Kapitel 15 ~ Krieg ich ihn nicht, kriegst du ihn auch nicht

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 "Ich kann es nicht fassen. Er hat mich die ganze Zeit angelogen?"

"Es tut mir leid, aber du warst auch nicht so ehrlich zu ihm. Du hast ihm genauso etwas vorgespielt. Nur sind deine Gründe weniger einleuchtend, wie seine. Weil nichts Besseres da war, komm schon, das kann man genau genommen nicht einmal als Grund zählen. Sei froh, dass es so ist, wie es ist und du nicht die einzige bist, die gelogen hat".

"Ich soll froh darüber sein, dass er mich hintergangen hat? Vergiss es. Ich war nicht berechnend, ich hatte zumindest zu Beginn Gefühle. Viele Menschen sind nur aus Gewohnheit zusammen. Du verteidigst ihn nur, weil er dein Bruder ist, aber du wirst mir bestimmt kein schlechtes Gewissen machen. Er sollte eines haben, nicht ich Anastasia und eines sage ich dir. Ich werde das ganz bestimmt nicht einfach so auf mir sitzen lassen, er wird mich nicht abservieren und alles ist gut. Ich werde es Kathleen und Timo nicht so einfach machen".

"Rache ist völlig unangebracht, Emelie. Bitte, was soll es dir bringen? Ich habe dir das erzählt, um bei dir auf Einsicht zu stoßen, nicht um noch mehr Probleme zu verursachen".

"Du hättest es mir erzählen sollen, weil du meine beste Freundin bist, ... warst. Nicht um deinen Bruder neu verkuppeln zu können. Auch nicht wegen Kathleen, die du erst seit zwei Wochen kennst".

-x-

Kathleens Vater war die ganze Nacht nicht nach Hause gekommen, was bedeutete, er hatte bei ihrer Englischlehrerin geschlafen. Und diese Tatsache gefiel ihr überhaupt nicht. Bisher hatte niemand Verdacht geschöpft, aber das könnte sich jetzt ändern. Frau Mag. Janis könnte dafür sorgen. Eigentlich war es sogar sehr wahrscheinlich, dass sie dafür sorgte. Kathleen konnte schließlich schlecht um Verschwiegenheit bitten.

Sie sah sich auf den Gängen nach Ana und Emelie um, konnte aber keine von beiden entdecken. Stattdessen sah sie ihren Vater, wie er über das ganze Gesicht strahlend die Fenster putzte. Auch er entdeckte sie und zwinkerte ihr zu, sozusagen anstatt eines Hallos. Aber selbst diese winzige Geste war zu viel, selbst bei dieser Geste hatte sie Angst erwischt zu werden. Schnell wandte sie sich ab und rannte in Emelie.

"Oh, hey Emelie. Ich habe dich schon gesucht".

"Hat dir der Putzmann etwa gerade zugezwinkert? Du bekommst wirklich nicht genug. Es reicht dir nicht meinen Freund zu stehlen, du musst dich auch noch mit diesem viel älteren Mann einlassen. Oh Gott Kathleen, wie habe ich mich nur so in dir täuschen können. Aber eines sage ich dir, du kannst mit dem da tun was du willst, aber Timo bekommst du nicht. Dafür werde ich sorgen, Schlampe", sagte Emelie und ließ die verdatterte Kathleen zurück. Hatte man ihr gerade unterstellt mit ihrem Vater ein Verhältnis zu haben? Und wer hatte Emelie von dem, das zwischen ihr und Timo gelaufen war erzählt? Noch immer verdattert ging Kathleen in die Klasse. Als sie Ana auf ihren Platz sitzen sah, mit dem schuldigen Blick, verstand sie.

"Ich habe nur helfen wollen, aber irgendwie ist es nach hinten losgegangen. Es tut mir so leid", entschuldigte sie sich.

"Es ist schon in Ordnung. Du musst dich nicht meinetwegen mit Emelie streiten", erwiderte Kathleen und lächelte Ana aufmunternd zu, zu Emelie zu gehen, um sich wieder mit ihr zu versöhnen.

"Ich mache das nicht nur für dich, sondern vor allem für Timo", sagte Ana und holte ihre Hefte aus ihrer Tasche. Das Thema war damit für sie erledigt.

Heute ist der perfekte Tag zum schwänzen, dachte sich Kathleen während sie auf den Beginn der ersten Stunde wartete, Emelie hätte sich vielleicht bis morgen wieder beruhigt und ich könnte.

Ihr Blick während der ersten und der zweiten Stunde war beinahe dauerhaft auf die Uhr über der Tür gerichtet und die ständig vorrückenden Zeiger. Erbarmungslos schoben sie sich immer weiter, immer näher an die dritte Stunde. "Fräulein Stolz, Sie können es wohl das Ende meiner Unterrichtsstunde erwarten, aber würden Sie mir bitte noch die letzten zehn Minuten Aufmerksamkeit schenken? Wissen Sie vielleicht wann der dreißigjährige Krieg begonnen hat?" sagte ihr Geschichtelehrer und schreckte Kathleen damit aus ihren Gedanken.

"Ähhm, was...? Der dreißigjährige Krieg? Ich glaube 1718", erwiderte Kathleen, die sich nur noch wage an die richtige Antwort erinnerte.

"1618, Fräulein Stolz. Und jetzt passen sie bitte besser in meinen Unterricht auf", wies sie der Lehrer zu Recht und begann wieder mit monotoner Stimme seinen Stoff hinunter zu leiern.

Riiing

Es hatte zum Ende der zweiten Stunde geläutet und die meisten Schüler stürmten sofort aus der Klasse in die Cafeteria um nicht zu lange für Snacks anstehen zu müssen. "Kommst du Kathleen, du wirst dich doch nicht in der Pause in der Klasse verstecken", forderte Ana sie auf und ging auffordernd ein paar Schritte Richtung Tür.

"Doch, eigentlich hatte ich das schon vor", erwiderte Kathleen und folge ihrer Freundin widerstrebend. In der Cafeteria waren alle Tische bereits besetzt, aber Ana überlegte nicht lange und setzte sich neben ihren Bruder und Emelie, die wie wild auf ihn einredete. Auch sein bester Freund, Julian saß am Tisch und begrüßte Ana mit einen dankbaren Lächeln. Zögernd folgte ihr Kathleen, nicht sicher ob es eine gute Idee war sich dazuzusetzen.

"Gott sie dank bist du hier. Ich hätte den Streit nicht mehr lange ausgehalten", stöhnte Julian auf und warf einen bedeutungsvollen Blick auf Timo und Emelie, bevor er sich zu Ana vorbeugte und sie küsste. Weder Timo noch Emelie hatten Anas Ankunft bemerkt, ihre Aufmerksamkeit galt Kathleen.

"Verschwinde, du siehst doch dass du störst", fauchte Emelie Kathleen an. Timo warf ihr einen bösen Blick zu und meinte: "Nein, bleib hier. Emelie wollte sowieso gerade gehen". Entsetzt sah Kathleen zwischen den beiden hin und her, unschlüssig wie sie reagieren sollte.

"Ich muss eh aufs Klo", murmelte sie und ging wieder mit gesengtem Kopf. Erst im WC hob sie ihren Blick wieder und betrachtete das Mädchen, das ihr vom Spiegel entgegenblickte. Ziemlich blass und übermüdete sah sie aus. Nur ihre Wagen brannten vor Scham.

"Oh hey Kathleen", begrüßte sie ein Mädchen, das gerade aus einer der Kabinen gekommen war. Kathleen kannte sie nur flüchtig.  Sie wusch sich die Hände und sagte dann: "Bist du jetzt stolz darauf Emelie den Freund geklaut zu haben?"

Dann ging sie.

Der Bruder meiner FreundinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt