3. Das große Ganze geht auf den Sack

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Magnus saß im Badezimmer, auf einem Stuhl, vor dem Spiegel, der über dem Waschbecken hing. Er beobachtete Clary dabei, wie sie ihm seine Haare abrasierte. Er seufzte zufrieden, da sie so gut wie fertig war. Es sah gut aus, keine Frage. Clary hatte schon immer ein Händchen für solche Arbeiten gehabt. Sie war mitterweile mit den Gewohnheiten von Magnus' Haaren bekannt und wusste, wie sie schneiden durfte und wie nicht.
"Man muss immer das große Ganze sehen", murmelte Clary, als sie die Maschiene ein letztes mal ansetzte. Magnus sah sie verwirrt durch den Spiegel an.
"Huh? Wo kommt das denn her?"
"Ach, so ein Typ aus meiner Schule hat das letztens gesagt. Hat endlos über alles mögliche philosophiert und dabei total sarkastisch geklungen. Aber den Satz hat er ernst gemeint."
"Aha", brummte Magnus. Das große Ganze ging ihm gehörig auf den Sack. Clary schüttelte lachend ihren Kopf, befreite Magnus von den vielen kleinen Haaren und wuschelte ihm einmal über den Kopf.
"Fertig!" Zufrieden betrachtete sie ihr Werk und nickte dann zwei mal. Ja, so würde es gehen.
"Danke Liebes." Magnus lächelte glücklich und fuhr sich mit dem Fingern durch sein Haar, um es in Form zu bringen. Als er auf die Uhr schaute, riss er verwundert die Augen auf und sagte: "Es ist schon ja fast Mittag!" Clary lachte daraufhin und runzelte die Stirn, als es klingelte. Also heute ist auch ne Menge los, dachte sie verwirrt und warf Magnus einen Blick zu. Er war mittlerweile aufgestanden und deutete ihr an, die Tür zu öffnen. Clary begab sich also zur Tür, schob dabei die auf dem Boden herumliegenden Schuhe zur Seite, und öffnete.
"Izzy!" Überrascht zog sie ihre Klassenkameradin in eine Umarmung und bat diese, ein zu treten.
"Was machst du denn hier?"
"Ach, ich wollte wegen dem Projekt bescheid sagen. Ich weiß ja, dass du selten dazu kommst Mails zu lesen." Ihr Tonfall war freundlich, nicht abwertend und sie lächelte. Clary war ihr ans Herz gewachsen. Jetzt, da ihr Bruder Jace ein Auge auf das großherzige Mädchen geworfen hatte, musste sie sich ein wenig um sie kümmern. Jace konnte leicht Herzen brechen, und das würde Isabelle nicht zu lassen. Um so überraschter schaute sie zu dem Jungen, der aus Clarys Badezimmer kam.
"Darling, ist da jemand-" Er wurde von einer ziemlich wütenden klingenden jungen Frau unterbrochen. Wobei Magnus sie eher auf Clarys Alter schätzte. Älter als 16 konnte sie nicht sein.
"Du hast einen Freund?"
Magnus und Clary brachen in Gelächter aus und sahen sich dann leicht angeekelt an.
"Eww, das wär als wäre ich mit meiner Schwester zusammen. Die ich in übrigen nicht habe." Magnus zwinkerte Isabelle zu und lächelte zufrieden, als diese leicht rosa in Gesicht Wurde.
"Ich bin Magnus Bane, nett dich kennen zu lernen. Clarys Freundin? Klassenkameradin? Heimliche Drogendielerin?" Bei den letzten Worten hob er warnend die Augenbraue, behielt aber das verschmitzte Grinsen auf seinen Lippen. Clary holte aus und schlug ihn auf den Arm, weshalb er schmollte.
