12. Alexander schält Tomaten

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"Nein nein nein!", rief Magnus empört und sah absolut geistesabweisend aus. Sowohl er als auch Alec waren mittlerweile schon wieder in Alecs Wohnung angekommen und hatten sich bei dem zu kochenden Abendessen für Spaghetti entschieden. Ohne Fleisch. Wie Magnus herausgefunden hatte war Alec Vegitarier, was der junge Mann von der Straße durchaus amüsierend fand. Nicht, dass er etwas dagegen hatte. Er konnte die Moral dahinter durchaus verstehen. Doch es sah dem groß gewachsenen Mann mit den tief blauen Augen und ganz in schwarz gekleidet nicht ähnlich Vegitarier zu sein. Zumindest hätte Magnus dies nicht angekommen.

Aber um zu dem eigentlichen Thema, nämlich dem zubereiten der Tomatensauce, zurück zu kommen; Alexander war dabei die Tomaten zu schälen, was Magnus dazu gebracht hatte sein Missfallen auszudrücken.
"Wie um alles in der Welt kommst du auf die Idee die Tomaten zu schälen?", fragte Magnus erneut.
"Ich schäle die Tomaten immer?" Die Antwort, die Alec gab, war eher eine kläglich gescheiterte Aussage und zuletzt nicht mehr als eine zaghafte Frage. Nun hatte Magnus doch ein schlechtes Gewissen. Besonders nachdem Alec sich so um ihn gesorgt hatte. Ja, er hatte ihn sogar dazu bekommen im Auto zu singen. Und Alec war zwar gut in vielem, aber ein herrausragender Sänger war er nicht.
"Ich kann es ja bei Suppen verstehen. Aber bei einer Spaghetti Sauce? Vor allem weil wir sie nicht gerade in Matsch Konsistenz haben wollen. Und die Schale ist gesund."
Alec schien über Magnus' Einwand nachzudenken, nickte dann zögerlich und trat an Magnus heran, der dabei war die Nudeln, die bereits im Topf kochten, umzurühren.
"Dann", flüsterte Alec, da er mittlerweile den Kopf auf Magnus' Schulter gelegt hatte, "stimme ich dir zu." Er gab Magnus einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Nur ganz zart, wie ein Lufthauch der gerade vorbei gezogen war.
Ein Lächeln schlich sich auf Magnus' Lippen. Ihm war aufgefallen, dass Alec seit dem Zusammenbruch sich ändern verhielt. Er war... sanfter.
"Magnus", brummte Alec, weswegen der angesprochene Gänsehaut bekam. "Ich glaube du hast genug gerührt, die Nudeln sollten keine Matsch Konsistenz erreichen." Das leichte Lachen, welches Alec dann von sich gab, brachte Magnus dazu den Löffel los zu lassen. "Gut, dann sind sie fertig. Lass uns die Sauce fertig machen und dann essen. Ich habe hunger." Mit diesem Satz entzog er sich Alec und trat einen Schritt zur Seite. Spannung kam in Alecs Körper, er stellte sich wieder gerade hin, verweilte dort einige Sekunden und machte sich dann daran die Tomaten zu schneiden.

