Der Garten, der zu dem Haus gehörte, war nicht besonders groß und am Ende erwartete mich eine hölzerne Gartenpforte, die auf einen Sandweg führte. Das Problem war allerdings, dass wir uns anscheinend im Nirgendwo befanden, denn um mich herum lag nur Wald. Also stürmte ich auf die Gartenpforte zu, riss sie auf und ließ dabei die Statue fallen. Sie war nur eine schreckliche Erinnerung daran, was ich gesehen und erlebt hatte. Ich musste sie hinter mir lassen.
Ich rannte. Der Wind schlug mir unangenehm entgegen, peitschte heftig um mich herum, ließ mich langsamer werden.
Ich hielt nicht ein einziges Mal an.
Ich war nie besonders sportlich gewesen, hatte auch nie großen Wert darauf gelegt, denn ich hatte nie einen Nutzen darin gesehen. Damals hatte ich ja auch noch nicht geahnt, dass mich irgendein Psychopath entführen würde und ich vor ihm davon rennen müsste.
Schon bald bog ich vom Sandweg ab und schlug mich stattdessen durchs Unterholz. Ich war mir sicher, dass Alex schneller war als ich, also war die einzige Chance, die ich hatte, mich zu verstecken und darauf zu hoffen, dass er mich nicht fand.
Die Zweige der Büsche zerkratzten mir das Gesicht, die Arme, den ganzen Körper. Meine Füße schmerzten, ständig blieb ich irgendwo hängen, fiel hin, rappelte mich wieder hoch. Nur weiter laufen, nur weiter laufen. Weg von dem Haus, weg von Alex, weg von allem.
Ich keuchte, schnaufte, wurde langsamer. Meine Lunge brannte, sie schrie geradezu nach einer Atempause, die ich ihr aber nicht bieten konnte, nicht bieten durfte.
Irgendwann musste ich doch aus diesem verdammten Wald herauskommen. Er könnte doch nicht unendlich groß sein. Zumindest sagte ich mir das immer wieder, weil ich ansonsten aufgehört hätte zu laufen. Mein Schädel pochte, obwohl ich mir nun sicher war, dass Alex mir tatsächlich eine Schmerztablette gegeben hatte. Denn die Schmerzen hielten sich in Grenzen, ich konnte damit leben.
Irgendwann musste ich anhalten. Nach Luft schnappend stützte ich mich auf meine Oberschenkel und atmete gierig die frische Luft ein. Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Wie lange war ich gelaufen? Es hätten Minuten sein können oder auch Stunden, ich hätte es nicht sagen können. Ich hatte das Gefühl, ich lieg schon mein ganzes Leben.
Stöhnend lehnte ich mich gegen einen Baum und gab mir einen kurzen Moment Pause, um mich zu sammeln und nachzudenken.
Was war jetzt zu tun?
Ich musste raus aus diesem Wald, am besten noch, bevor die Nacht anbrach. Und dabei durfte ich auf keinen Fall auf Alex treffen. Der Gedanke alleine schon an ihn reichte, um mir unendliche Angst einzujagen. Er würde mich umbringen, wenn er mich fand, da war ich mir ganz sicher. Er hatte mich gewarnt, hatte mir gesagt, dass ich nichts Dummes tun sollte und ich hatte es trotzdem getan.
Unwillkürlich sah ich mich selbst auf dem Boden knien, mit tränenverschmierten Gesicht, über mir mein Entführer, der eine Waffe auf mich richtete. Ich flehte, bettelte um Gnade, aber er hörte mich nicht, es war ihm egal, es war ihm egal. Und dann schoss er. Ich wusste nicht, wieso, aber aus irgendeinem Grund sah ich alles genau vor mir, die auf dem Boden verteilte Gehirnmasse und das Blut, alles war rot wie Blut.
Schaudernd wandte ich mich ab. Ich musste weiter, sonst würden meine grausamen Fantasien noch Wirklichkeit werden.
Diesmal lief ich etwas langsamer, um meine Kräfte nicht vollends aufzubrauchen. Ich wusste, dass ich eigentlich schon völlig am Ende hätte sein müssen, aber das Adrenalin, das durch meine Adern rauschte, die ständige Angst, erwischt zu werden, war stärker und trieben mich weiter an und holten die letzten Reserven aus meinem Körper heraus.
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Fall
RomanceMaria ist 19 Jahre alt, hat immer noch mit den schrecklichen Erfahrungen ihrer Kindheit zu kämpfen und lebt in einem Van in einer Seitenstraße. Eines Nachts beobachtet sie, wie in dieser Gasse ein junger Mann erschossen wird. Um zu verhindern, dass...