"Aua", jammerte er und ignorierte Clarys Entschuldigung gegenüber dem Mädchen. Magnus' Benehmen war sehr wohl in Ordnung. Er überspielte seine Unsicherheit nun einmal mit flirtenden Anmerkungen. Bisher hatte ihn diese Methode noch nie im Stich gelassen. Er konnte sehen, wie das Mädchen vor ihm ihren Blick über ihn gleiten ließ. Seine Hose saß etwas zu knapp, da er eine von Simon bekommen hatte. Der türkiese Polover hingegen saß genau richtig und der Haarschnitt stand ihm. Doch irgendetwas störte Isabelle an ihm. Sie wusste nur noch nicht, was es war.
"Ähhm, ja, kein Ding Clary. Alles gut. Ich bin Isabelle", wand sich das Mädchen an Magnus und ließ sich von diesem die Hand schütteln.

Es war das erste mal, dass er sich auf Anhieb mit irgendjemanden so schnell verstanden hatte. Clary zählte da nicht, er kannte sie schon zu lange und er konnte sich nicht erinnern, wie sie sich kennen gelernt hatten. Isabelle hatte ihren Laptop mitgebracht, weshalb Magnus gebannt auf das Video starrte, dass das schwarzhaarige Mädchen ihm zeigte. Es war ein Schminktutorial, welches sie selbst aufgenommen hatte. Die beiden saßen auf Clarys Bett im Zimmer, welches sie mit Simon und Rebecca teilte. Da dieser immer noch in der Küche vor seinem Nintendo saß, konnte er sich auch nicht darüber beschweren, dass Clary ein riesiges Chaos verursachte.
"Biskuit, komm runter. Es ist nur Goldlocke. Kein Stress mit den Klamotten. Du siehst gut aus." Magnus meinte was er sagte, als er seinen Blick vom Bildschirm hob und Clary ermutigend ansah. Die Kombination aus schwarzer Hose, grünem Top und der ebenfalls schwarzen Strickjacke stand ihr ausgezeichnet. Grün passte wunderbar zu ihren roten Haaren.
"Magnus hat Recht. Du siehst gut aus. Wehe mein Bruder verpasst dir einen Korb, dann bekommt der was von mir zu hören."
Nach diesen Worten ließ Clary sich neben Isabelle auf das Bett fallen und lächelte dankend.
"Moment mal, hab ich das richtig verstanden? Jace the duck ist dein Bruder?" Magnus hob erneut seinen Blick von dem Bildschirm. Er verpasste ungern den Eyelinerstrich, doch diese Frage hatte Priorität. Isabelle schien Magnus' Bezeichnung von Jace als Jace the duck so lustig zu finden, dass sie in schallendes Gelächter ausbrach.
"Ja, ist er. Aber er ist adoptiert, deswegen sehen wir uns auch absolut nicht ähnlich. Alec hingegen hat einige Ähnlichkeiten mit mir. Mal von der Größe abgesehen. Er macht Konkurrenz mit den niedrigeren Türen bei uns in der Schule. Wir haben schon ne Wette laufen, wann er sich das nächste mal den Kopf stößt. Er geht nicht bei uns auf die Schule, musst du wissen. Alec, der alte Sack, ist auf dem College, Jace ist jetzt Senior und geht nächstes Jahr auch aufs College und Clary und ich dürfen uns noch dieses und nächstes Jahr auf der Schule beglücken. Wobei Clary jetzt schon das Stipendium in der Tasche hat, dieser Glückspilz", erzählte Isabelle frei heraus und band sich dabei ihre tief schwarzen Haare zu einem Zopf hoch. "Und du?"
Magnus Herz setzte einen Schlag lang aus, zumindest dachte er das.
"Ach, ich arbeite in einem Café im Einkaufszentrum. Nichts besonderes", log er. Clary sagte nichts dazu. Sie respektierte Magnus Entscheidungen über das teilen seiner Informationen und wusste, dass er generell wenig von sich Preis gab. Isabelle nahm die Antwort einfach hin und nickte, sichtlich zurfrieden.