"Es tut mir leid."
"Was tut dir Leid Alexander?" Magnus sah Alec verwirrt an, während dieser die Tomatensauce in der Pfanne umrührte, und zog eine Augenbraue hoch.
"Das alles. Diese Situation. Alles." Alec holte Luft um seine Aussage genauer zu erläutern. "Du kannst mich gerade absolut nicht gebrauchen. Es tut mir leid, dass ich dir zu nahe trete. Beim Erzengel, du kennst mich ja kaum und ich...", Alec schien nach den richtigen Worten zu suchen. "Ich habe seit Ewigkeiten ein Auge auf dich geworfen. Ich habe mich bei Leuten erkundigt, habe versucht dafür zu sorgen, dass du Hilfe bekommst ohne mich dir persönlich gegenüber stellen zu müssen weil ich wusste was passieren würde."
"Hast du gerade ernsthaft beim Erzengel gesagt?"
Alec blickte Magnus völlig verwirrt an.
"Hör zu, es interessiert mich nicht was in der Vergangenheit war. Es interessiert mich nicht. Das ist deine Sache, dein Leben und hat mich nicht zu interessieren. Das gleiche gilt auch für mein Leben. Es ist egal was in der Vergangenheit war. Was zählt ist, was heute ist. Hier und jetzt. Es ist nicht deine Schuld, dass ich so bin wie ich bin, aber du nimmst dich mir dennoch an. Ich bin gern in deine Nähe. Glaub mir Alexander. Ich denke es war eine gute Idee die Dinge etwas langsamer angehen zu lassen, aber ich habe nichts gegen Körperkontakt oder deine Art und Weise. Falls du den Eindruck erlangt hast tut es mir leid. Ich bin zur Seite gegangen, weil-", Magnus schloss die Augen und atmete durch, "ich bin zur Seite gegangen, weil diese Geste mich an etwas erinnert hat. Meine Eltern." Magnus konnte nicht glauben, dass er das hier gerade tat. Noch am Vormittag hatte er beschlossen das alles nur zu spielen, doch er hatte den Plan schon von Anfang an über den Haufen geworfen. Und gerade kippte er literweise Öl darüber und verbrannte es in Gedanken. Nein. Das hier würde er ehrlich machen. Er musste es riskieren. Alexander war besonders. Und oh so umwerfend, wie er dort am Herd stand, ganz in schwarz, in einem engen T-Shirt, mit dem weichen Gesichtsausdruck und den glänzenden Augen. Magnus hätte sich ihm gern an den Hals geworfen. Nein, er sollte nicht so denken, aber auch er hatte Interessen und Gefühle. Immer wieder versuchte er sich in Gedanken daran zu ermahnen, dass Alec ein Teil von C.U.P war und das alles gefährlich werden wird. Aber Alecs unverschämt sanfter Blick gewann. Und diese Augen, dachte Magnus.
"Meine Eltern", fuhr Magnus vor, nachdem er wieder Fassung gewonnen hatte, "starben als ich noch klein war. Ich bin früh auf der Straße gelandet, habe mich durch die Länder bis hin nach New York gekämpft und bin jetzt hier."
Alec wollte etwas sagen, wurde aber von Magnus unterbrochen, der eine elegante Handbewegung machte. Er wusste, dass er die nächsten Worte bereuen werden würde. Er würde es so sehr bereuen, doch er wollte es so sehr. Er wollte so sehr daran glauben, dass er Alec etwas bedeutete. Er wollte kein Monster sein. Magnus war es satt zu lügen, er war nur so verletzt. Das hier war seine Chance auf ein besseres Leben. Es auf Lügen aufzubauen, so wie er es zuvor geplant hatte, würde ihn zerstören. Er würde nicht glücklich werden können. Außerdem war Alec auf dem besten Weg sein Herz zu erobern. Magnus wollte ehrlich sein.
"Seit dem ich denken kann habe ich mich allein gefühlt. Niemand war da, niemand ließ mich sicher fühlen und niemand hat sich um mein Leben interessiert. Niemanden hat es interessiert, ob ich lebe oder nicht. Als ich zwölf war verliebte ich mich zu ersten mal. Ihr Name war Camille und sie war wunderschön, witzig, schien mich zu mögen... Aber sie war älter, wohlhabend und brach mir das Herz. Eine kindische Verliebtheit, aber danach habe ich mich dafür verschlossen für irgendjemanden Gefühle zu entwickeln, Mann oder Frau." Magnus sah Alec nun in die Augen. "Du hast etwas in mir geweckt. Ich vertraue dir."
Alec zog die Sauce von der Herdplatte, stellte all das Essen auf den Tisch, drehte sich dann zu Magnus und sagte: "Ich vertraue dir auch."
Magnus nickte lächelnd und unterdrückte einen Impuls, der sich langsam anbahnte. "Lass uns essen. Das sieht wirklich vorzüglich aus."
Alec stimmte ihm lächelnd zu und beide setzten sich, aßen still, warfen sich ab und an Blicke zu. Hätte einer von ihnen etwas gesagt, dann wäre die Spannung zwischen ihnen vielleicht hoch hoch gegangen. Magnus konnte Alecs Blick nämlich durchaus deuten. Er verstand nur nicht, wie Alec ihn attraktiv finden konnte. Er wusste nicht, wie Alec so jemanden wie ihn mögen, geschweige denn gutaussehend finden konnte. Ja, Magnus war unverkennbar und ja, er sah nicht schlecht aus. Aber Alec...

Plötzlich spürte Magnus, wie zwei große Hände sich auf seine Schultern legten und begannen ihn zu massieren. Er öffnete die Augen, wusste aber nicht wann er sie geschlossen hatte.
"Du bist wunderschön."
Hatte Magnus etwa laut gedacht?
"Nichts an dir ist hässlich und ich habe dich wirklich gern."
"Alexander, i-ich weiß nicht-"
Alec schüttelte den Kopf. "Ich verstehe. Lass uns den Film gucken. Möchtest du etwas trinken? Ich habe einen ziemlich guten Wein, den ich irgendwann mal geschenkt bekommen habe."
"Gern."

Die Straßen von New York *In Bearbeitung*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt