etwas perplex. Er hatte bei Lucifer nie mit so viel ... Nettigkeit und Wärme? Gerechnet. Schon gar nicht an einem Tag. Er hatte damit gerechnet, dass dieser genervt oder gelangweilt gewesen wäre, jedoch nicht damit. Aber tatsächlich fühlte er sich dadurch etwas besser. Es war gut zu wissen, dass er scheinbar jemanden hatte, der den Mund hielt und einem helfen wollte. „Danke ..." Murmelte er daraufhin auch nur. „Nichts zu danken, Michael. Ich denke, dass du dir das Verdienst." Das brachte den Dunkelhaarigen dazu etwas erstaunt seinen Blick vom Boden abzuwenden und Lucifer in die Augen zu schauen. „Wieso?" „Du hattest gerade einen Nervenzusammenbruch und hast mir ja kaum geglaubt, dass ich dir es nicht übel nehme, dass du dich bei mir ausgeweint hast. Natürlich verdienst du das, da du mit so etwas scheinbar selten bis gar keine „Begegnung" hattest." Michael nickte nun erneut. Er wollte jetzt zwar nicht unbedingt darüber reden, aber das stimme. Verständnis und Beileid, dies waren zwei Dinge die er wirklich niemals zu spüren bekommen hatte. Sein Vater wollte immer nur, dass er gehorchte und ein Vorzeigebeispiel war. Mehr nicht. Emotionen waren als unnötig abgestempelt worden. Umso besser fühlte es sich an, dass man ihm nun das Gegenteil sagte. „Soll ich dich ablenken? Ich habe mir ein paar Dinge überlegt, die dich vielleicht etwas aufmuntern könnten." Zwar bezweifelte Michael, dass es ihn wirklich vollkommen aufmuntern würde, aber er nahm an, dass der andere es nur gut meinte und er wollte nun auch wirklich nicht zurück ins Zimmer, wo er mit seinen Gedanken alleine wäre, weshalb er einwilligte. „Gut, dann komm." Lucifer griff nach Michaels Arm und zog diesen leicht in Richtung Eingang, woraufhin Michael ihn verwirrt ansah: „Ich dachte wir gehen woanders hin?" „Nö, hier bleiben wir schon, ich erledige gleich nur etwas, in Ordnung?" Daraufhin willigte Michael erneut ein. Ihm war gerade echt alles recht, Hauptsache er bekam andere Gedanken in seinen Kopf gesetzt.

Etwa eine halbe Stunde später saßen die beiden Jungen auf Michaels Bett im Internatszimmer, beide mit Tee, hatten sich unter ihre Bettdecken verzogen und setzten sich selbst einem Sherlock Marathon aus. Zwar würden sie das spätestens in drei Stunden bereuen, weil es bereits nicht mehr allzu früh war und man bei Sherlock einen sehr großen Teil seines Gehirnes benutzen musste, doch das war den beiden gerade relativ egal. Im Gegensatz zum letzten Mal saßen sie beide nicht auf ihren Separaten Betten, obwohl sie diese noch nicht wieder umgestellt hatten, sondern sie saßen beide auf Michaels Bett, am Kopfende und starrten auf den Bildschirm, eng beieinander sitzend. Irgendwann im Laufe der ersten Staffel war der Kopf des kleineren an Lucifers Schulter gesunken, doch dieser sagte dazu nichts. Wenn Michael sich so wohl fühlte, dann sollte es ihm recht sein. Außerdem störte er sich selbst auch nicht sonderlich daran, zwar war es ungewohnt aber das war auch schon alles. „Sag mal, glaubst du es kommt eine fünfte Staffel raus, bevor ich in Rente gehe?" Lucifer sah daraufhin zu dem dunkelhaarigen hinunter. „Ich denke nicht, das sind doch nur noch ein paar Monate, wenn ich nach deinem äußerlichen Alter gehe. Leicht empört sah Michael ihn daraufhin aus seinen hellbraunen Augen an, während der andere grinste. „Ach, halt du nur die Klappe. Du bist nicht besser." „Das habe ich auch nie behauptet."

If Heaven falls for hell [Michifer]Where stories live. Discover now