"So Clary, du musst los. Ich denke ich gehe auch", verkündete Isabelle und klappte ihren Laptop zusammen. Clary sah daraufhin entschuldigend zu Magnus, der einfach nur den Kopf schüttelte. Er musste sowieso Cat aufsuchen. Sie würde schon krank vor Sorge sein.
"Du kannst Izzy ja nach hause begleiten", warf Clary plötzlich ein, als die drei Teenager im Flur standen und sich die Schuhe anzogen.
"Das ist wirklich nicht nö-"
"Aber sicher doch. Ich komme gern mit Isabelle, wenn du möchtest. Das ist gar kein Problem." Magnus hatte sich seine Jacke übergezogen, band den Schaal um seinen Hals und platzierte eine türkiese Mütze auf seinen Kopf. Clary hatte ihm diese ebenfalls geschenkt.
"In Ordnung. Aber ich revanchiere mich dafür", summte Isabelle und sah Magnus lächelnd an. Ihr Gesicht hatte einen traurigen Ausdruck angenommen. Weshalb, wusste sie selbst nicht.
Die drei Jugendlichen verließen das hohe Haus, verabschiedeten sich und wünschten Clary viel Spaß. Sie setzten ihre Wege getrennt fort.
"Erzähl mal etwas über dich, Magnus", forderte Isabelle ihn auf. Sie hatte sich bei ihm untergehakt und ignorierte den seltsamen Geruch, der von seiner Jacke ausging. Wahrscheinlich hatte er einfach einen schlechten Tag gehabt, oder er war irgendwo hinein gefallen. Ihr war aufgefallen, dass er bei Clary geduscht hatte. Schien also wirklich ein Notfall gewesen zu sein.
"Ach, da gibts nichts besonderes über mich. Wie ich heißt weißt du schon, dass ich in dem Café arbeite weißt du auch schon. Ansonsten... Hmmm, ich bin 18 und meine zwei Alten sind ziemlich schräg musst du wissen. Ich mag Mode, und Clary ist wie meine kleine Schwester. Das wars eigentlich." Es war die selbe Geschichte wie immer. Die selbe Geschichte, die er auch Clary erzählt hatte, bevor sie Freunde wurden. Er erzählte sie den Leuten, wenn sie fragten. Er erzählte sie, um sich selbst zu schützen.
"Pff, so uninteressant ist das gar nicht. Man hört nicht alle Tage, dass ein junger Mann sich für Mode interessiert. Meine Brüder sind typische hau drauf Kerle. Interessieren sich für Waffen, wobei Alec schon ewig Bogen schießt. Aber der und Mode...", sie schüttelte lachend den Kopf und zog Magnus über eine gerade grün gewordene Ampel.
"Du musst wirklich nicht mit. Ich hab noch ne Weile Busfaht vor mir, da meine Eltern mich garantiert nicht holen und Alec auch nicht."
"Macht nichts, Liebes. Ich bringe dich zur Bushaltestelle und laufe dann weiter. Ich habs nicht so weit."
Beide hatten mitterweile die Bushaltestation erreicht, von der Isabelle weiter fahren wollte. Da ihr Bus allerdings bereits wartete, verabschiedeten sich die beiden voneinander. Isabelle zog Magnus in eine Umarmung und warf dabei einen kurzen Blick auf den Inhalt von seinem Rucksack, den er auf dem Rücken trug. Gedanken machte sie sich allerdings erst, als der Bus bereits fuhr und Magnus ziellos den Weg in eine Gasse einschlug. Schuldig kaute sie auf ihrer Unterlippe. Sollte sie mit Clary reden? Nein, das war keine Gute Idee. Er war ihr bester Freund. Sie würde garantiert nichts erzählen. Ihre eigenen Eltern interessierte es nicht, Jace auch nicht und Alec... Das war es! Sie würde mit Alec reden. Er wusste immer eine Antwort. Er sagte ständig: Man muss das große Ganze sehen. Und darin war er verdammt gut.

Die Straßen von New York *In Bearbeitung*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt